Entscheidungsstichwort (Thema)
Berufskrankheit. haftungsausfüllende Kausalität. bandscheibenbedingte Erkrankung der Lendenwirbelsäule. Anlageleiden
Orientierungssatz
Bestehen nicht nur im Bereich der beruflich belasteten LWS sondern auch im Bereich der HWS oder/und der BWS gleichartige bandscheibenbedingte Veränderungen, so deutet dies nach herrschender arbeitsmedizinischer Auffassung darauf hin, dass die Schadensanlage im Vordergrund steht und den Belastungen im Sinne der BK'en Nr 2108/2110 kein wesentlicher Ursachenbeitrag beizumessen ist.
Tatbestand
Streitig ist, ob beim Kläger eine Berufskrankheit (BK) nach Nr. 2110 der Anlage zur Berufskrankheiten-Verordnung (BKV) vorliegt und durch Gewährung von Verletztenrente zu entschädigen ist.
Der 1939 geborene Kläger war von 1954 bis 1962 als Arbeiter in der Baumwollverarbeitung, Metallindustrie, Kolonialwarengroßhandlung und in Speditionen tätig. Von 1962 an bis zu seinem Ausscheiden aus dem Berufsleben arbeitete er im wesentlichen als Maschinenführer im Tunnelbau und auf Baustellen, wo er u.a. Bagger, Fräslader und Radlader zu bedienen hatte. Zuletzt war er vom 02.07.1990 bis 11.06.1991 als Baggerführer bei der Firma H in H tätig. Seit dem 12.06.1991 war er arbeitsunfähig krank. Die LVA Westfalen gewährte ihm ab September 1992 Berufsunfähigkeitsrente, weil die Chirurgin Dr. S-M im Gutachten vom 28.10.1992 wegen verbildender Veränderungen im Bereich der Halswirbelsäule (HWS) und einem Wirbelgleiten im Bereich der Lendenwirbelsäule (LWS) bei anlagemäßig unterentwickelten Lendenwirbelkörpern (LWK) L 4 und 5 die Tätigkeit als Baggerführer nicht mehr für zumutbar angesehen hatte. Nachdem im März 1995 Bandscheibenvorfälle im Bereich L 3/4 und L 4/5 festgestellt worden waren, kam die Chirurgin Dr. S im Gutachten vom 01.06.1995 zu dem Ergebnis, der Kläger könne nur noch untervollschichtig tätig sein. Die LVA wandelte daraufhin die Berufsunfähigkeitsrente in Rente wegen Erwerbsunfähigkeit um.
Im Oktober 1991 beantragte der Kläger die Anerkennung und Entschädigung der bei ihm bestehenden Erkrankung der LWS, die er auf ständige Erschütterung während seiner Tätigkeit als Bagger- und Maschinenführer zurückführte. Nach den Feststellungen des Technischen Aufsichtsbeamten (TAB) der Beklagten, Dipl.-Ing. Dr. S vom 07.07.1994, war der Kläger bei der Bedienung von Baumaschinen insgesamt Schwingungsbelastungen von 2593 103 im Ganzkörperbereich ausgesetzt, die deutlich über dem Dosisrichtwert von 580 x 10 (3) lagen, der den Beginn einer Gesundheitsgefährdung kennzeichnet. Die arbeitstechnischen Voraussetzungen der BK 2110 wurden als erfüllt angesehen.
Die Beklagte holte u.a. einen Bericht des behandelnden Orthopäden Dr. A vom 21.04.1992 ein, der die Diagnose einer pseudoradikulären Symptomatik der distalen LWS mit maximaler Diskopathie im Bereich L 4/5 und L 5/S 1 mit Spondylolysis und Spondylolisthesis sowie im Bereich der HWS eine maximale Discopathie im Bereich C 4/5, C 5/C 6, C 6/7 mit sehr starker Spondylosis und Retro-Position vom C 4-Gelenk beschrieb. Der Neurologe und Psychiater Dr. J diagnostizierte unter dem 23.02.1992 eine erhebliche Höhenminderung der Bandscheiben L 4/5 und L 5/S 1 sowie eine schwere Osteochondrose C 5/C 7. Im Rahmen ihrer medizinischen Ermittlungen zog die Beklagte weiter die Vorerkrankungsverzeichnisse, die Unterlagen eines früheren Feststellungsverfahrens wegen eines am 28.03.1980 erlittenen Arbeitsunfalles, die medizinischen Unterlagen der LVA Westfalen, sowie die Schwerbehindertenakten des Versorgungsamtes M bei.
Auf Veranlassung der Beklagten erstattete sodann der Chirurg Dr. L in D am 17.07.1993 eine gutachtliche Stellungnahme. In Auswertung der beigezogenen medizinischen Unterlagen und der Röntgenbefunde kam er zusammenfassend zu dem Ergebnis, im Bereich der LWS bestehe anlagebedingt eine Spaltwirbelbildung L 5 als Ursache des ventralen Wirbelgleitens L 5/S 1. Die Aufnahmen aus dem Jahre 1980 zeigten bereits eine Verschmälerung des Zwischenwirbelraumes zwischen dem 5. LWK und dem Kreuzbein mit knöchernen Reaktionen und einer Versetzung des 5. LWK gegenüber dem Kreuzbein. Die übrigen Segmente kämen regelhaft zur Darstellung. 1992 habe die Röntgenuntersuchung eine deutliche Zunahme der osteochondrotischen Veränderungen im Segment L 5/S 1 ergeben und das ventrale Gleiten des 5. LWK habe zugenommen. Erheblich osteochondrotisch verändert sei auch das Segment L 4/5; beginnende osteochondrotische Veränderungen kämen im Segment L 3/L 4 zur Darstellung, wo hingegen die übrigen Segmente der LWS keine vorzeitigen bandscheibenbedingten Veränderungen zeigte. Im Bereich der HWS hätten 1980 deutliche osteochondrotische und spondylotische Veränderungen in den Segmenten C 5 bis C 7 mit segmentaler Steilstellung vorgelegen und 1992 hätten osteochondrotische und spondylotische Veränderungen in den Segmenten L 4/5 und C 7/TH 1 bestanden, wobei der 3. HWK im Vergleich zum 4. HWK nach vorn versetzt sei. Bei insgesamt bestehender Steilstellung der HWS fänden sich umformen...