Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialhilfe. Kostenersatz durch Erben. Haftung mit dem Wert des im Zeitpunkt des Erbfalles vorhandenen Nachlasses. Berücksichtigung einer bereits gegen den Erblasser titulierten Forderung
Leitsatz (amtlich)
1. Eine bereits gegen den Erblasser titulierte Forderung mindert als Nachlassverbindlichkeit den Wert des im Zeitpunkt des Erbfalles vorhandenen Nachlasses im Sinne von § 102 Abs 1 S 2 SGB XII.
2. Ein Anspruch aus § 102 SGB XII ist gegenüber einer bereits zu Lebzeiten des Erblassers titulierten Forderung nicht vorrangig.
Nachgehend
Tenor
Auf die Berufung der Kläger wird das Urteil des Sozialgerichts Detmold vom 22.03.2016 abgeändert. Der Bescheid des Beklagten vom 08.03.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10.07.2013 und der Bescheid vom 26.07.2016 werden aufgehoben.
Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 26.697,64 Euro festgesetzt.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um einen Anspruch des Beklagten auf Kostenersatz für die der Frau S gewährten Leistungen der Hilfe zur Pflege.
Die am 00.00.1952 geborene Klägerin zu 1) ist die Tochter der am 00.00.1928 geborenen und am 00.00.2012 verstorbenen Frau S (Hilfebedürftige). Der am 00.00.1926 geborene Kläger zu 2) ist der Ehemann der Hilfebedürftigen. Die Eheleute S waren jeweils zur Hälfte Eigentümer der von den Eheleuten bis zur stationären Unterbringung der Hilfebedürftigen im Haus B in S am 21.06.2007 gemeinsam bewohnten Eigentumswohnung in der U-straße 00 in S; der Kläger zu 2) bewohnt die Wohnung weiterhin. Die Kläger zu 1) und 2) sind die Erben der Hilfebedürftigen. Für die Hilfebedürftige bestand (als Versicherungsnehmerin und versicherte Person) eine Lebensversicherung bei der Q Versicherung in Form einer Bestattungsvorsorgeversicherung mit einer garantierten Versicherungssumme von 3.000 EUR.
Am 22.05.2007 beantragte die Hilfebedürftige die Gewährung von Leistungen zur Hilfe zur Pflege für ungedeckte Heimkosten. Sie war seit Januar 2007 durch die zuständige Pflegekasse in Pflegestufe III eingestuft.
Der Beklagte lehnte den Antrag der Hilfebedürftigen zunächst wegen vorrangig einzusetzenden Vermögens ab und erteilte im Widerspruchsverfahren einen Abhilfebescheid. Mit Bescheid vom 08.04.2008 gewährte der Beklagte der Hilfebedürftigen ab dem 21.06.2007 Leistungen der Hilfe zur Pflege für die ungedeckten Heimkosten unter Berücksichtigung eines von den Eheleuten zu erbringenden Kostenbeitrages von zunächst 492,88 EUR, ab 01.07.2007 in Höhe von 495,84 EUR monatlich. Die Hilfebedürftige legte Widerspruch ein, der erfolglos blieb. Sie war der Ansicht, dass Renteneinkommen des Klägers zu 2) nicht anzurechnen sei, da die Eheleute getrennt lebten. Die Höhe des Kostenbeitrags war in der Folge Gegenstand des Klageverfahrens S 2 (6) SO 143/08 vor dem Sozialgericht Detmold und wurde von den Eheleuten nicht gezahlt. Durch Urteil vom 26.10.2010 wurde die Klage abgewiesen. Das Urteil ist rechtskräftig. Der Beklagte gewährte bis 31.10.2011 weiter Leistungen unter Berücksichtigung eines Kostenbeitrags der Eheleute, ab 01.11.2011 im Wege der erweiterten Hilfe, verbunden mit der Aufforderung an die Kläger zur Zahlung von Aufwendungsersatz an den Beklagten (Bescheide vom 20.10.2011).
Die Trägerin des Heimes, in dem die Hilfebedürftige untergebracht war, nahm die Hilfebedürftige auf Zahlung der offenen Heimkosten zivilrechtlich in Anspruch. Das Verfahren wurde vor dem Landgericht C unter dem Aktenzeichen 9 O 00/11 geführt. Durch Versäumnisurteil vom 03.02.2012 wurde die Hilfebedürftige verurteilt, an die Trägerin des Pflegeheimes einen Betrag von 23.647,97 EUR nebst Zinsen zu zahlen. Unter dem 27.03.2012 erging ein Kostenfestsetzungsbeschluss, mit dem die durch die (inzwischen verstorbene) Hilfebedürftige zu erstattenden Kosten auf 1.741,90 EUR nebst Zinsen festgesetzt wurden. Die die Hilfebedürftige in dem Verfahren vertretende Rechtsanwältin nahm die Erben der Hilfebedürftigen im April 2012 wegen einer daraus resultierenden offenen Gebührenforderung in Höhe von 1.306,10 EUR in Anspruch.
Für die Bestattung der Hilfebedürftigen fielen Kosten in Höhe von 4.392,10 EUR an (Leichenschau, Sarg, Einäscherung, Trauerfeier, Gebühren Friedhof u. Standesamt, Grabplatte). Die Q Versicherung schüttete die Versicherungssumme nebst Überschussbeteiligung in Höhe von insgesamt 3.064 EUR an das Bestattungsunternehmen aus.
Nach dem Tod der Hilfebedürftigen stellte der Beklagte Ermittlungen über den Nachlass an, holte u. a. eine Wertauskunft über die Eigentumswohnung der Eheleute beim Gutachterausschuss für Grundstückswerte im Kreis H ein, woraus sich ein Verkehrswert von 74.000 EUR ergab.
Mit zwei Schreiben vom 26.11.2012 hörte der Beklagte die Kläger zur beabsichtigten Forderung von Kostenersatz gemäß § 102 Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch (SGB XII) in Höhe von jeweils 34.756 EUR an. Die Kläg...