Entscheidungsstichwort (Thema)

Voraussetzungen der Anerkennung einer Schädigung der Lendenwirbelsäule als Berufskrankheit nach Nr. 2108 BKV

 

Orientierungssatz

1. Zur Anerkennung der Berufskrankheit nach Nr. 2108 BKV ist erforderlich, dass die Lendenwirbelsäulenerkrankung des Versicherten durch langjähriges schweres Heben und Tragen bzw. Tätigkeiten in extremer Rumpfbeugehaltung im Rahmen seiner versicherten Tätigkeit verursacht worden ist. Für den Ursachenzusammenhang gilt die Theorie der wesentlichen Bedingung.

2. Neben den arbeitstechnischen Voraussetzungen ist zur Anerkennung ein belastungskonformes Schadensbild erforderlich.

3. Grundsätzlich muss ein Schadensbild vorliegen, das nach den Konsensempfehlungen einen Zusammenhang zwischen den beruflichen gefährdenden Einwirkungen und der bandscheibenbedingten Erkrankung wahrscheinlich erscheinen lässt.

 

Nachgehend

BSG (Beschluss vom 10.06.2020; Aktenzeichen B 2 U 7/20 BH)

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Gelsenkirchen vom 16.12.2015 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Streitig ist die Anerkennung einer Berufskrankheit nach Nr. 2108 der Anlage zur Berufskrankheitenverordnung (BKV; im folgenden BK 2108).

Der 1957 geborene Kläger war nach seiner Übersiedlung in die Bundesrepublik Deutschland von August 1979 bis März 1989 als Bergmann und anschließend bis 2002 als Monteur bei verschiedenen Unternehmen tätig. Mit Schreiben vom 25.01.2012 stellte er bei der BG RCI einen Antrag auf Anerkennung einer BK 2108. Bei ihm sei eine Wirbelsäulenerkrankung festgestellt worden, hierfür sei seine Tätigkeit im Bergbau ursächlich. Die für die Bearbeitung des Antrags zuständige Beklagte trat daraufhin in arbeitstechnische und medizinische Ermittlungen ein. Sie zog medizinische Unterlagen und Stellungnahmen ihres eigenen Präventionsdienstes, der für den Zuständigkeitsbereich der Beklagten eine Belastungsdosis von 5,1 MNh errechnete, sowie des Präventionsdienstes der BG RCI bei. Letzterer errechnete für den Zuständigkeitsbereich der BG RCI eine Belastungsdosis von 12,3 MNh.

Außerdem holte die Beklagte ein Gutachten des Facharztes für Orthopädie und Sportmedizin Dr. G ein. Dieser diagnostizierte Bandscheibenprotrusionen L 4/5 und L5/S1 mit einer Chondrose vom Grad kleiner I ohne Begleitspondylosen, umschriebene Bandscheibenschäden an der Halswirbelsäule in Höhe der Segmente C 5/6, C 6/7 und umschriebene, nicht diskogen evozierte Veränderungen an der Lendenwirbelsäule im Sinne einer Spondylosis hyperostotica. Die Bandscheibenschäden an der Hals- und Lendenwirbelsäule seien vergleichbar ausgeprägt. Die Veränderungen seien für einen mittlerweile 58jährigen nicht altersuntypisch. Die medizinischen Voraussetzungen einer BK 2108 lägen nicht vor (Gutachten vom 07.08.2014).

Daraufhin lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 16.09.2014 die Feststellung einer BK 2108 und die Gewährung von Entschädigungsleistungen ab. Der Kläger erhob Widerspruch und machte unter Vorlage verschiedener medizinischer Unterlagen geltend, dass Dr. G nicht seinen gesamten oberen Knochenkörperbau betrachtet habe. Außerdem sei zu vermuten, dass Dr. G nicht vollständig über seine Arbeitstätigkeit von 1989 bis 2002 informiert gewesen sei. Mit Widerspruchsbescheid vom 21.01.2015, auf dessen Begründung Bezug genommen wird, wies die Beklagte den Rechtsbehelf des Klägers zurück.

Der Kläger hat am 19.02.2015 Klage beim Sozialgericht Gelsenkirchen erhoben und gemeint, dass sowohl die arbeitstechnischen als auch die medizinischen Voraussetzung der BK 2108 erfüllt seien.

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagte unter Aufhebung des angefochtenen Bescheides vom 16.09.2014 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 21.01.2015 zu verurteilen, bei ihm eine Berufserkrankung nach der Nr. 2108 der Berufskrankheitenverordnung anzuerkennen und zu entschädigen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat sich im Wesentlichen auf die Gründe der angefochtenen Bescheide bezogen.

Das Sozialgericht hat von Amts wegen ein orthopädisches Sachverständigengutachten von Dr. W aus R eingeholt. Dieser ist zu folgendem Ergebnis gelangt: Die Bandscheibenvorwölbungen in den beiden unteren Segmenten der Lendenwirbelsäule überstiegen die Altersnorm grenzwertig. Ähnlich ausgeprägte grenzwertig altersuntypische Veränderungen fänden sich auch an der unteren Halswirbelsäule. Für den beruflichen Zusammenhang spreche, dass damit die beiden unteren Segmente der Lendenwirbelsäule belastungskonform betroffen seien. Gegen den Zusammenhang sprächen die fehlende Beteiligung der höher gelegenen Segmente der Lendenwirbelsäule und die fehlende Akzentuierung am hauptsächlich belasteten Wirbelsäulenabschnitt. Wäge man die vorstehend genannten Gesichtspunkte gegeneinander ab, so lasse sich ein Überwiegen der Anzahl und Bedeutung der Pro-Argumente nicht erkennen. Die medizinischen Voraussetzungen der Berufskrankheit ließen sich damit ni...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge