Orientierungssatz
Parallelentscheidung zum Urteil des LSG Essen vom 22.10.2014 - L 11 KA 21/11, das vollständig dokumentiert ist.
Tenor
Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Sozialgerichts Münster vom 07.02.2011 abgeändert. Der Beschluss des Beklagten vom 25.11.2009 (Bescheid vom 10.02.2010) wird aufgehoben. Der Beklagte wird verurteilt, über die Beschwerde gegen den Beschluss der Prüfungsstelle betreffend Quartal I/2006 - IV/2006 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats neu zu entscheiden.
Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Streitig ist, ob eine Wirtschaftlichkeitsprüfung für Röntgenaufnahmen der Hand - Ziffer Ä 928 des Bewertungsmaßstabes zahnärztlicher Leistungen (BEMA) - aufgrund der Genehmigung kieferorthopädischer Behandlungspläne durch die Krankenkasse ausgeschlossen ist.
Der Beigeladene zu 7) ist als Fachzahnarzt für Kieferorthopädie mit dem Praxissitz in P zur vertragszahnärztlichen Versorgung zugelassen. In den Quartalen I/2006 bis IV/2006 überschritten seine Abrechnungswerte bei der Ziffer Ä 928 BEMA die maßgeblichen Durchschnittswerte um 537,5 % bis 866,7 %. Er führte zwischen 4,7 und 5,8 Handaufnahmen pro 100 Behandlungsfällen durch, während der Durchschnittswert im Bereich der Beigeladenen zu 1) in diesem Zeitraum zwischen 0,6 und 0,8 Handaufnahmen pro 100 Behandlungsfällen lag.
Die Klägerin beantragte am 30.06.2008 "für die gesetzlichen Krankenkassen in Westfalen-Lippe" die Überprüfung der Wirtschaftlichkeit der Abrechnung des Beigeladenen zu 7) hinsichtlich der nach der Ziffer Ä 928 BEMA abgerechneten Leistungen. In seiner Stellungnahme wies der Beigeladene zu 7) u. a. darauf hin, dass die beanstandeten Leistungen von den Krankenkassen genehmigt worden seien und daher nicht geprüft werden dürften.
Mit Beschluss vom 06.08.2008 entschied die Prüfungsstelle, dass das Verfahren ohne Maßnahme beendet werde. Die beanstandeten Leistungen unterlägen wegen der Genehmigung des Behandlungsplans nicht mehr der Prüfung auf Notwendigkeit und Wirtschaftlichkeit.
Gegen diese Entscheidung legte die Klägerin Beschwerde ein und verwies zur Zulässigkeit der nachträglichen Wirtschaftlichkeitsprüfung auf das Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 08.09.1993 - 14a Rka 9/92 -. Danach könne es sich bei der im Rahmen der Aufstellung des Behandlungsplans vorgenommenen Schätzung angesichts der u.U. jahrelangen Dauer kieferorthopädischer Behandlungen nur um Annäherungswerte handeln. Der Umfang der kieferorthopädischen Behandlung unter Beachtung des Grundsatzes der Notwendigkeit und Wirtschaftlichkeit wurde nicht auf den im genehmigten Behandlungsplan genannten Betrag begrenzt. Zudem könne nach dem Urteil des Landessozialgerichts (LSG) Nordrhein-Westfalen vom 17.02.1993 - L 11 Ka 98/91 - die Beachtung des gesetzlichen Wirtschaftlichkeitsgebots bei Ausführung der Behandlung keinesfalls vertraglich ausgeschlossen werden. Es sei ihr im Übrigen nicht bekannt, wann die beanstandeten Leistungen erbracht worden seien. Sollte dies jeweils vor der Aufstellung des Behandlungsplans der Fall gewesen sein, stelle sich die Frage, ob diese überhaupt Bestandteil der Kostenzusage gewesen seien.
Der Beklagte wies die Beschwerde mit Beschluss vom 25.11.2009 (Bescheid vom 10.02.2010) zurück. Gemäß § 2 Abs. 3 der Vereinbarung zum Gutachterverfahren bei kieferorthopädischen Maßnahmen (Anlage 6 zum Bundesmantelvertrag - Zahnärzte (BMV-Z)) bzw. § 9 Abs. 4 des Ersatzkassenvertrags-Zahnärzte (EKV-Z) unterlägen genehmigte Behandlungen grundsätzlich nicht mehr der Wirtschaftlichkeitsprüfung. Die nach der Rechtsprechung erforderlichen zwingenden Bedingungen für die Wirtschaftlichkeitsprüfung genehmigter Leistungen seien im vorliegenden Verfahren nicht erfüllt. Es lägen keine Abweichungen vom ursprünglich genehmigten Rahmen vor.
Mit ihrer am 11.03.2010 erhobenen Klage hat die Klägerin ihr Begehren weiter verfolgt. Die beanstandeten Leistungen seien nicht der Wirtschaftlichkeitsprüfung entzogen. Diese sei dann möglich, wenn im Prüfantrag konkrete Unwirtschaftlichkeitsmerkmale benannt würden. Die erheblichen Mehraufwendungen für die Ziffer Ä 928 BEMA seien bei der Genehmigung nicht erkennbar gewesen. Die hohen Überschreitungswerte seien Indiz für eine Unwirtschaftlichkeit. Unabhängig davon sei weiter ungeklärt und streitig, ob die Handaufnahmen vor oder nach der Genehmigung durch die Krankenkasse erbracht worden seien.
Die Klägerin hat beantragt,
den Beschluss des Beklagten vom 25.11.2009 (Bescheid vom 10.02.2010) aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, über die Beschwerden gegen die Beschlüsse der Prüfungsstelle vom 16.07.2008 und 06.08.2008 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu entscheiden.
Der Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er ist bei seiner Auffassung geblieben, dass die Kostenzusage die Überprüfung der Leistungen im Rahmen einer Wirtschaftlichkeitsprüfung ausschließe. Eine Prüfung könne nur im Rahmen einer strengen Einzelfallprüf...