Entscheidungsstichwort (Thema)
Voraussetzungen eines Anspruchs des Versicherten auf Erstattung der den Festbetrag und die gesetzliche Zuzahlung übersteigenden Kosten für die Selbstbeschaffung eines Arzneimittels
Orientierungssatz
1. Ist für ein Arzneimittel wirksam ein Festbetrag festgesetzt, so trägt die Krankenkasse nach § 31 Abs. 2 SGB 5 die Kosten bis zur Höhe dieses Betrags. Für andere Arzneimittel trägt die Krankenkasse die vollen Kosten abzüglich der vom Versicherten zu leistenden Zuzahlung.
2. Nach § 35 Abs. 1 S. 2 SGB 5 gilt die Festbetragsfestsetzung jeweils für eine Gruppe von Arzneimitteln.
3. Eine eigenanteilsfreie Versorgung mit einem nur oberhalb des Festbetrags erhältlichen Festbetragsarzneimittel erfordert, dass bei dem Versicherten eine zusätzliche behandlungsbedürftige Krankheit nach indikationsgerechter Nutzung aller anwendbaren, preislich den Festbetrag unterschreitenden Arzneimittel eintritt. Die zusätzliche Erkrankung muss außerdem mit überwiegender Wahrscheinlichkeit durch die Anwendung des nicht zum Festbetrag verfügbaren Arzneimittels bedingt sein (BSG Beschluss vom 25. 1. 2017, B 1 KR 8/16 BH).
Nachgehend
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 20. Oktober 2015 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten haben die Beteiligten einander auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Der Kläger begehrt die Erstattung der den Festbetrag und die gesetzliche Zuzahlung übersteigenden Kosten für die Selbstbeschaffung des Arzneimittels Crestor® nach den Vorschriften des Fünften Buches Sozialgesetzbuchs (SGB V).
Der am 00.00.1936 geborene und bei der Beklagten krankenversicherte Kläger leidet u.a. an einer koronaren Herzkrankheit und einer Hypercholesterinämie, aufgrund derer ihm seit 1976 lipidsenkende Arzneimittel verordnet werden. Bis 1997 nahm er solche der Wirkstoffgruppe der Fibrate ein; seither wird er mit Arzneimitteln der Wirkstoffgruppe der Cholesterinsyntheseenzymhemmer (HMG-CoA-Reduktasehemmer, CSE-Hemmer bzw. Statine) versorgt, zunächst mit den Wirkstoffen Atorvastatin, Cerivastatin und Simvastatin. Arzneimittel des Wirkstoffs Lovastatin sowie Fluvastatin hat der Kläger bisher nicht eingenommen. Seit Juni 2009 nimmt er auf ärztliche Verordnung das Arzneimittel Crestor® mit dem Wirkstoff Rosuvastatin ein.
Am 15. Oktober 2009 beschloss der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) eine Änderung der Anlage IX der Richtlinie über die Verordnung von Arzneimitteln in der vertragsärztlichen Versorgung (Arzneimittel-Richtlinie (AM-RL)) und ergänzte die Festbetragsgruppe "HMG-CoA-Reduktasehemmer, Gruppe 1" in Stufe 2 um den Wirkstoff Rosuvastatin (BAnz Nr. 184, S. 4.112 vom 4. Dezember 2009). Die Festbetragsgruppe erhielt hierdurch folgende Fassung:
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Stufe: 2 Wirkstoffgruppe: HMG-CoA-Reduktasehemmer Festbetragsgruppe Nr.: 1 Status: verschreibungspflichtig Wirkstoffe und Vergleichsgrößen: Wirkstoff - Vergleichsgröße Atorvastatin (Atorvastatin Calcium-3-Wasser) - 25,9 Fluvastatin (Fluvastatin natrium) - 58,2 Lovastatin - 25,2 Pravastatin (Pravastatin Natrium) - 25,3 Rosuvastatin (Rosuvastatin calcium) - 11,7 Simvastatin - 26,9 Gruppenbeschreibung: Orale, abgeteilte Darreichungsform Darreichungsform: Kapseln, Filmtabletten, Retardtabletten, Tabletten |
Auf die tragenden Gründe zum Beschluss des G-BA vom 15. Oktober 2009 - veröffentlicht auf der Homepage des G-BA unter www.g-ba.de - wird Bezug genommen.
Der Kläger beantragte mit Schreiben vom 16. Juni 2010 bei der Beklagten die Versorgung mit Rosuvastatin ohne Begrenzung auf Festbeträge. Er machte geltend, dass andere, von ihm ab 1997 verwendete Statine (Atorvastatin calcium (Sortis®), Cerivastatin natrium (Lipobay®), Paravastatin und Simvastatin) nur eine begrenzte Wirkung entfaltet und den Anteil an LDL-C-Cholesterin nicht relevant reduziert hätten. Erst die Verordnung des Arzneimittels Crestor® mit dem Wirkstoff Rosuvastatin 20 mg habe den Anteil von LDL-C-Cholesterin kontinuierlich gesenkt, weshalb nach einem Ausgangswert von 248 mg/dl (Mai 2009) zwischenzeitlich ein Wert von 124 mg/dl erreicht worden sei. Da bei koronaren Herzerkrankungen nach neuer Studienlage beim LDL-C-Cholesterin ein Wert von unter 100 mg/dl erstrebenswert sei, sei er auf das Arzneimittel Crestor® angewiesen. Ergänzend legte er eine Quittung der S-Apotheke, B, vom 24. März 2010 vor, die für das Arzneimittel Crestor® (100 St. Filmtabletten, 20 mg) eine Eigenbelastung des Klägers von 107,78 EUR auswies.
Mit Bescheid vom 23. Juni 2010 lehnte die Beklagte den Antrag ab. Da der Wirkstoff des begehrten Arzneimittels einer Festbetragsgruppe zuzuordnen sei, könne sie die Kosten nur bis zur Höhe des Festbetrages übernehmen. Wegen der weiteren Begründung wird auf den Inhalt des Bescheides Bezug genommen.
Dieser Entscheidung widersprach der Kläger am 2. Juli 2010. Rosuvastatin sei der Wirkstoff, mit dem er das "erklärte/erforderliche Therapieziel" err...