Entscheidungsstichwort (Thema)
Grundsicherung für Arbeitsuchende. Leistungsausschluss wegen Aufenthalt in einer Einrichtung zum Vollzug richterlich angeordneter Freiheitsentziehung. Maßregelvollzug in einer Entziehungsanstalt in Nordrhein-Westfalen. Vollzugslockerung. dauerhafte Beurlaubung in die eigene Wohnung. Beendigung der Unterbringung. Heranziehung von § 106 SGB 12
Orientierungssatz
Der Aufenthalt eines Leistungsberechtigten in einer eigenen Wohnung im Rahmen einer Dauerbeurlaubung aus dem Maßregelvollzug unterfällt nicht dem Leistungsausschluss des § 7 Abs 4 S 2 SGB 2. Diese Form der Beurlaubung beendet mit deren Beginn die Unterbringung im maßregelvollzugsrechtlichen Sinne und damit einen Aufenthalt in einer Einrichtung zum Vollzug richterlich angeordneter Freiheitsentziehung.
Die vom Gesetzgeber vorgenommene Präzisierung des Begriffs " Aufenthalt zum Vollzug richterlich angeordneter Freiheitsentziehung" im SGB 12 ist bei der Auslegung des Vorschrift des § 7 Abs 4 S 2 SGB 2 zu berücksichtigen.
Nachgehend
Tenor
Die Berufung wird zurückgewiesen. Der Beklagte trägt ¼ der außergerichtlichen Kosten des Klägers im Berufungsverfahren. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Streitig ist, ob der Kläger in den Monaten April 2018 und Juli 2018 vom Bezug von Grundsicherungsleistungen nach § 7 Abs. 4 S. 2 SGB II ausgeschlossen ist.
Seit dem 29.12.2015 befand sich der am 00.00.0000 geborene Kläger im Maßregelvollzug nach § 64 StGB in der in Trägerschaft des Beigeladenen zu 2) stehenden LVR-Klinik C. Zuvor war der Kläger in L gemeldet. Der Kläger nahm in der Klinik an einer multimodalen, an den Leitlinien für die Behandlung nach § 64 StGB des Landesbeauftragten für den Maßregelvollzug NRW (https://x..html) orientierte Therapie teil. Am 17.08.2017 erhielt der Kläger die höchste Lockerungsstufe des achtstufigen Lockerungskonzepts, die u.a. die Möglichkeit einer Langzeitbeurlaubung in eine eigene Wohnung vorsieht.
Mit Mietvertrag vom 02.03.2018 mietete der Kläger eine im Zuständigkeitsbereich des Beklagten gelegene, 56 m² große Wohnung mit zentraler Warmwasserbereitung zum 01.03.2018 an. Die Grundmiete betrug 300,00 EUR monatlich zuzüglich einer Nebenkostenvorauszahlung, einschließlich Heizung, von 130,00 EUR monatlich. Ab dem 05.03.2018 wurde der Kläger von der Klinik in die eigene Wohnung beurlaubt. Am 20.04.2018 schlossen der Kläger, die Abteilung Forensik III der LVR-Klinik C und die Forensische Überleitungs- und Nachsorgeambulanz der LVR-Klinik C eine individuelle Betreuungsvereinbarung betreffend Ausgangsregelung, Besuchsregelung/Wohnung, ärztliche Behandlung, Arzneieinnahme, Konsum von Alkohol und Drogen, Anschaffungen, Gesprächstermine, Arbeitssituation, finanzielle Situation und Informationspflicht während der Dauerbeurlaubung. Wegen der Einzelheiten wird auf die zur Gerichtsakte gereichte Kopie Bezug genommen.
Der Kläger war bis Ende 2018 bei zwei Arbeitgebern abhängig beschäftigt. Im April 2018 wurden dem Kläger Entgelte aus Erwerbstätigkeiten im März 2018 i.H.v. 1.026,47 EUR und i.H.v. 29,76 EUR auf seinem Girokonto gutgeschrieben.
In der Zeit vom 25.05.2018 bis zum 22.06.2018 war die Dauerbeurlaubung unterbrochen. Der Kläger wurde im Rahmen des Maßregelvollzugs nach § 64 StGB in die LVR-Klinik C stationär aufgenommen. Der Kläger bezog im Mai 2018 und Juni 2018 Taschengeld i.H.v. 112,32 EUR nach § 14 Abs. 4 MRVG NRW (Gutschriften am 31.05.2018 und am 30.06.2018).
Am 09.05.2017 beantragte der Kläger die Bewilligung von Grundsicherungsleistungen nach dem SGB II. Diesen Antrag lehnte der Beklagte mit Bescheid vom 05.09.2017 unter Berufung auf § 7 Abs. 4 S. 2 SGB II ab. Der Kläger sei seit dem 29.12.2015 in einer Einrichtung zum Vollzug richterlich angeordneter Freiheitsentziehung untergebracht.
Den hiergegen eingelegten Widerspruch wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 16.10.2017 als unbegründet zurück. Der Leistungsausschluss nach § 7 Abs. 4 S. 2 SGB II greife für die gesamte Dauer des Maßregelvollzuges ein. Dies gelte auch bei einer Langzeitbeurlaubung und Erlaubnis zur Anmietung einer eigenen Wohnung als letzte Stufe, da die Beurlaubung der letzte Schritt der angeordneten Therapie sei und damit noch Bestandteil der angeordneten Therapie. Der Umstand, dass der Kläger plane die Gesamtverantwortlichkeit für sich selber zukünftig zu übernehmen, führe zu keinem anderen Ergebnis.
Der Beklagte bewilligte dem Kläger mit Bescheid vom 26.07.2018 auf dessen Antrag vom 19.07.2018 vorläufig Grundsicherungsleistungen für August 2018. Auf den Folgeantrag des Klägers vom 14.08.2018 bewilligte der Beklagte dem Kläger mit Bescheid vom 04.09.2018 vorläufig Grundsicherungsleistungen für die Zeit vom 01.09.2018 bis 28.02.2019.
Seit dem 11.12.2019 ist der Maßregelvollzug beendet.
Am 10.11.2017 hat der Kläger Klage beim Sozialgericht Düsseldorf erhoben. Mit Beschluss vom 03.01.2018 hat das Sozialgericht den Rechtstreit an das Sozialgericht Duisburg verwiesen.
Der Kläger ha...