Entscheidungsstichwort (Thema)

Ruhen des Arbeitslosengeldanspruchs. Abfindung. unkündbarer älterer Arbeitnehmer. tarifvertragliche Möglichkeit der ordentlichen Kündigung. Sozialplanabfindung

 

Orientierungssatz

1. Eine durch Tarifvertrag eröffnete Möglichkeit der ordentlichen Kündigung eines grundsätzlich unkündbaren älteren Arbeitnehmers schließt die Anwendung von § 143a Abs 1 S 4 SGB 3 nicht aus, wenn zu vermuten ist, dass die auf der Grundlage des Sozialplans gezahlte Abfindung nicht ausschließlich als Ausgleich für den Verlust eines sozialen Besitzstandes gezahlt wird, sondern auch künftige, nunmehr untergehende Arbeitsentgeltansprüche ausgleichen soll.

2. Die Regelungen des § 143a Abs 1 SGB 3 erfassen jedenfalls solche tarifvertraglichen Bestimmungen, in denen die Möglichkeit zur ordentlichen Kündigung erst durch die Zubilligung der Entlassungsentschädigung eröffnet wird.

3. Dem steht nicht entgegen, dass die tatsächlich gezahlte Abfindung auf einem zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat geschlossenen Sozialplan beruht.

 

Tatbestand

Streitig ist das Ruhen des Anspruchs auf Arbeitslosengeld wegen Zahlung einer Abfindung durch den Arbeitgeber.

Der 1942 geborene Kläger war in der Zeit vom 10.09.1964 bis zum 31.03.1999 als Vorarbeiter in der Zieherei der X AG beschäftigt. Die Arbeitgeberin des Klägers führte im Sommer des Jahres 1998 umfangreiche Umstrukturierungsarbeiten durch, in dessen Zuge Personal abgebaut wurde. Aufgrund der damit einhergehenden Betriebsänderung schlossen der Betriebsrat, der bei der Arbeitgeberin des Klägers gebildet war, und die Arbeitgeberseite einen Interessenausgleich und Sozialplan. Der Kläger war von dieser Betriebsänderung betroffen. Aus betriebs- und personenbedingten Gründen wurde das Arbeitsverhältnis unter Einhaltung einer Kündigungsfrist von 7 Monaten am 11.08.1998 zum 31.03.1999 gekündigt. Wegen des Verlustes des Arbeitsplatzes und sozialen Besitzstandes war eine Abfindung von 75.000,00 DM vereinbart. Die Tarifvertragsparteien hatten der Kündigung am 07.08.1998 zugestimmt.

Am 04.02.1999 meldete der Kläger sich arbeitslos und beantragte Arbeitslosengeld.

Mit Bescheid vom 15.04.1999 stellte die Beklagte das Ruhen des Anspruchs auf Arbeitslosengeld bis zum 11.08.1999 mit der Begründung, die ordentliche Kündigung durch den Arbeitgeber sei nur gegen Zahlung einer Abfindung möglich gewesen, fest. Daher gelte eine Kündigungsfrist von einem Jahr, die nicht eingehalten worden sei. Folglich ruhe der Leistungsanspruch für diesen Zeitraum.

Den hiergegen am 28.04.1999 eingelegten Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 08.07.1999 als unbegründet zurück, beschränkte aber den Ruhenszeitraum auf die Zeit bis zum 25.07.1999.

Dagegen hat der Kläger am 04.08.1999 Klage vor dem Sozialgericht (SG) Dortmund erhoben, die er u. a. damit begründete, die im Manteltarifvertrag für die Arbeiter, Angestellten und Auszubildenden der metallverarbeitenden Industrie Nordrhein-Westfalens (MTV Metall NRW) aufgeführten Möglichkeiten der Kündigung eines an sich unkündbaren älteren Arbeitnehmers seien alternativ zu verstehen. Die Zustimmung der Tarifvertragsparteien habe mit der Zahlung der Abfindung nichts zu tun, so dass § 143 a Sozialgesetzbuch 3. Buch (SGB III) nicht anwendbar sei. Dieser bestimme das Ruhen des Anspruchs, wenn der Arbeitnehmer nur bei Zahlung einer Entlassungsentschädigung ordentlich gekündigt werden könne, § 20 MTV knüpfe aber gerade nicht an das Vorliegen eines mit der Zahlung von Entlassungsentschädigungen verbundenen Sozialplanes an, sondern lasse die Kündigung unter den genannten Voraussetzungen grundsätzlich im Falle von Betriebsänderungen zu. Diese müssten jedoch nicht zwingend mit einem Sozialplan einhergehen. Die Zustimmung der Tarifvertragsparteien sei auch nicht wegen der Gewährung der Abfindung erfolgt. Die von der Beklagten vorgenommene Gesetzesauslegung sei verfassungswidrig, da sie nicht tarifgebundene Arbeitnehmer bevorteile. Vor dem Sozialgericht hat der Kläger beantragt, den Bescheid vom 15.04.1999 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 08.07.1999 aufzuheben.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat sich zur Stützung ihrer Auffassung auf ein Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 05.02.1998 (SozR 3-4100 § 117 Nr. 15) bezogen.

Mit Urteil vom 17.04.2000 hat das SG die Klage mit folgender Begründung abgewiesen: Die Beklagte habe zu Recht das Ruhen des Anspruchs auf Arbeitslosengeld für die Zeit bis zum 25.07.1999 festgestellt. Das Arbeitsverhältnis habe nur bei Zahlung einer Entlassungsentschädigung ordentlich gekündigt werden können. Daher sei die Beklagte zutreffend von der fiktiven 1-jährigen Kündigungsfrist des § 143 a Abs. 1 SGB III ausgegangen. Sei bereits ein Sozialplan erstellt worden, der für den betroffenen Arbeitnehmer eine Entschädigung vorsehe, so sei selbst dann, wenn neben der Kündigungsmöglichkeit gegen Zahlung einer Abfindung eine zweite Kündigungsmöglichkeit (Zustimmung der Tarifvertragsparteien) bestanden habe, allein maß...

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