Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialhilfe. Übernahme von Bestattungskosten. erforderliche Kosten. Berücksichtigung des Wunsches von Eheleuten, nebeneinander bestattet zu werden
Orientierungssatz
De Wunsch von Eheleuten, nebeneinander bestattet zu werden, ist unter Berücksichtigung von Art 6 Abs 1 GG zu respektieren.
Tenor
Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 21.11.2022 geändert.
Die Beklagte wird unter Änderung des Bescheides vom 16.07.2020 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 04.12.2020 verurteilt, der Klägerin weitere Bestattungskosten iHv 1.300,01 EUR zu zahlen.
Die Beklagte hat der Klägerin in beiden Instanzen die notwendigen außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Klägerin begehrt die Übernahme von weiteren Bestattungskosten für ihren verstorbenen Ehemann.
Die N01 geborene Klägerin war seit dem Jahr N02 mit ihren N03 geborenen Ehemann verheiratet. Der Ehemann verstarb am 00.00.0000 in G.. Die Eheleute bezogen bis zum Tod des Ehemannes Grundsicherung nach dem SGB XII von der Beklagten. Das Paar hat die N04 geborene Tochter O., die ebenfalls in G. lebt. Ein weiteres Kind ist bereits verstorben. Der Ehemann war jüdischen Glaubens, die Klägerin ist nicht jüdisch.
Es war der gemeinsame Wunsch der Eheleute, nebeneinander bestattet zu werden. Die Klägerin veranlasste daher die Bestattung des verstorbenen Ehemannes auf dem sog. "Mischehenfeld" des jüdischen Friedhofs G.. Da auf dem jüdischen Friedhof nur Juden bestattet werden, war dies die einzige Möglichkeit sicherzustellen, dass die Klägerin nach deren Tod neben ihrem Ehemann bestattet werden kann. Die Klägerin reservierte sich eine Grabstätte neben ihrem Ehemann. Die Kosten dieser Grabstätte bezahlte die Tochter.
Durch die Bestattung des Ehemanns entstanden Kosten iHv 6.114,50 EUR, die sich aus einer Bestattungskostenpauschale der jüdischen Gemeinde iHv 1.700 EUR und den Kosten für die Grabstätte "für ewige Zeiten" iHv 3.500 EUR sowie den Kosten für den Bestatter iHv 863,50 EUR und den Totenschein iHv 51 EUR zusammensetzen. Die Klägerin bezieht weiter Grundsicherung nach dem SGB XII. Über einzusetzendes Einkommen und Vermögen verfügt sie nicht. Zum Zeitpunkt des Todes befanden sich 2.703,02 EUR auf ihrem Konto, auf dem auch das Geld für den Ehemann einging. Der Ehemann hatte kein eigenes Konto und kein Vermögen. Die Tochter der Klägerin hat sich bereit erklärt, nach Abzug des Nachlasses die Hälfte der ungedeckten Kosten zu tragen.
Zwischen der Beklagten und der jüdischen Gemeinde besteht eine Vereinbarung, wonach Grundsicherungsempfänger jüdischen Glaubens zu einem Pauschalbetrag von 2.600 EUR auf dem jüdischen Friedhof bestattet werden können. Diese Vereinbarung gilt nicht für das Mischehenfeld.
Die Klägerin beantragte am 22.05.2020 die Übernahme der Bestattungskosten bei der Beklagten. Diese bewilligte mit Bescheid vom 16.07.2020 Bestattungskosten iHv 1.081,49 EUR. Die angemessenen Kosten für die Bestattung beliefen sich auf 3.514,50 EUR, bestehend aus der mit der jüdischen Gemeinde vereinbarten Pauschale iHv 2.600 EUR sowie den Kosten für den Bestatter iHv 863,50 EUR und den Totenschein iHv 51 EUR. Davon sei der hälftige Kontostand iHv 1.351,51 EUR abzuziehen, da es sich dabei um den Nachlass des Ehemannes handele. Von dem Restbetrag iHv 2.162,99 EUR entfalle die Hälfte iHv 1.081,49 EUR auf die Klägerin.
Die Klägerin legte gegen den Bescheid am 06.08.2020 Widerspruch ein. Die Bestattungskostenpauschale und die Kosten für die Grabstätte iHv insgesamt 5.200 EUR seien angemessen, weil die Bestattung des Ehemannes auf dem Mischehenfeld die einzige Möglichkeit gewesen sei, neben ihrem Ehemann bestattet zu werden, mit dem sie fast 50 Jahre verheiratet gewesen sei.
Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 04.12.2020 zurück. Der Wunsch der Klägerin, neben ihrem Ehemann bestattet zu werden, sei zwar verständlich, führe aber nicht dazu, dass der Sozialhilfeträger die dadurch entstehenden Mehrkosten übernehmen müsse.
Die Klägerin hat am 04.01.2021 Klage erhoben. Die entstandenen Beerdigungskosten seien angemessen, da nur auf diesem Wege die Möglichkeit bestanden habe, nach ihrem Tod neben ihrem Ehemann beerdigt zu werden.
Die Klägerin hat beantragt,
die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 16.07.2020 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 04.12.2020 zu verpflichten, höhere Bestattungskosten zu übernehmen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte hat ihre Bescheide für rechtmäßig gehalten. Die Kosten für eine Wahlgrabstätte seien auch dann nicht zu übernehmen, wenn sie dazu diene, dass Eheleute nebeneinander bestattet werden (Bezugnahme auf SG Heilbronn Urteil vom 09.07.2013 - S 11 SO 1712/12 und SG Duisburg Urteil vom 27.03.2014 - S 52 SO 64/13).
Das Sozialgericht hat die Klage mit Urteil vom 21.11.2022, der Klägerin zugestellt am 28.12.2022, abgewiesen. Bei der Grabstätte auf dem Mischehenfeld handele es sich um eine Wahlgrabst...