Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankenversicherung der Landwirte. Nebenerwerbslandwirt. Versicherungsfreiheit wegen Überschreitens der Jahresentgeltgrenze. Verfassungsmäßigkeit
Orientierungssatz
Die sich aus § 3a Nr 1 KVLG 1989 idF vom 29.7.1994 ergebende Versicherungsfreiheit in der Krankenversicherung der Landwirte, soweit aus anderer Beschäftigung ein regelmäßiges Arbeitsentgelt erzielt wird, das die Jahresentgeltgrenze überschreitet, verstößt nicht gegen Grundrechte oder verfassungsrechtliche Grundsätze.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darüber, ob der Kläger über den 31.12.1994 hinaus Pflichtmitglied in der Krankenversicherung der Landwirte (KVdL) ist.
Der am 1943 geborene Kläger ist Geschäftsführer einer Verwaltungs-GmbH. Da sein Arbeitsentgelt aus dieser Tätigkeit die Jahresarbeitsentgeltgrenze übersteigt, ist er krankenversicherungsfrei. Im Februar 1974 erwarb er Grundstücke mit teils landwirtschaftlicher (9,4 ha), teils forstwirtschaftlicher (1,1 ha) Nutzfläche, auf denen er aus Liebhaberei Reitpferde hält. Aufgrund dessen war er kraft Gesetzes in der KVdL versicherungspflichtig geworden (BSG, Urteil vom 04.10.1988 - 4/11a RK 2/87). Im Hinblick auf die Doppelversicherung kündigte er seine bis dahin bestehende Mitgliedschaft in einer privaten Krankenversicherung. Sein monatlicher Krankenversicherungsbeitrag bei der Beklagten betrug zuletzt (1994) 233,- DM.
Nach Anhörung des Klägers stellte die Beklagte durch Bescheid (ohne Rechtsbehelfsbelehrung) vom 16.09.1994 fest, daß die Versicherungspflicht des Klägers als landwirtschaftlicher Unternehmer mit dem 31.12.1994 endet. Zur Begründung verwies sie auf die neue Regelung in § 3 a des Zweiten Gesetzes über die Krankenversicherung der Landwirte (KVLG 1989). Aufgrund dieser Vorschrift werde er im Hinblick auf seine in der allgemeinen Krankenversicherung wegen des Überschreitens der Jahresarbeitsentgeltgrenze bestehenden Krankenversicherungsfreiheit ab 01.01.1995 auch in der KVdL versicherungsfrei. Sodann wies die Beklagte daraufhin, daß die Möglichkeit bestehe, die Versicherung durch eine freiwillige Mitgliedschaft fortzusetzen. Von dieser Möglichkeit hat der Kläger Gebrauch gemacht. Er entrichtet den Höchstbeitrag (1995: 654,- DM monatlich).
Gegen den Bescheid vom 16.09.1994 legte der Kläger am 03.01.1995 Widerspruch ein, den die Beklagte durch Widerspruchsbescheid vom 10.03.1995 zurückwies.
Dagegen hat der Kläger am 03.04.1995 Klage vor dem Sozialgericht Münster erhoben. Er hat vorgetragen, seinerzeit aufgrund des Besitzes der landwirtschaftlichen Flächen Zwangsmitglied bei der Beklagten geworden zu sein. Er hat die Auffassung vertreten, es stelle einen einseitigen rechtswidrigen Akt dar, wenn die Beklagte ihn nunmehr gegen seinen Willen von dieser Mitgliedschaft ausschließe. Als freiwilliges Mitglied habe er gegenüber einem Pflichtmitglied insofern eine schlechtere Position, als er nicht mehr denselben Schutz genieße wie bisher. So stehe ihm im Krankheitsfall kein Betriebshelfer bzw. keine Haushaltshilfe zur Verfügung. Er müsse höhere Beiträge leisten, erhalte aber im Gegensatz dazu schlechtere Leistungen. Zum anderen müsse er jederzeit damit rechnen, daß ihm die Beklagte die freiwillige Mitgliedschaft aufkündige. Bei einem Versicherungswechsel zu einer anderen Krankenversicherung müsse er sich heute weitaus teurer "einkaufen". Hätte ihn die Beklagte seinerzeit nicht zum Zwangsmitglied gemacht, so hätte er seine damalige Versicherung weiterhin aufrechterhalten können, ohne daß er rechtliche oder finanzielle Nachteile zu befürchten gehabt hätte.
Der Kläger hat nach seinem schriftsätzlichen Vorbringen beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 16.09.1994 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10.03.1995 zu verurteilen, ihn über den 31.12. als Pflichtmitglied zu versichern.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat auf die angefochtenen Bescheide Bezug genommen.
Das Sozialgericht hat die Klage durch Urteil vom 25.11.1996 abgewiesen. Es hat die Neuregelung in § 3 a KVLG 1989 nicht für verfassungswidrig gehalten. Die Vorschrift berühre nicht den Schutzbereich des Art. 14 Abs. 1 Satz 1 Grundgesetz (GG), da die krankenversicherungsrechtliche Aussicht des Klägers auf Fortführung der Versicherung als Pflichtversicherung für seine existentielle Sicherung nicht erforderlich sei. Auch im Hinblick auf den Grundsatz des Vertrauensschutzes sei der Gesetzgeber nicht gehindert, gesetzliche Regelungen mit "unechter Rückwirkung" zu erlassen.
Gegen das ihm am 27.01.1997 zugestellte Urteil hat der Kläger am 24.02.1997 Berufung eingelegt. Eine unechte Rückwirkung von Gesetzen sei zwar grundsätzlich zusätzlich, jedoch mit der Verfassung nur vereinbar, wenn das Vertrauen auf den Fortbestand der bestehenden Regelung nicht generell schutzwürdiger ist, als das öffentliche Interesse an der Änderung. Dabei sei eine Abwägung zwischen dem Ausmaß des Vertrauensschadens des Einzelnen und der Bedeutung des gesetzlichen Anliegens für das Wohl der Allge...