Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankenversicherung. Krankenhaus. Entstehung der Zahlungsverpflichtung bei Krankenhausbehandlung. Krankenhausvergütung. Zahlung ohne ausdrücklichen Vorbehalt. keine Kondiktionssperre. Erstattungsanspruch der Krankenkasse unterliegt der vierjährigen Verjährungsfrist. nachträgliche Berechnung der stationären Behandlungsleistung durch Krankenhaus. eventueller Verstoß gegen Treu und Glauben
Orientierungssatz
1. Die Zahlungsverpflichtung einer Krankenkasse entsteht nach ständiger Rechtsprechung unabhängig von einer Kostenzusage unmittelbar mit der Inanspruchnahme der Leistung durch den Versicherten, wenn die Versorgung in einem zugelassenen Krankenhaus durchgeführt wird und iS des § 39 Abs 1 S 2 SGB 5 erforderlich ist (vgl zB BSG vom 30.06.2009 - B 1 KR 24/08 R = BSGE 104, 115 = SozR 4-2500 § 109 Nr 17).
2. Allein der Umstand, dass eine Krankenkasse die Krankenhausvergütung ohne ausdrücklichen Vorbehalt erfüllt hat, bewirkt noch keine Kondiktionssperre iS von § 814 BGB, da in einer vorbehaltlosen Zahlung kein Verzicht auf eine anschließende Geltendmachung von Rückgriffsansprüchen liegt. Eine Zahlung unter Vorbehalt bewirkt vielmehr lediglich, dass im Erstattungsstreit die Beweislast für die - Erforderlichkeit der Krankenhausbehandlung bei dem Krankenhausträger verbleibt (vgl BSG vom 30.06.2009 - B 1 KR 24/08 R = aaO).
3. Der Erstattungsanspruch einer Krankenkasse unterliegt - wie der Vergütungsanspruch des Krankenhauses selbst - der vierjährigen Verjährungsfrist (vgl BSG vom 28.02.2007 - B 3 KR 12/06 R = BSGE 98, 142 = SozR 4-2500 § 276 Nr 1).
4. Die nachträgliche Berechnung einer stationäre Behandlungsleistung durch ein Krankenhaus kann gegen den Grundsatz von Treu und Glauben verstoßen, wenn dem Anspruch des Krankenhauses das Rechtsinstitut der Verwirkung entgegenstehen würde (vgl ua BSG vom 17.12.2008 - B 3 KR 12/08 R = BSGE 105, 150 = SozR 4-2500 § 109 Nr 20). Dies könne jedoch nicht auf Fälle übertragen werden, in denen es nur um die Prüfung der ordnungsgemäßen Abrechnung gehe (vgl BSG vom 28.2.2007 - B 3 KR 12/06 R = aaO).
Nachgehend
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 28.09.2011 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass Zinsen erst ab dem 30.12.2008 zu zahlen sind.
Die Beklagte hat die Kosten in beiden Rechtszügen zu tragen.
Die Revision wird zugelassen.
Der Streitwert wird auf 802,88 Euro festgesetzt.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über einen Anspruch auf Erstattung eines Verlegungsabschlags nach der Verordnung zum Fallpauschalensystem für Krankenhäuser für das Jahr 2004 (Fallpauschalenverordnung 2004 (KFPV 2004)) in Höhe von 802,88 Euro.
Die bei der Klägerin versicherte C (Versicherte) wurde in der Zeit vom 06.09.2004 bis 10.09.2004 in dem von der Beklagten getragenen St. N-Hospital I (zugelassenes Krankenhaus gem. § 108 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch (SGB V)) vollstationär behandelt. Der für das Krankenhaus geltende Basisfallwert belief sich im Jahr 2004 auf 2.940,95 Euro. Nach der Entlassungsanzeige des Krankenhauses ist die Versicherte aus dieser stationären Behandlung am 10.09.2004 um 12.26 Uhr entlassen worden.
Am 11.09.2004 ist die Versicherte um 10.01 Uhr in die St. C-Klinik I zur vollstationären Behandlung aufgenommen worden.
Die Beklagte machte für die vom 06.09.2004 bis zum 10.09.2004 durchgeführte stationäre Behandlung der Versicherten mit Rechnung vom 22.09.2004 gegenüber der Klägerin eine nach der DRG B68B (Multiple Sklerose und zerebrale Ataxie ohne äußerst schwere oder schwere CC) berechnete Krankenhausvergütung in Höhe von 2.076,31 Euro geltend, ohne von dem Rechnungsbetrag einen Verlegungsabschlag in Abzug zu bringen. Die Klägerin beglich diese Rechnung ohne Vorbehalt.
In der Folgezeit fanden zwischen der Mitarbeitern der Geschäftsstelle der Klägerin F und der Beklagten wiederholt Gespräche statt, die dem Ziel dienten, zwischen den Beteiligten umstrittene Krankenhausbehandlungsfälle einer außergerichtlichen Lösung zuzuführen. Der Inhalt und die Ergebnisse dieser u.a. am 08.11.2007 und am 02.09.2008 durchgeführten Verhandlungen sind zwischen den Beteiligten streitig.
Mit Schreiben vom 17.11.2008 setze die Klägerin die Beklagte durch ihr Projektteam "Rückwirkende Rechnungsprüfung C" darüber in Kenntnis, dass anlässlich einer Überprüfung von Behandlungsfällen aus dem Jahr 2004 in mehreren Abrechnungsfällen ein möglicher Verstoß gegen Abrechnungsbestimmungen aufgefallen sei. Eine Verletzung von Abrechnungsvorschriften sei auch in dem Behandlungsfall der Versicherten vom 06.09.2004 bis zum 10.09.2004 zu Tage getreten. Zugleich bat die Klägerin die Beklagte, auf die Einrede der Verjährung bis zum 31.03.2009 zu verzichten. Nachdem eine Verzichtserklärung von der Beklagten nicht abgegeben worden war, hat die Klägerin am 30.12.2008 vor dem Sozialgericht Düsseldorf Klage erhoben, das sich mit Beschluss vom 19.03.2009 für örtlich unzuständig erklärt und den Rechtsstreit...