Entscheidungsstichwort (Thema)

Verfassungsmäßigkeit der Eingliederungsvereinbarung und der damit verbundenen Sanktionsregelung

 

Orientierungssatz

Die Eingliederungsvereinbarung nach § 15 SGB 2 ist als öffentlich-rechtlich gestalteter Vertrag ein geeignetes Mittel, zumutbare Eigenbemühungen des Empfängers von Grundsicherungsleistungen festzulegen. Die Abhängigkeit des Anspruchs auf Gewährung staatlicher Leistungen von zumutbaren Eigenbemühungen zur Sicherung der Lebensgrundlage ist verfassungsrechtlich unbedenklich.

2.Es besteht insbesondere kein verfassungswidriger Kontrahierungszwang des Leistungsempfängers zum Abschluss einer Eingliederungsvereinbarung. Ebensowenig verletzt die mit einem Verstoß gegen die Eingliederungsvereinbarung verbundene Sanktionsregelung des § 31 SGB 2 das Sozialstaatsprinzip und die allgemeine Handlungsfreiheit des Art. 2 Abs. 1 GG.

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Duisburg vom 29.10.2008 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Der Kläger rügt mit seiner Klage die Verfassungsmäßigkeit des § 31 Abs. 1 i.V.m. § 15 des Sozialgesetzbuches (SGB) II.

Der 1963 geborene Kläger beantragte am 09.03.2007 erstmals Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II. Am 20.08.2007 schlossen die Beteiligten eine Eingliederungsvereinbarung, nach deren Ziffer 2 sich der Kläger verpflichtete, im Laufe der nächsten 6 Monate mindestens 4 Bewerbungen pro Monat zu erstellen. Die Bewerbungsschreiben waren jeweils in der 1. Woche des Folgemonats vorzulegen. In der ersten Oktoberwoche des Jahres 2007 legte der Kläger für den Monat September 2007 keine Bewerbungsschreiben vor.

Daraufhin erließ die Beklagte den Bescheid vom 12.11.2007. Der Kläger habe trotz Belehrung über die Rechtsfolgen die in der Eingliederungsvereinbarung vom 20.08.2007 festgelegten Pflichten nicht umfassend erfüllt. Aus diesem Grunde werde das ihm zustehende Arbeitslosengeld (Alg) II für die Zeit vom 01.12.2007 bis 29.02.2008 monatlich um 30 v.H. der maßgeblichen Regelleistung abgesenkt. Daraus ergebe sich eine Absenkung in Höhe von 104,00 EUR monatlich. Der ursprüngliche Bewilligungsbescheid werde insoweit für den genannten Zeitraum nach § 48 Abs. 1 SGB X aufgehoben. Der Bescheid erging nach vorheriger Anhörung des Klägers. Mit dem hiergegen gerichteten Widerspruch vom 29.11.2007 machte der Kläger geltend, bei der Absenkung seien die vom ihm im Beurteilungszeitraum erbrachten eigenverantwortlichen Leistungen zur Behebung der Hilfebedürftigkeit nicht berücksichtigt worden. Zudem stehe die Bezugnahme auf die Eingliederungsvereinbarung zur Begründung der Absenkung im Widerspruch zu Artikel 20 Abs. 3 des Grundgesetzes (GG). Er habe bereits seit längerem einen Auftrag des Forschungszentrums Karlsruhe angenommen und diesen auch im Beurteilungszeitraum bearbeitet. § 2 SGB II weise ausdrücklich darauf hin, dass der Hilfebedürftige vorrangig in eigener Verantwortung alle Möglichkeiten ausschöpfen müsse, um den Lebensunterhalt aus eigenen Mitteln zu bestreiten. Die Eingliederungsvereinbarung sei dort nur nachrangig genannt. Die eigenverantwortliche Annahme des Auftrags in Karlsruhe erfülle diese Voraussetzungen. Der Forschungsauftrag sei in die Eingliederungsvereinbarung nicht aufgenommen worden. Die Eingliederungsvereinbarung sei durch § 31 SGB II als Verwaltungsakt der vollziehenden Gewalt zum unmittelbaren Bestandteil eines Gesetzes erhoben worden. Dies widerspreche Artikel 20 Abs. 3 GG. Mit Widerspruchsbescheid vom 21.12.2007 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. § 31 Abs. 1 SGB II bestimme, dass das Alg II unter Wegfall des Zuschlags nach § 24 SGB II in einer ersten Stufe um 30 v.H. der für den erwerbsfähigen Hilfebedürftigen nach § 20 SGB II maßgebenden Regelleistung abgesenkt werde, wenn er sich trotz Belehrung über die Rechtsfolgen weigere, die in der Eingliederungsvereinbarung festgelegten Pflichten zu erfüllen. Das gelte nicht, wenn ihm dafür ein wichtiger Grund zur Verfügung stehe (§ 31 Abs. 1 Satz 2 SGB II). Der Kläger sei seiner in der Eingliederungsvereinbarung festgelegten Verpflichtung, monatlich 4 Bewerbungsschreiben vorzulegen, nicht nachgekommen. Die Annahme des Forschungsauftrags in Karlsruhe könne nicht als wichtiger Grund anerkannt werden. Dieser sei nach objektiven Maßstäben zu beurteilen. Durch die Annahme des Auftrags sei die Hilfebedürftigkeit nicht vermindert worden, im Übrigen sei dieser Auftrag erst am 28.09.2007 unterzeichnet worden, so dass sich die Frage stelle, aus welchem Grunde bis zu diesem Datum keine Bewerbungen erfolgt seien. Eine verfassungsrechtliche Überprüfung von Normen könne im Verwaltungsverfahren nicht erfolgen.

Hiergegen richtete sich die Klage vom 09.01.2008. Über sein Vorbringen im Widerspruchsverfahren hinaus trug der Kläger ergänzend vor, die vertraglichen Verpflichtungen gegenüber dem Forschungszentrum in Karlsruhe hätten schon bei Abschluss der Eingli...

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