Entscheidungsstichwort (Thema)

Grundsicherung für Arbeitsuchende. Leistungsausschluss für Ausländer ohne Aufenthaltsrecht oder bei Aufenthalt zur Arbeitsuche. Aufenthalt aus familiären Gründen. Familiennachzug zu Deutschen. Anwendbarkeit auf den sorgeberechtigten Elternteil eines minderjährigen ledigen Unionsbürgers

 

Orientierungssatz

Aufgrund des in Art 18 AEUV statuierten Gleichbehandlungsgrundsatzes findet § 28 Abs 1 S 1 Nr 3 AufenthG 2004 auch auf minderjährige Unionsbürger und ihre Eltern Anwendung.

 

Tenor

Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 29.01.2020 wird zurückgewiesen.

Der Beklagte trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Klägerin auch im Berufungsverfahren.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten im Berufungsverfahren (noch) um die Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch - Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II) für die Klägerin im Zeitraum vom 01.05.2019 bis 31.10.2019.

Die am 00.00.1994 geborene Klägerin ist bulgarische Staatsangehörige. Im streitigen Zeitraum lebte sie in nichtehelicher Lebensgemeinschaft mit Herrn O (im Folgenden Lebensgefährte), geboren am 00.00.1989, und den gemeinsamen Kindern V geboren am 00.00.2013, A geboren am 00.00.2014 und M geboren am 00.00.2015 unter der Anschrift B-Straße 8 in L. Am 00.00.2021 brachte Klägerin ein weiteres Kind, N, zur Welt. Auch der Lebensgefährte und die gemeinsamen Kinder sind bulgarische Staatsangehörige. Eine Eheschließung erfolgte nur nach den Gebräuchen der Roma und ist nicht staatlich anerkannt.

Der Lebensgefährte reiste ausweislich der erweiterten Meldebescheinigung der Stadt L vom 30.08.2018 am 26.02.2004 in die Bundesrepublik Deutschland ein und war bis zum 01.12.2015 durchgängig in Deutschland gemeldet, dann wieder ab dem 01.02.2016. Er wurde zum 01.12.2015 von Amts wegen abgemeldet. Unter dem 15.12.2015 unterzeichneten er und die Klägerin beim Standesamt in L eine Urkunde über die Anerkennung der Vaterschaft für die Tochter M.

Der Lebensgefährte bezog Leistungen nach dem SGB II zunächst als Mitglied der Bedarfsgemeinschaft seiner Eltern und ab November 2014 selbst im Rahmen seiner eigenen Bedarfsgemeinschaft.

Die Klägerin reiste ausweislich der erweiterten Meldebescheinigung vom 21.06.2022 am 20.01.2012 in die Bundesrepublik Deutschland ein und war hier durchgehend bis zum 09.02.2013 in L gemeldet. Es erfolgte sodann eine neue Anmeldung in L unter einer anderen Anschrift am 17.03.2013 mit Auszug am 18.03.2013 und eine weitere Meldung in L unter neuer Anschrift am 19.06.2013 bis 20.06.2013. Ab dem 15.09.2015 ist die Klägerin gemeinsam mit ihren Kindern unter der im Rubrum angegebenen Anschrift gemeldet. Der Lebensgefährte der Klägerin ist dort seit dem 01.02.2016 gemeldet.

Die Klägerin war im streitigen Zeitraum nicht erwerbstätig und verfügte nicht über eigene Einnahmen oder Vermögen. Für die Kinder bezog die Klägerin Kindergeld in gesetzlicher Höhe. Der Lebensgefährte verfügte (jedenfalls) im streitigen Zeitraum ebenfalls nicht über Vermögen und Einkommen und war auch nicht erwerbstätig.

Nach eigenen Angaben lebte die Klägerin mit ihren beiden älteren Kindern und dem Lebensgefährten zunächst noch in der Flüchtlingsunterkunft J-Straße 1 in L. Am 15.09.2015 unterschrieb die Klägerin einen Mietvertrag für die Wohnung im Haus B-Straße 8, Wohnung 01 in L (82,7 qm; 400 EUR Grundmiete, 180 EUR Betriebskosten, 120 EUR Heizkosten, 20 EUR Warmwasser monatlich) und zog dort mit den Kindern ein. Die Anmeldung erfolgte zum 15.09.2015. Der Lebensgefährte zog nach eigenen Angaben nicht mit in die Wohnung, sondern blieb zunächst noch in der Flüchtlingsunterkunft. Der Umzug zu der Klägerin und den Kindern erfolgte nach eigenen Angaben am 25.11.2015. Hierzu legte der Lebensgefährte eine Wohnungsgeberbescheinigung vom 25.11.2015 vor. Die Aufwendungen für die Wohnung erhöhten sich nach mehreren vorangegangenen Mieterhöhungen ab dem 01.08.2018 auf 850 EUR monatlich (Grundmiete 460 EUR, Betriebskosten 200 EUR und Heizkosten 190 EUR).

Auf den Leistungsantrag des Lebensgefährten vom 18.11.2015 bewilligte der Beklagte zunächst diesem, den Kindern und der Klägerin ab dem 01.11.2015 bis zum 30.04.2016 Leistungen nach dem SGB II (Bescheid vom 07.12.2015; Änderungsbescheid vom 18.03.2016) und auch eine Beihilfe für die Erstausstattung (Bescheid vom 04.12.2015).

Im Rahmen der Antragstellung zur Weiterbewilligung der Leistungen nach dem SGB II vom 19.04.2016 für die Zeit ab dem 01.05.2016 teilte der Lebensgefährte dem Beklagten mit, die Klägerin sei am 16.04.2016 ausgezogen. Aus einem Aktenvermerk vom 14.11.2016 über eine persönliche Vorsprache des Lebensgefährten bei dem Beklagten geht hervor, dass die Klägerin (weiterhin) seit "Frühjahr 2016" nicht mehr in L wohne. Bei einer persönlichen Vorsprache des Lebensgefährten bei dem Beklagten am 24.01.2017 bekräftigte dieser, dass die Klägerin sich seit dem 16.04.2016 in Bulgarien aufhalte. In einem Akt...

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