Entscheidungsstichwort (Thema)

Voraussetzung einer Löschung von Sozialdaten

 

Orientierungssatz

1. Die Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) findet keine Anwendung auf die Verarbeitung personenbezogener Daten im Rahmen einer Tätigkeit, die nicht in den Anwendungsbereich des Unionsrechts fällt, Art. 2 Abs. 2a DSGVO, Art 153 AEUV. Für die Verarbeitung von Sozialdaten im Rahmen von nicht in den Anwendungsbereich der DSGVO fallenden Tätigkeiten finden die DSGVO und das SGB 1 aber entsprechende Anwendung.

2. Der Anspruch auf Löschung von Daten setzt nach Art. 17 Abs. 1 DSGVO voraus, dass einer der in dieser Vorschrift genannten Löschungsgründe vorliegt.

3. Die Speicherung von Daten ist u. a. notwendig solange eine rechtlich relevante Situation unverändert fortbesteht und der Betroffene im Leistungsbezug (hier: Leistungen der Grundsicherung steht.

4. Auf eine etwaige Einwilligung des Betroffenen zur Löschung kommt es nicht an. Die Datenverarbeitung ist für die Wahrnehmung einer Aufgabe erforderlich, die im öffentlichen Interesse liegt.

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Dortmund vom 15.01.2019 wird zurückgewiesen. Kosten haben die Beteiligten einander auch in dem Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Der Kläger stand und steht im Bezug von Leistungen der Grundsicherung nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) bei dem Beklagten. Er begehrt von dem Beklagten die Berichtigung eines Verbis-Vermerkes vom 6.1.2017.

Der Beklagte erließ am 1.9.2016 eine Eingliederungsvereinbarung gemäß § 15 Abs. 1 Satz 6 SGB II per Verwaltungsakt. Dieser wurde mit - hier nicht streitgegenständlichem - Widerspruch angegriffen, da es zu diesem Zeitpunkt noch eine weitere, noch gültige Eingliederungsvereinbarung gab (siehe dazu das Verfahren der Beteiligten LSG Nordrhein-Westfalen, L 21 AS 230/19); der Geltungszeitraum endete Mitte Januar 2017. Am 7.10.2016 hob der Beklagte den Eingliederungs-Verwaltungsakt vom 1.9.2016 auf.

Er erstellte am 6.1.2017 sodann folgenden Vermerk: "Die Eingliederungsvereinbarung läuft zum 11.1.2017 aus. Eine neue per Verwaltungsakt abzuschließen macht aktuell keinen Sinn." Am 16.6.2017 beantragte der Kläger die Löschung bzw. Sperrung dieses Vermerks gemäß § 84 SGB X. Die Unzulässigkeit des Aktenvermerkes ergebe sich aus dem widersprüchlichen Handeln und einer missbräuchlichen Ausnutzung der formalen Rechtsstellung des Beklagten. Bei dem Vermerk handele es sich nur um eine temporäre Bewertungsnotiz, nicht um einen endgültigen Verzicht auf eine Eingliederungsvereinbarung per Verwaltungsakt. Es bestünde - aufgrund des Vermerks - weiterhin die Gefahr, dass der Beklagte erneut eine Eingliederungsvereinbarung per Verwaltungsakt erlasse.

Eine Änderung des Vermerks lehnte der Beklagte mit Bescheid vom 8.2.2018 ab. § 84 Abs. 2 SGB X stelle die Anspruchsgrundlage dar, Sozialdaten löschen zu lassen. Dessen Voraussetzungen lägen nicht vor. Die Speicherung sei zur Erfüllung der Aufgaben erforderlich, auch weiterhin.

Dagegen legte der Kläger am 27.2.2018 Widerspruch ein. Der Beklagte stütze sich auf eine allgemeine juristische Kommentierung; eine sachgerechte und fallspezifische Prüfung fehle. Mit Widerspruchsbescheid vom 12.3.2018 wies der Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Anhaltspunkte für eine falsche Entscheidung seien nicht ersichtlich.

Dagegen hat der Kläger am 11.4.2018 bei dem Sozialgericht Dortmund Klage erhoben. Die Beteiligten stritten zunächst über die vom Kläger beantragte Akteneinsicht. Eine solche bot ihm der Beklagte unter dem Betreff "Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes" an. Der Kläger wandte ein, dass es ihm bei der begehrten Akteneinsicht nicht um Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes gehe. Einen entsprechenden Antrag habe er nicht gestellt. Der Akteneinsichtstermin entbehre "einer sachlichen und rechtlichen Grundlage"; er sah darin eine Verhinderung bzw. Versagung von Akteneinsicht. Er nahm schließlich doch Akteneinsicht; teilte allerdings dem Gericht danach mit, dass seiner Auffassung nach nicht alle relevanten Akten vorgelegt worden seien.

Das Sozialgericht Dortmund führte am 17.12.2018 einen Erörterungstermin durch. In diesem Zusammenhang hörte das Sozialgericht die Beteiligten zur beabsichtigten Entscheidung durch Gerichtsbescheid an. Der Kläger begründete im Folgenden seine Klage damit, dass die von dem Beklagten vertretene Rechtsauffassung gegen die Rechtsprechung des BSG und diverser LSG verstoße. Wegen der unterbliebenen oder unvollständigen Akteneinsicht fehle es an einer rechtmäßigen Verarbeitung im Sinne des Art. 6 DSGVO sowie an seiner Einwilligung zur Speicherung.

Mit Gerichtsbescheid vom 15.1.2019 hat das Sozialgericht Dortmund die Klage abgewiesen. Der Kläger habe keinen Anspruch auf Berichtigung bzw. Löschung. Die Voraussetzungen gemäß § 84 Abs. 1 Satz 1 SGB X würden nicht vorliegen; es seien keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass die Vermerke unrichtig seien. Es bestehe au...

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