Entscheidungsstichwort (Thema)
Voraussetzungen eines Anspruchs auf Berichtigung von Aktenvermerken des Sozialleistungsträgers
Orientierungssatz
1. Bei der Berichtigung eines Vermerks des Grundsicherungsträgers über Sozialdaten i. S. von § 84 SGB 10 handelt es sich um einen Realakt. Zulässige Klageart ist infolgedessen die Anfechtungs- und Leistungsklage (BSG Urteil vom 18. 12. 2018, B 1 KR 31/17).
2. Voraussetzung eines Berichtigungsanspruchs des Antragstellers ist, dass der Leistungsträger unrichtige personenbezogene Daten gespeichert hat. Unrichtig sind solche Daten, wenn die durch sie vermittelten Informationen über den Betroffenen nicht mit der Wirklichkeit übereinstimmen; nicht aber Werturteile bzw. sachbezogene Daten.
3. Der Anspruch auf Vervollständigung von Daten gemäß § 35 Abs. 2 S. 1 SGB 10 i. V. m. Art. 16 S. 2 der EU-Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) setzt voraus, dass sich diese auf die Zwecke der Verarbeitung bezieht. Entscheidend ist, zu welchem Zweck die Daten erhoben und weiter vorgehalten werden und welches Risiko die vermeintliche Unvollständigkeit für den Betroffenen birgt.
4. Ist Zweck der vom Grundsicherungsträger getätigten Vermerke die Arbeitsförderung und -vermittlung des Grundsicherungsberechtigten und enthalten die vom Kläger erhobenen Rügen keinen Bezug hierzu, so ist die erhobene Klage als unbegründet abzuweisen.
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Dortmund vom 15.01.2019 wird zurückgewiesen. Kosten haben die Beteiligten einander auch in dem Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Der Kläger begehrt von dem Beklagten die Berichtigung von drei Aktenvermerken.
Der Beklagte erstellte am 13.9.2016 einen Vermerk über ein Erstgespräch, am 10.11.2016 erfolgte ein Vermerk über ein Erstgespräch in der Job-Offensive und am 16.12.2016 ein Vermerk über ein Folge- und Abschlussgespräch. Wegen ihres Inhaltes wird auf den Inhalt der Verwaltungsakte Bezug genommen.
Am 27.2.2017 beantragte der Kläger die Berichtigung dieser drei Vermerke. Die Vermerke seien nach seinen Unterlagen, Aufzeichnungen und Erinnerungen unrichtig bzw. unvollständig. Er forderte den Beklagten zu Korrektur entsprechend von ihm verfasster, wesentlich umfangreicherer Vermerke auf. Sollte eine Korrektur nicht erfolgen, bat er um Aufnahme der von ihm gefertigten korrigierten Aktenvermerke in die Akte. Über die Bescheidung dieses Antrags kam es zu einer - hier nicht streitgegenständlichen - Untätigkeitsklage (SG Dortmund, S 67 AS 5554/17).
Eine Änderung der Vermerke lehnte der Beklagte mit Bescheid vom 8.2.2018 ab. § 84 Abs. 1 SGB X stelle die Anspruchsgrundlage dar, Sozialdaten berichtigen zu lassen. Die Verbis-Vermerke würden allerdings keine unvollständigen oder unrichtigen Sozialdaten erkennen lassen. Ein Berichtigungsanspruch bestehe daher nicht. Dagegen legte der Kläger am 27.2.2018 Widerspruch ein. Die Ablehnung der Berichtigung sei ohne Nennung eines zureichenden Grundes für den "bisherigen Nicht-Erlass" des Bescheides abgelehnt worden. Der Beklagte stütze sich auf eine allgemeine juristische Kommentierung und gehe für die fallspezifische Antragsprüfung von Annahmen aus, die weder von der derzeitigen Rechtslage bzw. der einschlägigen Kommentierung noch von der rechtskräftigen Rechtsprechung gestützt würden. Mit Widerspruchsbescheid vom 12.3.2018 wies der Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Anhaltspunkte für eine falsche Entscheidung seien nicht ersichtlich.
Dagegen hat der Kläger am 11.4.2018 bei dem Sozialgericht Dortmund Klage erhoben.
Die Beteiligten stritten zunächst über die vom Kläger beantragte Akteneinsicht. Eine solche bot ihm der Beklagten unter dem Betreff Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes an. Der Kläger wandte ein, dass es ihm bei der begehrten Akteneinsicht nicht um Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes gehe. Einen entsprechenden Antrag habe er nicht gestellt. Der Akteneinsichtstermin entbehre "einer sachlichen und rechtlichen Grundlage". Der Kläger sah darin eine Verhinderung bzw. Versagung von Akteneinsicht. Er nahm schließlich doch Akteneinsicht und teilte dem Gericht danach mit, dass seiner Auffassung nach nicht alle relevanten Akten vorgelegt worden seien.
Das Sozialgericht Dortmund führte am 17.12.2018 einen Erörterungstermin durch. In diesem Zusammenhang hörte das Sozialgericht die Beteiligten zur beabsichtigten Entscheidung durch Gerichtsbescheid an. Der Kläger begründete im Folgenden seine Klage damit, dass er gemäß § 84 Abs. 1 SGB X einen Anspruch auf Berichtigung von Sozialdaten habe. Anzuwenden seien Art. 16 DSGVO und die aktuelle Fassung des § 84 SGB X. Dem internen Vermerk des Beklagten vom "20.6.2017" - offensichtlich gemeint: 20.6.2016 - seien Unsicherheiten in der Bearbeitung seines Antrags gemäß § 84 Abs. 1 SGB X zu entnehmen. Auf Grundlage dieses internen Vermerks sei zunächst keine Bescheidung folgt. Erst durch die Untätigkeitsklage sei sodann eine Bescheidung erfolgt. Er vermute, ...