Entscheidungsstichwort (Thema)

Krankenversicherung. Zahlung von Beiträgen zur freiwilligen Krankenversicherung durch den Insolvenzschuldner. Anfechtbarkeit wegen vorsätzlicher Benachteiligung gegenüber dem den Vorsatz kennenden Forderungsgläubiger. Verfassungsmäßigkeit

 

Orientierungssatz

1. Zur Insolvenzanfechtung in Dreiecksverhältnissen wegen vorsätzlicher Benachteiligung gegenüber dem den Vorsatz kennenden Forderungsgläubiger, wenn die Insolvenzschuldnerin vereinbarungsgemäß Beiträge ihres Arbeitnehmers zur freiwilligen Kranken- und Pflegeversicherung vom Nettogehalt einbehält und direkt an die Krankenversicherung zahlt (vgl BGH vom 22.11.2012 - IX ZR 22/12; Abgrenzung zu SG Dresden vom 12.2.2014 - S 25 KR 485/12).

2. Eine gegen Art 3 Abs 1 GG verstoßende Ungleichbehandlung des freiwillig Versicherten gegenüber einem Pflichtversicherten liegt nicht vor. Das Risiko der Insolvenz des Arbeitgebers trägt der freiwillig Versicherte deshalb, weil das Gesetz ihn zur Begleichung der sozialversicherungsrechtlichen Beiträge gegenüber der Einzugsstelle verpflichtet. Diese Regelung wiederum ist eingedenk des insoweit bestehenden weiten gesetzgeberischen Gestaltungsspielraums auch deshalb nicht zu beanstanden, weil insoweit der Heterogenität der potentiellen Regelungsadressaten Rechnung zu tragen ist.

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Detmold vom 20.07.2017 wird zurückgewiesen.

Kosten des Verfahrens sind in Änderung des Urteils des Sozialgerichts Detmold vom 20.07.2017 insgesamt nicht zu erstatten.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten (noch) über die Erstattung von Beiträgen zur gesetzlichen Krankenversicherung.

Der Kläger war in der Zeit vom 15.09.2010 bis 31.07.2011 als Arbeitnehmer bei der Firma F GmbH (und zuvor seit 1988) freiwillig krankenversichertes Mitglied der Beklagten. Weitere Arbeitnehmer dieser Firma waren bei der Beklagten nicht freiwillig krankenversichert. Infolge einer Vereinbarung des Klägers mit seiner Arbeitgeberin wurden die Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung zusammen mit den Renten- und Arbeitslosenversicherungsbeiträgen vom Nettoarbeitsentgelt des Klägers abgezogen und aufgrund einer von der Arbeitgeberin der Beklagten erteilten Einzugsermächtigung eingezogen.

Zwischen Januar 2010 und Mai 2011 kam es insgesamt elfmal zu Rückbuchungen von Beiträgen, die die Beklagte vom Konto der F GmbH eingezogen hatte. Am 28.04.2011 buchte die Beklagte vom Konto der F GmbH einen Betrag in Höhe von 13.756,38 EUR ab. Als Verwendungszweck wurde dabei "Beiträge 03/2011 bis 04/2011" angegeben.

Mit Beschluss vom 07.10.2011 eröffnete das Amtsgericht I auf Antrag der F GmbH (Schreiben vom 17.06.2011) das Insolvenzverfahren über das Vermögen der F GmbH (im Folgenden: Insolvenzschuldnerin) und bestellte Rechtsanwalt T zum Insolvenzverwalter.

Die Beiträge für den Monat März und April 2011 hatte die Insolvenzschuldnerin an die Beklagte abgeführt; derjenige für den Monat April wurde von ihr zurückgebucht. Für die Monate Mai bis Juli 2011 zahlte der Kläger die Beiträge direkt an die Beklagte.

Mit Schreiben vom 15.12.2014 focht der Insolvenzverwalter die Zahlung der Insolvenzschuldnerin an die Beklagte vom 28.04.2011 in Höhe von 13.756,38 EUR an und forderte die Rückzahlung dieses Betrages gemäß § 130 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, Abs. 2, § 133 Abs. 1 Insolvenzordnung (InsO). Zur Begründung führte er aus, dass die Beklagte angesichts der zahlreichen Lastschriftrückgaben durch die Insolvenzschuldnerin vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens von der drohenden Zahlungsunfähigkeit Kenntnis gehabt haben müsse. Die Rückgabe von Lastschriften stelle ein erhebliches Beweisanzeichen für eine drohende Zahlungsunfähigkeit dar (Hinweis auf Bundesgerichtshof (BGH), Urteil vom 01.07.2010 - IX ZR 70/08, juris).

Die Beklagte erstattete dem Insolvenzverwalter am 19.12.2014 den Betrag in Höhe 13.756,38 EUR nebst Zinsen.

Am 13.01.2015 meldete die Beklagte nach erfolgter Anfechtung eine Forderung in Höhe von 12.460,72 EUR zur Insolvenztabelle an.

Mit Bescheid vom 29.12.2014 forderte die Beklagte vom Kläger die Zahlung der Beiträge zur freiwilligen Kranken- und Pflegeversicherung für den Zeitraum von März bis Juli 2011 in Höhe von 3.285,60 EUR.

Zur Begründung seines dagegen gerichteten Widerspruchs führte der Kläger aus, dass er die Beiträge für den Juni und Juli 2011 bereits beglichen habe. Ihm sei telefonisch auch schon gesagt worden, dass es um diese Monate nicht mehr gehe. Unter Hinweis auf ein Urteil des Sozialgerichts Dresden vom 12.02.2014 (S 25 KR 485/12, juris) vertrat er die Ansicht, dass die Beitragsschuld für den Zeitraum von März bis Mai 2011 als erfüllt gelte. Die Anfechtung durch den Insolvenzverwalter berühre die Erfüllungswirkung nicht mehr.

Die Beklagte zog die Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung für den März und April 2011 in Höhe von 1.295,66 EUR vom Kläger ein.

Mit weiterem Bescheid vom 27.01.2015 stellte die Beklagte fest, dass die Beitragsschuld für den März und Apri...

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