Entscheidungsstichwort (Thema)
Ausschluss einer Leistungspflicht der Krankenkasse für eine Liposuktion (Fettabsaugung)
Orientierungssatz
1. Bei der Liposuktion (Fettabsaugung) handelt es sich um eine neue Behandlungsmethode, für die der Gemeinsame Bundesausschuss noch keine positive Empfehlung nach § 135 SGB 5 abgegeben hat. Damit zählt sie nicht zum Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung.
2. Unter dem Gesichtspunkt des Systemversagens hat der Versicherte keinen Leistungsanspruch gegen die Krankenkasse, weil das erforderliche Bewertungsverfahren durch den Gemeinsamen Bundesausschuss nicht verzögert durchgeführt wird.
3. Schließlich kann ein Leistungsanspruch auch nicht aus einer grundrechtsorientierten Leistungsauslegung i. S. von § 2 Abs. 1a SGB 5 abgeleitet werden. Ein Lipödem ist weder eine lebensbedrohliche oder regelmäßig tödliche noch eine hiermit wertungsmäßig vergleichbare Erkrankung (BSG Urteil vom 28. 5. 2019, B 1 KR 32/18 R).
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Duisburg vom 23.04.2020 wird zurückgewiesen. Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Klägerin begehrt die Erstattung ihr durch Liposuktionsbehandlungen entstandener Kosten i.H.v. 18.510,00 EUR.
Die 1996 geborene, bei der beklagten Krankenkasse (Beklagte) gesetzlich krankenversicherte Klägerin beantragte mit Schreiben vom 30.04.2019 die Kostenübernahme für Liposuktionen bei bestehendem Lipödem. Ihr Gesundheitszustand habe sich physisch und psychisch innerhalb eines Jahres immens verschlechtert. Sie leide täglich unter Schmerzen, Spannungsgefühlen und Wassereinlagerungen in den Beinen. Die Arme hätten ebenfalls begonnen zu schmerzen. Die Schmerzen verursachten Konzentrationsschwierigkeiten am Arbeitsplatz. Sie sei aktuell nicht in der Lage, einer Berufstätigkeit nachzugehen. Daher sei sie in psychotherapeutischer Behandlung aufgrund einer mittelgradigen depressiven Episode bei chronischer Schmerzstörung. Sie müsse Hormone einnehmen aufgrund einer Endometriose. Durch die Einnahme dieser Hormone würden die Symptome der Lipödemerkrankung verstärkt. Sie fügte ein fachärztliches Gutachten des Facharztes für Chirurgie, Plastische und Ästhetische Chirurgie Dr. X der M Dr. I vom 15.10.2018 bei. Darin wird u.a. ausgeführt, im Jahr 2018 sei fachärztlicherseits die Diagnose eines Lipödems beider Beine und Arme (Stadium I) gestellt worden. Die stetige Verschlechterung des körperlichen Befundes habe zu einer Vorstellung in der Klinik geführt. Aus medizinischer Sicht sei eine Therapie durch Lipo-Dekompression im Bereich der Hüften, des Gesäßes, der Oberschenkel, der Knie, der Unterschenkel und der Arme indiziert. Alternative Behandlungsmaßnahmen wie lebenslange Kompressionen und manuelle Lymphdrainage wirkten nur symptomatisch und seien nicht geeignet, die Grunderkrankung zu beeinflussen und der Entstehung von Folgeerkrankungen vorzubeugen. Es werde die Kostenübernahme als Einzelfallentscheidung für ambulante Operationen beantragt. Die Rechnungstellung müsse sich bei weiterem Fehlen von Abrechnungsziffern nach dem Einheitlichen Bewertungsmaßstab (EBM) an der Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ) orientieren.
Mit Bescheid vom 14.05.2019 lehnte die Beklagte eine Kostenübernahme ab. Bei der begehrten Behandlung handle es sich um eine neue Untersuchungs- und Behandlungsmethode, für die bisher eine positive Entscheidung des Gemeinsamen Bundesausschusses fehle.
Zur Begründung ihres dagegen gerichteten Widerspruchs führte die Klägerin aus, der therapeutische Nutzen von Liposuktionen sei durchaus bekannt. Ab dem 01.01.2020 gewährten Krankenkassen Liposuktionen bei Lipödemen Stadium III. Der Gemeinsame Bundesausschuss habe in einer Publikation vom 20.07.2017 vom bestehenden Potenzial der operativen Methode berichtet. Die Erkrankung nehme bei ihr einen schnellen Verlauf. Zur Begründung der medizinischen Notwendigkeit fügte sie eine amtsärztliche Bescheinigung des Gesundheitsamtes der Stadt F vom 23.05.2019 bei, wonach konservative Methoden nicht erfolgreich seien. Der Facharzt für Chirurgie Dr. E führt in einem ebenfalls vorgelegten Schreiben vom 09.05.2019 aus, die begehrte Therapie werde bei einem Lipödem Stadium II ausdrücklich empfohlen und sei auch medizinisch zielführend. Die Internistin und Angiologin Dr. S führte aus, ihres Erachtens seien die Kriterien für die Gewährung der Kostenübernahme für eine ambulante Liposuktion als Einzelfallentscheidung erfüllt. Medizinische Gründe sprächen für eine zeitnahe Operation.
Mit Widerspruchsbescheid vom 19.09.2019 wies die Beklagte den Widerspruch der Klägerin zurück.
Zur Begründung ihrer am 18.10.2019 beim Sozialgericht Köln anhängig gemachten Klage, mit der die Klägerin nach (ambulanter) Durchführung von drei Liposuktionen am 11.06.2019, 07.08.2019 und 18.10.2019 in der M Dr. I die Erstattung von insgesamt 18.510,00 EUR begehrte, hat sich die Klägerin auf einen Anspruch aus § 137c Abs. 3 SGB V berufen. Die en...