Entscheidungsstichwort (Thema)
gesetzliche Unfallversicherung. Beitragsrecht. Beitragshaftung. Bürgenhaftung einer Bauträgergesellschaft gem § 150 Abs 3 SGB 7. formelle Rechtswidrigkeit: Geltendmachung der Bürgschaftsforderung durch Verwaltungsakt. materielle Rechtswidrigkeit: kein Unternehmen des Baugewerbes. Auslegung
Orientierungssatz
1. Eine Bauträgergesellschaft ohne baugewerbliche Arbeitnehmer haftet nicht wie ein selbstschuldnerischer Bürge für rückständige Unfallversicherungsbeiträge des von ihr beauftragten und inzwischen insolventen Bauunternehmens, da zum einen die Berufsgenossenschaft der Bauwirtschaft nicht befugt war, die Bürgschaftsforderung durch Verwaltungsakt geltend zu machen und zum anderen kein "Unternehmen des Baugewerbes" vorliegt.
2. Durch die Bürgenhaftung, also dem persönlichen Einstehenmüssen für eine fremde Schuld, wird der Hauptunternehmer nicht zum Beitragspflichtigen.
3. Da § 28e Abs 3a SGB 4 - soweit es um den Begriff der "Bauleistungen" geht - auf § 211 Abs 1 S 2 SGB 3 verweist, liegt es nahe, sich für die Auslegungsfrage, was unter einem "Unternehmen des Baugewerbes" zu verstehen ist, sich ebenfalls an § 211 Abs 1 S 1 SGB 3 (ab 1.1.2006: § 175 Abs 2 SGB 3) zu orientieren.
Nachgehend
Tenor
Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 19. Januar 2006 geändert und der Bescheid vom 23. Juni 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 04. November 2004, beide in der Fassung des Bescheides vom 03. Mai 2005, aufgehoben. Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darüber, ob die Klägerin für rückständige Beiträge der T Bau GmbH aus T (Gemeinschuldnerin) wie ein Bürge haften muss.
Die Klägerin erwirbt, entwickelt und erschließt als Bauträgerunternehmen bebaute und unbebaute Grundstücke, plant Blauvorhaben auf eigenen Grundstücken, koordiniert und überwacht die Bauausführung, berät ihre Kunden in Finanzierungsfragen und veräußert schlüsselfertige Wohn- und Geschäftshäuser. Als Mitglied der Verwaltungs-Berufsgenossenschaft (BG) erbringt sie selbst keine Bauleistungen, verfügt über keine Baumaschinen, beschäftigt keine baugewerblichen Arbeitnehmer und unterliegt nicht dem allgemeinverbindlichen Manteltarifvertrag für das Baugewerbe. Nach dem 01. August 2002 beauftragte sie die Gemeinschuldnerin im Rahmen von Werkverträgen, Rohbauarbeiten an sieben Einzelbauvorhaben auszuführen (C-weg 48, H 44, 45, 46-49, Q-Straße). Die Gesamtauftragssumme betrug 368.480,00 EUR. Mit Beschluss des Amtsgerichts Arnsberg vom 17. März 2003 wurde über das Vermögen der Gemeinschuldnerin das Insolvenzverfahren eröffnet.
Mit Bescheid vom 24. April 2003 setzte die Beklagte für die Zeit vom 01. Januar bis zum 31. Dezember 2002 folgende Beiträge gegenüber der Gemeinschuldnerin fest: A. Umlagebeitrag 23.686,57 EUR B. Ausgleichsverfahren zum Umlagebeitrag 2.368,66 EUR C. Beitrag für den Anteil am Lastenausgleich zwischen den BGen 239,69 EUR D. Beitrag für das Insolvenz-/Konkursausfallgeld 1.219,90 EUR E. Beitrag für den Betriebsarzt/Arbeitsmedizinischen Dienst 405,59 EUR Gesamt 27.920,41 EUR
Mit Wertstellung zum 15. Mai 2003 belastete die Beklagte das Beitragskonto der Gemeinschuldnerin mit folgenden Beträgen: Beitrag BG 2002 21.317,91 EUR Ausgleichslast 2002 239,69 EUR Beitrag Insolvenzgeld (INSG) 2002 1.219,90 EUR Beitrag Arbeitsmedizinischer Dienst (AMD) 2002 405,59 EUR Summe 23.183,09 EUR abzüglich Guthaben in Höhe von 10.489,91 EUR 12.693,18 EUR
Mit Abfindungsbescheid vom 02. Juli 2003 setzte die Beklagte für die Zeit vom 01. Januar bis zum 16. März 2003 gegenüber der Gemeinschuldnerin folgende Beiträge fest und belastete mit ihnen das Beitragskonto zum 15. August 2003: A. Umlagebeitrag 6.492,41 EUR B. Ausgleichsverfahren zum Umlagebeitrag C. Beitrag für den Anteil am Lastenausgleich zwischen den BGen 0,00 EUR D. Beitrag für das Insolvenz-/Konkursausfallgeld 335,08 EUR E. Beitrag für den Betriebsarzt/Arbeitsmedizinischen Dienst 111,53 EUR Summe 6.939,02 EUR
Es ergab sich eine Gesamtforderung von 12.693,18 EUR + 6.939,02 EUR = 19.632,20 EUR Mahnungen und Zwangsvollstreckungsmaßnahmen blieben erfolglos.
Nach Anhörung nahm die Beklagte die Klägerin "als Unternehmen des Baugewerbes" mit Bescheid vom 23. Juni 2004 für die Beitragsrückstände der Gemeinschuldnerin i.H.v. 18.572,37 EUR in Anspruch. Zur Begründung führte sie aus, seit dem 01. August 2002 müssten alle gewerblichen Auftraggeber von Bauleistungen, also auch Bauträgergesellschaften, für die rückständigen Zahlungsverpflichtungen der Nachunternehmer im Bereich der Sozialversicherung wie selbstschuldnerische Bürgen haften. Hiervon seien nur private Bauherren und solche gewerblichen Unternehmer befreit, die gelegentlich ohne Gewinnerzielungsabsicht Dritte beauftragten, Bauleistungen zu erbringen. Zu diesem privilegierten Personenkreis gehöre die Klägerin nicht, so dass sie für die B...