Entscheidungsstichwort (Thema)
Erreichen der Altersgrenze als zwingende Voraussetzung der Vergütung einer geriatrischen frührehabilitativen Komplexbehandlung der Verdauungsorgane nach DRG G52Z
Orientierungssatz
1. Der Anspruch des Krankenhauses auf Vergütung der Krankenhauskosten für eine stationäre Behandlung des Versicherten entsteht nach §§ 109 Abs. 4 S. 3 SGB 5, 7 S. 1 Nr. 1 KHEntgG, 17b KHG unmittelbar mit der Inanspruchnahme der Leistung durch den Versicherten.
2. Eine Vergütung nach der Fallpauschale DRG G52Z setzt voraus, dass eine geriatrische frührehabilitative Komplexbehandlung bei Krankheiten und Störungen der Verdauungsorgane stationär stattgefunden hat.
3. Als untere Grenze i. S. einer Mindestgrenze für geriatrische Patienten gilt die Altersgrenze von 60 Jahren. Wird diese nicht erreicht, so ist eine Vergütung nach DRG G52Z ausgeschlossen.
4. Dem Alter des Patienten kommt für die Abgrenzung geriatrischer von sonstiger frührehabilitativer Komplexbehandlung entscheidende Bedeutung zu (BSG Urteil vom 22. 2. 2018, L 5 KR 537/17). Die Abgrenzungsregelung ist zwingend.
5. Deshalb ist das Merkmal "geriatrisch" unterhalb der Schwelle des 60. Lebensjahres keiner individuellen Beweiswürdigung durch Sachverständigengutachten zugänglich.
Tenor
Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 29.11.2017 geändert. Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin für die Behandlung der Frau H in der Zeit vom 19.09.2011 bis 05.10.2011 EUR 897,07 zuzüglich Zinsen in Höhe von 2 Prozentpunkten über dem Diskontzinssatz seit Rechtshängigkeit zurückzuzahlen. Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen. Die Revision wird nicht zugelassen. Der Streitwert wird auf EUR 897,07 festgesetzt.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Vergütung einer stationären Behandlung, konkret die Abrechnungsvoraussetzungen für eine geriatrische frührehabilitative Komplexbehandlung.
Die am 00.00.1952 geborene und bei der Klägerin gegen Krankheit versicherte H (im Folgenden: die Versicherte) wurde im Alter von 59 Jahren im unmittelbaren Anschluss an einen stationären Aufenthalt im T-Klinikum S (dort: Abteilung für Allgemeine Viszeral- und minimal invasive Chirurgie) zur weiteren geriatrischen Frührehabilitation in das von der Beklagten getragene T Krankenhaus S1 (hier: Abteilung für Akutgeriatrie und Frührehabilitation) verlegt und dort in der Zeit vom 19.09.2011 bis 05.10.2011 stationär behandelt. Die Entlassung erfolgte in eine Anschlussheilbehandlung in der Niederrheinklinik Bad O.
Im (vorläufigen) Entlassungsbericht (vom 13.12.2011) an den behandelnden Arzt der Versicherten wird eine Mobilitätseinschränkung mit verzögerter Rekonvaleszenz bei Z.n. einer schweren biliären Pankreatitis mit septischer Peritonitis bei Colon transversum-Perforation, retroperitonealer Abszessbildung und intraperitonealer Besiedlung von Candida und Colibakterien, ein Z.n. multiplen chirurgischen und gastroenterologischen Interventionen, sowie ein kardiovaskuläres Risikoprofil bei kompensierter Herzinsuffizienz und linksventrikulärer Hypertrophie, ein chronisches Schmerzsyndrom bei Polyarthrose und hochgradiger Osteoporose, eine mittelgradige Depression, Schilddrüsenunterfunktion, Anämie und ein Z.n. Leberzysten beschrieben. Die Zielsetzung der Frührehabilitation sei gerichtet gewesen auf "Mobilisation, ADL-Kompetenz, allgemeine Roborierung und Kraftaufbau, Einstellung der Kardiaka bei vorbekannter arterieller Hypertonie".
Die Beklagte stellte der Klägerin für die Behandlung am 07.10.2011 insgesamt EUR 5.112,20 in Rechnung unter Zugrundelegung der diagnosebezogene Fallgruppe, sog. DRG (Diagnosis Related Groups), G52Z ("Geriatrische frührehabilitative Komplexbehandlung bei Krankheiten und Störungen der Verdauungsorgane") und des OPS (Operationen- und Prozedurenschlüssel)-Kodes 8-550.1 ("Geriatrische frührehabilitative Komplexbehandlung, mindestens 14 Behandlungstage und 20 Therapieeinheiten").
Die Klägerin beglich die Rechnung; eine Überprüfung durch den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) wurde nicht eingeleitet.
Mit Schreiben vom 12.11.2015 bat die Klägerin unter anderem im Behandlungsfall der Versicherten um Stornierung der Abrechnung und korrigierte Entlassungs- und Rechnungsdaten. Zur Begründung verwies sie auf die Entscheidung des Bundessozialgerichts (BSG) vom 23.06.2015 (B 1 KR 21/14 R), wonach Voraussetzung für die Kodierung und Abrechnung einer geriatrischen frührehabilitativen Komplexbehandlung ein Mindestalter von 60 Jahren sei, darunter sei ein entsprechender Behandlungsbedarf nicht anzuerkennen.
Mit ihrer am 23.12.2015 vor dem Sozialgericht Köln (SG) erhobenen Klage hat die Klägerin ihr Rückzahlungsbegehren im Rahmen eines öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruchs unter Verweis auf die höchstrichterliche Rechtsprechung weiter verfolgt. Bei der unter 60 Jahre alten Versicherten komme nur eine Vergütung ohne die streitige Komplexbehandlung in Betracht. Das Rückwirkungsverbot greife nicht, das BSG habe...