Entscheidungsstichwort (Thema)

Krankenversicherung. Nichtaufnahme einer arbeitsvertraglich vereinbarten Arbeit steht Versicherungspflicht und Mitgliedschaft nicht entgegen. Eintritt in das Beschäftigungsverhältnis hängt nicht von Anspruch auf Fortzahlung des Arbeitsentgelts ab. Vorliegen von Arbeitsunfähigkeit bei versicherungspflichtiger Beschäftigung. Berechnung des Krankengeldes. Lohnausfallprinzip

 

Orientierungssatz

1. Die Tatsache, dass eine Person die arbeitsvertraglich vereinbarte Arbeit nicht aufgenommen hat, steht dem Eintritt der Versicherungspflicht als gegen Entgelt beschäftigter Angestellter gemäß §§ 5 Abs 1 Nr 1, 186 Abs 1 SGB 5 nicht entgegen.

2. Dem Gesetz kann keine Einschränkung dahin entnommen werden, dass dann, wenn die Beschäftigung wegen einer Erkrankung nicht zu dem im Arbeitsvertrag vorgesehenen Zeitpunkt aufgenommen werden kann, ein Eintritt in das Beschäftigungsverhältnis nur gegeben sei, sofern der Arbeitnehmer Anspruch auf Fortzahlung des Arbeitsentgelts habe.

3. Ein Versicherter, dessen Krankengeldanspruch auf einer versicherungspflichtigen Beschäftigung beruht ist arbeitsunfähig, wenn er durch Krankheit gehindert ist, seine arbeitsvertraglich geschuldete, zuletzt ausgeübte Arbeit zu verrichten (vgl zB BSG vom 8.11.2005 - B 1 KR 18/04 R = SozR 4-2500 § 44 Nr 7 und BAG vom 9.1.1985 - 5 AZR 415/82 = BAGE 48, 1).

4. Bei der Berechnung des Krankengeldes sind die auf dem Lohnausfallprinzip basierenden Regelungen des Entgeltfortzahlungsgesetzes (juris: EntgFG) heranzuziehen, wenn es bis zum Eintritt der Arbeitsunfähigkeit kein verdientes oder kein erzieltes bzw zugeflossenes Arbeitsentgelt gibt.

 

Tenor

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Sozialgerichts Aachen vom 29.06.2010 aufgehoben. Die Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheides vom 19.01.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19.08.2009 verurteilt, dem Kläger für die Zeit vom 02.12.2008 bis 19.01.2009 Krankengeld nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu gewähren. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

Die Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten des Klägers in beiden Rechtszügen.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Streitig ist, ob der Kläger Anspruch auf Krankengeld für die Zeit vom 01.12.2008 bis 19.01.2009 hat.

Der am 00.00.1966 geborene Kläger ist ausgebildeter Krankenpfleger. Vom 01.04.2008 bis zum 31.08.2008 war er in diesem Beruf im Alten- und Pflegeheim "e. i. I.", Inhaber I1 ... T., T1., und vom 01.09.2008 bis zum 18.09.2008 bei einem Pflegedienst in E. beschäftigt. Die Beschäftigung in E. wurde vom Arbeitgeber während der Probezeit gekündigt. Der Kläger bezog anschließend Arbeitslosengeld (Alg). Daneben übte er in den Monaten September bis November 2008 eine geringfügige Nebenbeschäftigung für die "e. i. I." aus.

Etwa Mitte November 2008 schlossen der Kläger und das Alten- und Pflegeheim "e.i. I." einen Arbeitsvertrag mit Datum vom 01.12.2008, wonach der Kläger ab 01.12.2008 - befristet für ein Jahr - als Altenpfleger arbeiten sollte. Nach diesem Vertrag sollte der Kläger eine monatliche Vergütung in Höhe von 2197,- Euro brutto erhalten und der Arbeitgeber im Falle einer Erkrankung Leistungen in Höhe und Dauer nach Maßgabe des Entgelt-Fortzahlungsgesetzes (EFZG) gewähren. Der Kläger meldete sich entsprechend bei der Bundesagentur für Arbeit (BA) ab, welche daraufhin durch Aufhebungsbescheid vom 24.11.2008 die Leistungsbewilligung wegen der Aufnahme einer Beschäftigung ab dem 01.12.2008 aufhob.

Am 01.12.2008 erschien der Kläger nicht am Arbeitsplatz und nahm die Arbeit nicht auf, weil er erkrankt war. Der Hausarzt Dr. I.2 bescheinigte am 01.12.2008 und 11.12.2008 Arbeitsunfähigkeit (AU) für die Zeit vom 01.12.2008 bis 19.01.2009 wegen wiederkehrender depressiver Störungen (F 33.9), akuter Belastungsreaktion (F 43.0), Panikstörung (F 41.0) sowie Ruhelosigkeit und Erregung (R 45.1). Der Neurologe/Psychiater T2. attestierte am 02.12.2008, der Kläger sei aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr in der Lage, seinen bisherigen Beruf als Altenpfleger weiter auszuüben. Am 04.12.2008 kündigte der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis zum 18.12.2008. Ab dem 20.01.2009 war der Kläger wieder arbeitslos gemeldet und erhielt Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III) von der BA. Vom 01.02.2009 bis zum 30.06.2009 war er wieder bei "e. i. I. " als Altenpfleger beschäftigt.

Mit Bescheid vom 19.01.2009 (Widerspruchsbescheid vom 19.08.2009) lehnte die Beklagte die Zahlung von Krankengeld ab 01.12.2008 ab: Am 30.11.2008 habe der Alg-Bezug und die aufgrund dessen bestehende Mitgliedschaft bei der Krankenkasse geendet. Da der Kläger die Beschäftigung im Pflegeheim nicht aufgenommen habe, weil er arbeitsunfähig gewesen sei, sei ein sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis nicht zustande gekommen. Deshalb bestehe kein Anspruch auf Krankengeld. Im Übrigen habe der Arbeitgeber ihn auch nicht zur Sozialversicherung gemeldet. Soweit ab 01.12.2008 Versicherungspflicht gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 13 ...

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