Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialgerichtliches Verfahren. Gegenstand des Verfahrens. keine Einbeziehung weiterer Bescheide. Grundsicherung für Arbeitsuchende. Einkommensberücksichtigung. Verletztenrente. Verfassungsmäßigkeit
Orientierungssatz
1. Die Ausdehnung des Klagegegenstandes auf Folgebescheide gem § 96 SGG kommt beim Arbeitslosengeld II regelmäßig nicht in Betracht (vgl BSG vom 17.12.2009 - B 4 AS 50/09 R = SozR 4-4200 § 22 Nr 29).
2. Die Verletztenrente aus der gesetzlichen Unfallversicherung ist als Einkommen bei der Berechnung der Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts gem § 11 Abs 1 S 1 SGB 2 zu berücksichtigen. Die Verletztenrente stellt kein privilegiertes Einkommen dar, das von der Anrechnung ausgeschlossen ist. Sie ist auch nicht wie eine Entschädigung iS des § 11 Abs 3 Nr 2 SGB 2 zu behandeln.
3. Die Anrechnung der Verletztenrente verstößt nicht gegen Art 3 Abs 1 GG.
Nachgehend
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Köln vom 14.04.2009 wird zurückgewiesen. Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Höhe der Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) für die Zeit vom 01.05.2007 bis 31.10.2007. Der Kläger wendet sich gegen die Anrechnung seiner gesetzlichen Unfallrente. Zudem ist er der Auffassung, dass auch die Höhe der Leistungen für Unterkunft und Heizung (KdU) Streitgegenstand sei.
Die Beklagte bewilligte dem 1945 geborenen Kläger ab dem 19.04.2006 Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende. Einkommen der von ihm getrennt lebenden Ehefrau (geboren 00.00.1934), der jetzigen Bevollmächtigten des Klägers, rechnete sie nicht an. Der Außendienst der Beklagten stellte im August 2006 fest, dass der Kläger in einem mit Wohnmöbeln versehenen Raum innerhalb seiner Betriebsstätte lebt.
Wegen der Folgen eines am 27.06.2003 erlittenen Berufsunfalls wurde dem Kläger von der Großhandels- und Lagerei-Berufsgenossenschaft durch Bescheid vom 27.11.2006 über den 31.07.2005 hinaus eine monatliche Rente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von 20 v.H. auf unbestimmte Zeit in Höhe von 190,40 EUR (rückwirkend ab dem 01.08.2005) monatlich bewilligt. Ab dem 01.07.2007 belief sich die monatliche Rente aufgrund einer Rentenanpassung auf 191,43 Euro.
Mit Bescheid vom 23.04.2007 bewilligte die Beklagte dem Kläger für den Zeitraum vom 01.05.2007 bis 31.10.2007 Leistungen in Höhe von monatlich 503,73 Euro (Regelleistung 184,60 Euro; KdU 319,13 Euro). Bei der Leistungsberechnung legte sie einen Gesamtbedarf in Höhe von 664,13 Euro zugrunde (Regelleistung von 345,00 Euro; KdU 319,13 Euro). Sie rechnete die Unfallrente des Klägers als Einkommen nach Absetzung eines pauschalen Freibetrages von 30,00 Euro in Höhe von 160,40 Euro monatlich auf die Regelleistung an. Der Bescheid enthielt den Hinweis, dass die Rente rückwirkend ab dem 19.04.2006 angerechnet werde und bezüglich der Rückforderung des überzahlten Betrages ein gesonderter Bescheid ergehen werde. Ein entsprechender Aufhebungs- und Erstattungsbescheid erging in der Folgezeit.
Im Rahmen des gegen den Bewilligungsbescheid vom 23.04.2007 eingelegten Widerspruchs führte der Kläger aus, es sei für ihn unbegreiflich, dass die Anrechnung seiner Unfallrente anderen Anrechnungsgrundsätzen unterliege als ein beliebiges Arbeitseinkommen, welches er ohne die unfallbedingte Minderung seiner Arbeitsfähigkeit erzielen könne.
Durch Bescheid vom 02.06.2007 setzte die Beklagte die Leistungshöhe für die Zeit vom 01.07.2007 bis 31.10.2007 nunmehr auf 505,73 Euro fest (Regelleistung: 186,60; KdU 319,13 Euro).
Den Widerspruch des Klägers gegen den Bescheid vom 23.04.2007 wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 22.08.2007 als unbegründet zurück. Sie führte aus, von der Rente wegen Minderung der Erwerbsfähigkeit könne nur der allgemeine Freibetrag einer Versicherungspauschale in Höhe von 30,00 EUR abgezogen werden. Ein weiterer Freibetrag sei nur im Falle eines Einkommens aus einer Erwerbstätigkeit abzusetzen. Grund für die weiterreichenden Absetzungsmöglichkeiten im Falle von Erwerbseinkommen sei, dass der Erwerbstätige aufgrund seiner Tätigkeit Ausgaben wie z. B. Werbungskosten habe. Außerdem sollen Anreize für die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit geschaffen werden.
Der Kläger hat am 24.09.2007 beim Sozialgericht (SG) Köln Klage erhoben. Er hält die Anrechnung einer Rente der gesetzlichen Unfallversicherung wegen Verstoßes gegen Artikel 3 Grundgesetz (GG) für verfassungswidrig.
Während des Klageverfahrens hat die Beklagte unter dem 22.04.2008 einen Änderungsbescheid erlassen, mit dem sie für die Zeit vom 01.05.2007 bis 30.06.2007 Leistungen in Höhe von monatlich 519,43 Euro und für die Zeit vom 01.07.2007 bis 31.10.2007 in Höhe von monatlich 520,40 Euro bewilligte. Auf die Kosten der Unterkunft und Heizung entfiel für den...