Entscheidungsstichwort (Thema)

Verwertungspflicht eines selbstgenutzten Hausgrundstücks bei der Bewilligung von Leistungen der Grundsicherung

 

Orientierungssatz

1. Die Gewährung von Leistungen der Grundsicherung nach § 7 SGB 2 hat u. a. die Hilfebedürftigkeit des Antragstellers i. S. von § 9 Abs. 1 SGB 2 zur Voraussetzung.

2. Hilfebedürftigkeit ist u. a. zu verneinen, wenn der Antragsteller über ein verwertbares Hausgrundstück verfügt. Dies ist bei einem selbstgenutzten Hausgrundstück der Fall, wenn dessen Verkehrswert den Vermögensfreibetrag des Antragstellers übersteigt.

3. Ist ein lebenslanges Wohnrecht nur schuldrechtlich vereinbart und nicht grundbuchrechtlich gesichert, so wird hierdurch der Verkehrswert des Grundstücks nicht gemindert.

4. Ein Hausgrundstück stellt kein Schonvermögen i. S. von § 12 Abs. 3 SGB 2 dar, wenn es eine unangemessene Wohnfläche hat.

5. Von der offensichtlichen Unwirtschaftlichkeit einer Verwertung i. S. von § 12 Abs. 3 S. 1 Nr. 6 SGB 2 ist auszugehen, wenn der auf dem Markt erzielbare Wert in einem deutlichen Missverhältnis zum wirklichen Wert steht.

 

Nachgehend

BSG (Beschluss vom 12.03.2021; Aktenzeichen B 4 AS 378/20 B)

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Düsseldorf vom 12.12.2017 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten des Klägers sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Übernahme der Kosten für die Beschaffung von Heizöl im November 2013.

Der am 00.00.1950 geborene Kläger bewohnt ein 219 qm großes Einfamilienhaus (Grundstücksgröße 1815 qm), welches er im Jahr 1996 von seiner damaligen Lebensgefährtin im Rahmen einer gerichtlichen Räumungsklage gegen ihn zu einem Kaufpreis von 450.000,00 DM erwarb.

Der Kläger schloss mit seinen Eltern am 08.08.1996 einen als "Darlehnsvertrag" überschriebene Vereinbarung, wonach diese ihm einen Betrag i.H.v. 175.000,00 DM zinsfrei und gegen Einräumung eines lebenslangen, unentgeltlichen Wohnrechts als Darlehen gewähren. Vereinbarungen zu Tilgungsmodalitäten sah der Vertrag nicht vor. Das Darlehen  war nicht vor dem 31.12.2020 kündbar. Am 26.12.1997 schlossen der Kläger und seine Eltern einen Mietvertrag über die 1. Etage des Hauses mit einer Größe von 104 qm. Das Mietverhältnis begann am 01.01.1998 und lief auf unbestimmte Zeit. Tatsächlich ausgeübt wurde das Wohn- und Mietrecht nicht.

Mit seinem Bruder, dem Zeugen E K, schloss der Kläger am 08.08.1996 ebenfalls einen als "Darlehnsvertrag" überschriebene Vereinbarung, wonach der Kläger sich seinem Bruder gegenüber verpflichtete, auf das gewährte Darlehen von 275.000,00 DM Zinsen in Höhe von 5% p.a. zu zahlen. Bezüglich einer Tilgung wurde vereinbart, dass diese nicht zu festen Terminen oder in festgelegten Raten erfolge, sondern sich nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des Klägers richten solle. Das Darlehen war nicht vor dem 31.12.2020 kündbar. Beide Darlehen sind über eine Grundschuld gesichert, das den Eltern eingeräumte Wohnrecht ist nicht im Grundbuch eingetragen. Rückzahlungen auf die Darlehen sind bis zum heutigen Tage nicht erfolgt.

Der Kläger bezog vom 31.01.1991 bis zum 31.12.2004 Arbeitslosenhilfe. Die Bundesagentur für Arbeit hob die Bewilligung von Arbeitslosenhilfe für den Zeitraum 31.01.1991 bis zum 01.04.1995 wegen fehlender Bedürftigkeit mit Bescheid vom 13.04.1995 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.12.1995 auf und forderte vom Kläger einen Betrag von 94.690,00 Euro zurück. Ein vom Kläger eingeleitetes Klageverfahren blieb ohne Erfolg (BSG, Urteil vom 17.12.2002 - B 7 AL 126/01 R).

Der Kläger erhielt ab Januar 2005 Grundsicherungsleistungen nach dem SGB II vom  Beklagten. Bei Antragstellung und den Folgeanträgen gab er ein Konto bei der T Bank. (K-Nr. 00 BLZ 00) an. Der Kläger gab den Wert seines Grundstücks mit 250.000,00 Euro an und legte ein Schreiben der Städtischen Bewertungsstelle T1 vom 29.06.2004 vor, wonach der Verkehrswert für das Grundstück nebst Immobilie ohne Berücksichtigung der auf dem Grundstück lastenden Nutzungsbeschränkungen mit überschläglich 300.000,00 Euro angegeben wurde.

Im Oktober 2012 erfuhr der Beklagte aufgrund eines Datenabgleichs von einem auf den Namen des Klägers eingerichteten Depotkonto bei der Bank T2, welches im Oktober 2010 eröffnet worden war. Im Rahmen des Verwaltungsverfahrens übersandte der Kläger Steuerbescheinigungen der Bank T2 vom 03.01.2011 mit Kapitalerträgen i.H.v. 55,00 Euro, vom 03.01.2012 mit Kapitalerträgen i.H.v. 921,51 Euro und vom 02.01.2013 mit Kapitalerträgen i.H.v. 1.044,82 Euro. Er teilte unter Vorlage einer "Vertraglichen Abmachung zur Errichtung eines Tagesgeldkontos bei der Bank T2" vom 26.09.2010 mit, dass es sich bei den Einlagen auf dem Konto um Guthaben seines Vaters handele, damit dieser nach dem Tod der Mutter des Klägers im August 2010 aus steuerlichen Gründen seinen Sparerfreibetrag in Anspruch nehmen könne. Ein Erbe zu seinen Gunsten aus dem Nachlass der Mutter sei...

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