Entscheidungsstichwort (Thema)

Regress wegen unzulässiger Arzneimittelversorgung

 

Orientierungssatz

1. Die erforderliche, aber nicht vorhandene Zulassung eines Arzneimittels schließt immer dessen Verordnungsfähigkeit aus. Dies gilt auch dann, wenn eine abschlägige Entscheidung der zuständigen Arzneimittelbehörde über die Verlängerung der Arzneimittelzulassung ergangen ist und die arzneimittelrechtliche Verkehrsfähigkeit des Mittels nur aus rein verfahrensrechtlichen Gründen des einstweiligen Rechtsschutzes hergeleitet werden kann.

2. Allein der Umstand, dass sich ein Medikament im Nachzulassungsverfahren befindet und seine Bewertung durch die Arzneimittelbehörde noch aussteht, steht der Leistungspflicht der Krankenkasse nicht entgegen.

3. Die Anwendungsgebiete von Thym-Uvocal sind u. a. die spezifische Immunstimulation und die Zusatztherapie bei Tumoren und Praekanzerosen. Das Medikament war als sog. Alt-Arzneimittel fiktiv zugelassen. Der Gemeinsame Bundesausschuss ist zum Ausschluss von Leistungen ermächtigt, wenn nach dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse der diagnostische oder therapeutische Nutzen, die medizinische Notwendigkeit oder die Wirtschaftlichkeit nicht nachgewiesen sind.

4. Für einen vollständigen Ausschluss aus der Leistungspflicht unter dem Aspekt der Unwirtschaftlichkeit ist nach § 34 Abs. 3 SGB 5 eine eigenständige Entscheidung erforderlich. Zur Wirtschaftlichkeit in diesem Sinn zählt auch der therapeutische Nutzen.

5. Das Arzneimittel Thym-Uvocal war nicht nach § 25 AMG zugelassen, sondern verfügte nur über eine fiktive Zulassung nach § 105 AMG. Erst dann entfällt in einem solchen Fall die Leistungspflicht der Krankenversicherung, wenn die arzneimittelrechtliche Prüfung mit einem für den Hersteller negativen Ergebnis abgeschlossen ist und die Arzneimittelbehörde eine Verlängerung der Zulassung abgelehnt hat und die weitere arzneimittelrechtliche Verkehrsfähigkeit des Arzneimittels nur noch aus rein verfahrensrechtlichen Gründen hergeleitet werden kann.

6. Der Arzneimittelregress wegen eines Verstoßes gegen Ziffer 17.2 f AMR setzt voraus, dass zuvor allgemeine nichtmedikamentöse Maßnahmen nicht genutzt wurden, durch die das Behandlungsziel hätte erreicht werden können. Die der Thymustherapie zugeschriebene Wirkung ist durch medikamentöse Maßnahmen nicht zu erreichen.

 

Tenor

Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 05.05.2004 wird zurückgewiesen. Der Beklagte trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Im Streit ist die Rechtmäßigkeit eines Regresses wegen unzulässiger Arzneimittelverordnung im Quartal 3/1999.

Der Kläger nimmt als niedergelassener praktischer Arzt in L an der vertragsärztlichen Versorgung teil. Er verordnete im Quartal 3/1999 einer Patienten drei Mal das Medikament Thym-Uvocal. Die arzneilich wirksamen Bestandteile dieses Fertigarzneimittels sind bovine Thymusdrüse; Anwendungsgebiete sind unter anderem spezifische Immunstimulation und Zusatztherapie bei Tumoren und Praekanzerosen. Das Medikament war als sogenanntes Alt-Arzneimittel fiktiv zugelassen.

Mit Schreiben vom 26.04.2000 beantragte die Beigeladene zu 1) die Festsetzung eines Regresses wegen der genannten Verordnungen, da diese gegen Ziffer 17.1 m der Arzneimittel-Richtlinien (in der damals geltenden Fassung ( AMR)) verstoße, wonach sogenannte Zellulartherapeutika und Organhydrolysate nicht verordnungsfähig seien. Der Kläger wandte in seiner Stellungnahme ein, er habe das zugelassene Medikament bei einer Tumorpatientin für einen von der Zulassung umfassten Indikationsbereich angewandt. Mit Bescheid vom 21.08.2000 setzte der Prüfungsausschuss einen Regress in Höhe der Netto-Verordnungskosten von 312,77 DM (159,97 Euro) fest, da die Verordnung gegen Ziffer 17.1 m AMR verstoße. Mit seinem Widerspruch machte der Kläger geltend, entgegen der Auffassung des Prüfungsausschusses unterfalle das Medikament nicht Ziffer 17.1 m AMR, da es sich nicht um ein Organhydrolysat handele. Hiervon unabhängig sei die genannte Bestimmung der AMR nicht bindend. Dem (früheren) Bundesausschuss der Ärzte und Krankenkassen fehle die Regelungskompetenz für den Ausschluss der Verordnungsfähigkeit von Arzneimitteln. Außerdem verstoße ein solcher Ausschluss gegen europarechtliche Bestimmungen. Auf Grund des Beschlusses vom 27.09.2001 wies der Beklagte den Widerspruch mit Bescheid vom 26.02.2002 zurück. Das in Frage stehende Präparat unterfalle "im weiteren Sinn" Ziffer 17.1 m AMR, da es aus Thymuspeptiden bestehe und sich um ein Organpräparat handele. Es sei somit nicht verordnungsfähig. Darüber hinaus sei es den Immunstimulanzen im Sinne der Ziffer 17.2 f AMR zuzuordnen, so dass es auch insoweit "weitgehend" als unzulässig angesehen werden könne. Der Bescheid ist am 26.02.2001 zunächst an die falsche Anschrift des Bevollmächtigten gesandt und dann am 06.03.2002 erneut übersandt worden.

Zur Begründung der Klage hat der Kläger zunächst Bedenken gegen ...

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