Entscheidungsstichwort (Thema)
Beitragszeit. Ghetto. Versicherungspflichtige Beschäftigung. Zwangsarbeit. Entgelt. Glaubhaftmachung
Leitsatz (redaktionell)
Eine rentenversicherungspflichtige Beschäftigung liegt nur vor, wenn sie gegen Arbeitsentgelt erfolgt. Dieses Erfordernis gilt auch bei einer Tätigkeit in einem Ghetto.
Normenkette
SGB VI § 55 Abs. 1; FRG § 15 Abs. 3, § 17a; ZRBG § 1 Abs. 1 S. 1
Nachgehend
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 11.02.2003 wird zurückgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten, ob bei der Altersrente der Klägerin eine weitere Beitragszeit von März 1940 bis Juli 1942 zu berücksichtigen ist.
Die am ...1925 in L/Polen geborene Klägerin lebt heute in Israel. Sie ist als Verfolgte i.S.d. Bundesentschädigungsgesetzes (BEG) anerkannt.
Am 06.04.1992 beantragte sie bei der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA) die Gewährung einer Altersrente. Sie gab an, sie habe von August 1942 bis Februar 1943 im Metallressort des Ghettos Lodz als Arbeiterin gearbeitet, ferner von Februar 1943 bis Juli 1944 als Näherin im dortigen Schneiderressort. Im Fragebogen für Ersatzzeiten gab sie an, sie sei von August 1942 bis Juli 1944 im Ghetto Lodz und von August 1944 bis Mai 1945 in verschiedenen Lagern gewesen. Von September 1939 bis August 1942 sei sie in ihrer Freiheit beschränkt gewesen, und zwar durch Verfolgung und Tragen des Judensterns.
Die BfA gab den Vorgang an die Beklagte ab.
Mit Bescheid vom 26.10.1992 lehnte die Beklagte den Rentenantrag ab, weil keine Beiträge zur deutschen Rentenversicherung nachgewiesen seien. Im Ghetto seien lediglich Zwangsarbeiten verrichtet worden, die nicht der Versicherungspflicht unterlegen hätten.
Die Klägerin legte Widerspruch ein und legte eine als Versicherung an Eides Statt überschriebene schriftliche Erklärung der am 00.07.1914 geborenen T N vom 24.01.1993 vor. Darin ist ausgeführt, die Zeugin habe die Klägerin im Ghetto Lodz kennen gelernt, sich ihrer angenommen, sie beraten und ihr geholfen. So hätten sie sich trotz des Altersunterschiedes angefreundet. Sie könne bezeugen, dass die Klägerin zuerst von August 1942 bis Februar 1943 im Metallressort und anschließend bis Juli 1944 im Schneiderressort gearbeitet habe. Die Klägerin habe wie sie alle Ghettomarken als Entgelt erhalten, und es sei ihnen auch gesagt worden, dass die Sozialabgaben für sie bezahlt würden.
Die Klägerin legte ferner eine als Versicherung an Eides Statt überschriebene Erklärung der am 00.08.1924 geborenen H L vom 18.01.1993 vor. Danach ist die Zeugin zusammen mit der Klägerin ins Ghetto gekommen und dort mit ihr bis zur Aussiedlung verblieben. Sie seien in dieser Zeit sehr viel zusammen gewesen und bis heute gute Freundinnen geblieben. Ihr sei aus eigener Wahrnehmung bekannt, dass die Klägerin von August 1942 bis Februar 1943 im Metallressort und anschließend bis Juli 1944 im Schneiderressort gearbeitet habe. Wie sie alle habe auch die Klägerin als Entgelt Ghettomarken erhalten. Man habe ihnen gesagt, dass auch die Sozialabgaben für sie bezahlt würden.
Die Beklagte zog die Entschädigungsakte der Klägerin bei und nahm daraus Kopien zu ihrer Akte:
Die am 00.07.1912 geborene E1 E, geb. U, hatte unter dem 07.07.1953 eidesstattlich u.a. versichert (zweifach in verschiedener Abschrift), sie habe die Klägerin im Oktober 1939 kennen gelernt. Die Klägerin habe damals in dem selben Schneidershop in der Stadt Lask/Polen zu arbeiten begonnen, in dem sie - die Zeugin - nach dem Einmarsch der Deutschen zu unentgeltlichen Arbeit gezwungen worden sei. Sie hätten sich täglich bei der Arbeit gesehen und hätten bis August 1942 zusammen gearbeitet. Im August 1942 seien die Insassen des Ghettos (Lask) in das Ghetto Lodz überführt worden. Sie - die Zeugin - habe im August 1942 dort in einem Schneidershop zu arbeiten begonnen und die Klägerin dort täglich gesehen, weil sie in der Küche gearbeitet habe, welche die Arbeiter ihrer Werkstätte mit Essen versorgt habe. Sie habe sie dort bis August 1944 bei der Arbeit gesehen, als beide zusammen nach Auschwitz abtransportiert worden seien. Von dort seien sie zusammen nach Bergen-Belsen und im Oktober 1944 nach Buchenwald gekommen. Später seien sie ins Kommando Elsnig überstellt worden, wo sie zusammen bis März 1945 in der dortigen Munitionsfabrik gearbeitet hätten. Sie seien dann zusammen in einen Evakuierungstransport geraten und Ende April 1945 in Sedin bei Berlin befreit worden.
Die am 00.12.1925 geborene S. C. geb. K hatte unter dem 07.07.1953 eidesstattlich u.a. versichert (zweifach in verschiedener Abschrift), sie habe ab Oktober 1939 zusammen mit der Klägerin in einem Schneidershop in Lask zwangsweise und unentgeltlich gearbeitet und sich täglich gesehen. Sie hätten bis August 1942 zusammen gearbeitet und seien dann nach dem Ghetto Lodz übergesiedelt. Sie - die Zeugin - habe do...