Entscheidungsstichwort (Thema)

Anspruch des Versicherten auf Versorgung mit einer Therapie außerhalb des europäischen Auslands - Delfintherapie

 

Orientierungssatz

1. Eine im außereuropäischen Ausland durchzuführende Therapie ist dem Versicherten von der Krankenkasse nach § 18 SGB 5 nur dann zur Verfügung zu stellen, wenn sie u. a. das Qualitätsgebot des § 2 Abs. 1 S. 3 SGB 5 erfüllt.

2. Hierzu muss über die Zweckmäßigkeit der Therapie Konsens bestehen. Über Qualität und Wirksamkeit der Methode müssen zuverlässige, wissenschaftlich nachprüfbare Aussagen gemacht werden können.

3. Für die Delfintherapie fehlen ausreichende Studien zu deren Einfluss auf das Krankheitsbild Zustand nach Epilepsie mit toxischen Anfällen, nach apallischem Syndrom und Tetraspastik.

4. Hat ein solches Krankheitsbild zwar erhebliche Funktionsstörungen zur Folge, ist dieses aber nicht lebensbedrohlich, so besteht auch kein Leistungsanspruch des Versicherten nach § 2 Abs. 1a S. 1 SGB 5.

 

Nachgehend

BSG (Beschluss vom 03.11.2020; Aktenzeichen B 1 KR 63/20 B)

 

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 17.09.2014 geändert. Die Klage wird abgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind in beiden Rechtszügen nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um die Erstattung der Kosten in Höhe von 15.476,33 Euro für eine im Zeitraum vom 22.07.2013 bis zum 02.08.2013 im Curacao-Dolphin-Therapy-Center (CDTC) auf den niederländischen Antillen durchgeführte Delfintherapie.

Der am 00.00.2002 geborene Kläger ist über seine Mutter im Rahmen der Familienversicherung bei der Beklagten krankenversichert. Nach einem am 20.03.2004 erlittenen Verkehrsunfall (bei dem seine Halbschwester starb und seine Mutter ebenfalls schwer verletzt wurde) besteht bei ihm ein Zustand nach Schädel-Hirn-Trauma III. Grades sowie infolge eines anschließenden Behandlungsfehlers in der Uniklinik L ein hypoxischer Hirnschaden, ein Zustand nach Epilepsie mit tonischen Anfällen, ein Zustand nach apallischem Syndrom und eine Tetraspastik. Ein Grad der Behinderung von 100 mit allen Merkzeichen und Pflegestufe III/Pflegegrad V sind anerkannt. Der Kläger besucht die Q Förderschule in L. Er erhält durchgehend mehrmals wöchentlich u.a. Physiotherapie und hat auch in der Vergangenheit an zahlreichen weiteren Therapien (u.a. Behandlung in der Klinik Dr. K/Ukraine, ADELI-Therapien in der Slowakei, Tomatistherapie in Belgien, Hippotherapie, Castillo Morales Therapie, Stammzelltherapie in den USA und in Deutschland) teilgenommen.

Am 21.11.2012 beantragte der Kläger unter Vorlage einer kinderärztlichen Verordnung des Dr. N eine medizinische Rehabilitationsmaßnahme in Form einer Therapie im CDTC. In der Verordnung war u.a. ausgeführt: "Aufgrund des Krankheitsbildes benötigt W jetzt und in Zukunft intensiv-therapeutische Maßnahmen, die Aussicht auf Erfolg haben. Es gibt keine vergleichbare Therapie in Deutschland bzw. weltweit. Die Art der Behandlung ist auch mit anderen Mitteln nicht zu kopieren. Die Ergebnisse der Behandlungen zeigen zudem, dass es bei W erfolgreich ist."

Der Kläger hatte in der Vergangenheit bereits mehrfach (14x) Delfintherapien im CDTC durchgeführt, zuletzt im Oktober 2012. Wegen deren Kosten hatte in einem weiteren zwischen den Beteiligten geführten Verfahren (Sozialgericht Köln - S 29 (5) KR 312/08) der Facharzt für Kinder- und Jugendmedizin Dr. C (im Jahr 2005 für 5 Wochen medizinischer Leiter des CDTC) ein den Anspruch des Klägers stützendes Sachverständigengutachten erstellt.

Die Beklagte lehnte den Antrag des Klägers mit Bescheid vom 29.11.2012 unter Bezugnahme auf eine Stellungnahme des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK) ab, nach der die Behandlungsmöglichkeiten am Wohnort nicht ausgeschöpft seien und noch Physiotherapie, Ergotherapie und eine Teilnahme an dem Programm "Auf die Beine" der Uniklinik L in Betracht komme.

Mit E-Mail vom 30.11.2012 wandte sich der Kläger hiergegen. Therapien in der Uniklinik L werde er prinzipiell nicht wahrnehmen, zudem habe er das im Rahmen des Programms "Auf die Beine" eingesetzte Galileogerät bereits andernorts ausprobiert und durch die Vibrationen massive epileptische Anfälle erlitten.

Der MDK kam in einem weiteren Gutachten vom 04.02.2013 (Dr. X) zu dem Ergebnis, dass auch nach § 2 Abs. 1a SGB V eine Kostenübernahme zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung für eine Delfintherapie nicht gesehen werden könne. Daraufhin lehnte die Beklagte den Antrag mit Bescheid vom 15.02.2013 erneut ab. Der Kläger erhob hiergegen am 01.03.2013 Widerspruch, zu dessen Begründung er auf Forschungsergebnisse und Stellungnahmen zur Delfintherapie verwies.

Der Kläger hat am 06.06.2013 Untätigkeitsklage zum Sozialgerichts Köln erhoben. Daraufhin hat die Beklagte den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 19.06.2013 zurückgewiesen und zur Begründung ausgeführt, dass die Voraussetzungen für eine Kostenübernahme der Delfintherapie auf der Antilleninsel Curacao, die nicht ...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge