Entscheidungsstichwort (Thema)

Nachweis eines Impfschadens

 

Orientierungssatz

1. Wer durch eine Impfung, die u. a. von einer zuständigen Behörde empfohlen und in ihrem Bereich vorgenommen worden ist, einen Impfschaden erlitten hat, erhält wegen der gesundheitlichen und wirtschaftlichen Folgen dieses Schadens Versorgung in entsprechender Anwendung der Vorschriften des BVG.

2. Als anspruchsbegründende Tatsachen müssen die Impfung, die unübliche Impfreaktion und das durch die Impfung hervorgerufene Dauerleiden nachgewiesen sein.

3. Als unübliche Impfreaktion auf eine sog. Dreifachimpfung gegen Diphterie, Tetanus und Pertussis gelten u. a. heftige und abrupte Zuckungen der Schultern, Arme und Hände im Verlauf weniger Sekunden in einem Zeitraum von sechs bis acht Stunden.

4. Die in den Anhaltspunkten 2005 beschriebenen Impfschäden -Ziff. 57.11.a- geben den in der herrschenden medizinischen Lehrmeinung aktuellen Kenntnis- und Wissensstand über Auswirkungen und Ursachen von Gesundheitsstörungen nach Impfungen wieder.

5. Die entsprechenden Ausführungen in den AHP sind aber nicht abschließend und erschöpfend. Daher ist es unzulässig, den erforderlichen Kausalzusammenhang allein wegen des Fehlens der in den Anhaltspunkten konkret beschriebenen Impfschäden zu verneinen. Damit kann der Nachweis der erforderlichen Kausalität durch Sachverständigengutachten geführt werden.

 

Tenor

Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Detmold vom 08.06.2006 wird zurückgewiesen.

Der Beklagte trägt die erstattungsfähigen außergerichtlichen Kosten der Klägerin auch für das Berufungsverfahren.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Klägerin begehrt im Wege des Überprüfungsverfahrens gemäß § 44 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) Versorgung nach dem Bundesseuchengesetz (BSeuchG) bzw. dem Infektionsschutzgesetz (IfSG) in Verbindung mit dem Bundesversorgungsgesetz (BVG).

Die am 00.00.1983 geborene Klägerin erhielt folgende Impfungen:

16.01.1984 Polio oral

17.01.1984 Diphtherie, Keuchhusten und Tetanus (Kombinationsimpfstoff DPT, enthaltend nicht vermehrungsfähige Impfstoffe = angeschuldigte Impfung).

Danach erfolgten im Jahre 1984 noch folgende Impfungen:

21.02.1984 Diphtherie, Keuchhusten, Tetanus

22.03.1984 Diphtherie, Keuchhusten, Tetanus, Polio oral.

Am 24.07.1995 beantragte die Klägerin über ihre Eltern die Anerkennung cerebraler Krampfanfälle bzw. eines Anfallsleidens als Impfschaden. Hierzu trugen die Eltern vor, die Klägerin habe Stunden nach der Impfung am 17.01.1984 mit starken Zuckungen der Arme und Schultern (wie starkes Erschrecken) reagiert.

Das Versorgungsamt C zog daraufhin eine Auskunft der Innungskrankenkasse I über Erkrankungen der Klägerin sowie Behandlungs- bzw. Befundberichte des Praxisnachfolgers des seinerzeit behandelnden praktischen Arztes Dr. S, Dr. M, des Kreiskrankenhauses E, des Epilepsie-Zentrums C, des Allgemeinmediziners Dr. U, des B-Krankenhauses I sowie von Dr. V bei. Das Versorgungsamt befragte dann die Mutter und die Großmutter der Klägerin zu den Geschehnissen nach der Impfung. Die Mutter führte aus, dass familiäre Vorbelastungen nicht in besonderem Maße vorlägen. Lediglich zwei Cousinen in der großen Verwandtschaft hätten als Kind jeweils einen einmaligen Fieberkrampf gehabt. Vor der Geburt der Klägerin sei es zu vorzeitigen Wehen gekommen. Der eigentliche Geburtsverlauf sei normal gewesen. Einige Zeit nach der Impfung am 17.01.1984 habe sie bei der Klägerin ein merkwürdiges Zucken festgestellt. Auch die Großmutter habe die Zuckungen anschließend beobachtet. Vor der Impfung habe sie ein entsprechendes Zucken nicht beobachten können. Am Tag nach der ersten Impfung sei das Zucken nicht mehr festzustellen gewesen; ebenfalls nicht in der Folgezeit. Erst am 11.04.1984 sei das Zucken wieder aufgetreten. Es habe sich dann gesteigert. Die Klägerin habe auch Fieber gehabt. Während der Fahrt zu dem Hausarzt Dr. U sei es dann zu einem regelrechten Fieberkrampf gekommen. Die Klägerin sei steif und nach ihrer Ansicht auch bewusstlos geworden. Seit dem ersten Auftreten eines regelrechten Fieberkrampfes seien diese Krämpfe häufiger aufgetreten. Im Zeitraum zwischen dem zweiten und vierten Lebensjahr hätten sich diese sehr stark gesteigert. Die Großmutter gab an, dass die Klägerin nach der Impfung am 17.01.1984 zunächst geschlafen habe. Nachmittags habe sie dann mit den Händen gezuckt. Dies sei ihr sofort aufgefallen, weil sie die Klägerin ja vorher betreut habe. Definitiv könne sie sich außerdem an das Zucken an dem Tag erinnern, als der erste große Krampfanfall aufgetreten war. An dem Tag des ersten großen Krampfanfalles habe die Klägerin zunächst in der Wohnung der Großmutter im Kinderwagen geschlafen. Danach habe diese die Klägerin in die Wippe gesetzt. Dort sei sie unruhig geworden, habe Arme und Beine hochgezogen. Die Augen hätten sich geweitet. Dies sei mehrmals passiert. Das Versorgungsamt holte dann ein neurologisches Gutachten nach Aktenlage des Chefarztes der Neurologischen Klinik des Kliniku...

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