Entscheidungsstichwort (Thema)
Kindererziehungszeit in der gesetzlichen Rentenversicherung bei Wohnort in den Niederlanden ohne jegliche Beitragszeit in Deutschland, aber durchgehender Tätigkeit des nicht erziehenden Elternteils in Deutschland
Orientierungssatz
1. Ein erziehender Elternteil, der zu keinem Zeitpunkt in der Bundesrepublik Deutschland eine Beschäftigung ausgeübt hat und allein über (Pflicht-)Versicherungszeiten für eine Beschäftigung in den Niederlanden verfügt und dessen nicht erziehender Ehegatte als Grenzgänger durchgehend in Deutschland gearbeitet hat, hat bei einem Umzug aus der Bundesrepublik Deutschland in die Niederlande keinen Anspruch auf Vormerkung der in den Niederlanden zurückgelegten Erziehungszeit als Kindererziehungszeit in der deutschen gesetzlichen Rentenversicherung.
2. Eine erweiternde Auslegung des § 56 Abs 3 S 2 und 3 SGB 6 mit dem Ziel der Gleichstellung einer Auslandserziehung mit einer Inlandserziehung in den Fällen, in denen der nicht erziehende Ehegatte in der Bundesrepublik Deutschland sozialversicherungspflichtig beschäftigt ist, während der Erziehende und das Kind im Ausland leben, ist nicht möglich.
3. Die Nichtanerkennung der Zeiten der Auslandskindererziehung in solchen Konstellationen verstößt weder gegen Europa- noch gegen Verfassungsrecht.
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Münster vom 8.3.2019 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten haben die Beteiligten einander auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Streitig ist die Vormerkung von Kindererziehungszeiten im Rentenversicherungskonto der Klägerin bei der Beklagten.
Die am 00.00.1957 geborene Klägerin ist niederländische Staatsangehörige. Sie hatte vom 14.8.1978 bis 14.2.1984 ihren Wohnsitz und gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland. Davor und danach lebte und wohnte sie in den Niederlanden. In den Niederlanden ist zu ihren Gunsten vom 01.10.1976 bis zum 27.8.1982 eine Beitragszeit vermerkt. In dieser Zeit war die Klägerin nach eigenen Angaben bei der Stadtverwaltung X in den Niederlanden sozialversicherungspflichtig beschäftigt. Deutsche (Pflicht-)Versicherungszeiten, insbesondere Zeiten einer Beschäftigung in der Bundesrepublik Deutschland, hat die Klägerin zu keiner Zeit zurückgelegt; sie war in Deutschland nie versicherungspflichtig beschäftigt. Der am 00.00.1954 geborene und beigeladene Ehemann der Klägerin ist deutscher Staatsangehöriger. Er war nach seit dem Jahr 1969 bis zum Oktober 2015 im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland versicherungspflichtig beschäftigt.
Am 22.4.2015 beantragte die Klägerin gemeinsam mit dem Beigeladenen die Feststellung von Kindererziehungszeiten bzw. von Kinderberücksichtigungszeiten wegen der Kindererziehung für die zwei aus der Ehe hervorgegangenen gemeinsamen Töchter M (geb. am 00.07.1982) und N (geb. 00.11.1984) in ihrem Versicherungskonto. Die Erziehung ist nach der vorgelegten, gemeinsamen Erklärung gemeinsam mit dem anderen Elternteil erfolgt, überwiegend habe jedoch die Klägerin die Kinder erzogen. Der Beigeladene stellte für sich keinen Antrag auf Feststellung der Kindererziehungszeit. Die Kinder seien ab dem 1.2.1984 bis zum 31.7.1984 und ab dem 18.11.1984 bis zum 18.11.1994 im Ausland in den Niederlanden erzogen worden.
Auf Nachfrage übermittelte die niederländische Sociale Verzekeringsbank der Beklagten am 19.5.2015 die dort gespeicherten Zeiten vom 19.4.1974 bis zum 27.8.1982 sowie vom 14.2.1984 zum 18.4.2024. Hierbei wurde allein die Zeit vom 1.10.1976 bis zum 27.8.1982 als eine "verplichte Verzekering" angegeben. In einer zudem eingeholten Meldeauskunft des Einwohnermeldeamts Geilenkirchen war eine Abmeldung der Klägerin zum 26.1.1984 vermerkt.
Mit Bescheid vom 15.7.2015 merkte die Beklagte die Zeit vom 1.8.1982 bis zum 26.1.1984 als Kindererziehungszeit für das am 00.07.1982 geborene Kind M vor. Die Zeit vom 27.1.1984 bis zum 31.7.1984 für das Kind M könne nicht als Kindererziehungszeit vorgemerkt werden, weil das Kind in dieser Zeit in einem EU Mitgliedstaat, EWR-Staat oder der Schweiz erzogen worden sei und die Rechtsvorschriften dieses Staates Kindererziehungszeiten vorsehen würden. Für das am 00.11.1984 geborene Kind N könne die Zeit vom 1.12.1984 bis zum 30.11.1986 nicht als Kindererziehungszeit vorgemerkt werden, da auch dieses Kind in dieser Zeit in einem anderen EU Mitgliedstaat, EWR-Staat oder der Schweiz erzogen worden sei und die Rechtsvorschriften dieses Staates Kindererziehungszeiten vorsehen würden.
Hiergegen erhob die Klägerin am 2.9.2015 Widerspruch. Zum einen seien ihre Kinder mit der deutschen Nationalität aufgewachsen und erzogen worden und sie habe für die Erziehung der Kinder ihre berufliche Tätigkeit beendet. Des Weiteren sehe das niederländische Recht keinerlei Berücksichtigung von Zeiten der Kindererziehung für die Rentenleistungen (AOW) vor. Darüber hinaus habe ihr Ehegatte aufgrund seiner Erwerbstätigkeit in Deutschland seit dem August 1969 w...