Entscheidungsstichwort (Thema)
Beginn der Befreiung von der Versicherungspflicht in der Rentenversicherung
Orientierungssatz
1. Eine sog. Doppelversicherung in der gesetzlichen Rentenversicherung einerseits und in einem berufsständischen Versorgungswerk andererseits ist nicht systemwidrig, sondern als eine vom Gesetzgeber gewollte Gestaltungsmöglichkeit anzusehen.
2. Die Beschränkung des Befreiungsanspruchs auf die Zeit ab Eingang des Antrags durch § 6 Abs. 4 SGB 6 und die sich daraus ergebende Pflichtversicherung als abhängig Beschäftigter bis zur Antragstellung verletzt Verfassungsrecht nicht. Es ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, dass die Versicherungspflicht nicht an die individuelle Schutzbedürftigkeit eines Versicherungspflichtigen anknüpft, sondern lediglich den Tatbestand der Beschäftigung voraussetzt.
3. Es ist nicht unverhältnismäßig, die Geltendmachung des Befreiungsanspruchs rückwirkend nur innerhalb von drei Monaten nach Vorliegen der Befreiungsvoraussetzungen und danach nur noch mit Wirkung für die Zukunft zuzulassen.
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 23.10.2009 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darüber, ab welchem Zeitpunkt die Klägerin als X von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung zu befreien ist.
Die am 00.00.1959 geborene Klägerin war zunächst in der Zeit von 1979 bis 1992 Beamtin des Landes Nordrhein-Westfalen. In der Folge übte sie erst eine selbstständige Tätigkeit als T und später zusätzlich auch als X aus. Seit dem 1.3.1999 war sie Pflichtmitglied beim Beigeladenen zu 2), dem Versorgungswerk der Wirtschaftsprüfer im Lande Nordrhein-Westfalen, und entrichtete an dieses satzungsgemäße Beiträge. Seit dem 1.12.2000 arbeitet sie als angestellte X bei der Beigeladenen zu 1). Eine Befreiung von der gesetzlichen Rentenversicherungspflicht für diese Angestelltentätigkeit erfolgte mangels Antrags (zunächst) nicht. Die Klägerin legte der Beigeladenen zu 1) lediglich eine Bescheinigung des Beigeladenen zu 2) über ihre (Pflicht-)mitgliedschaft vor. Die Beigeladene zu 1) führte daraufhin für die Klägerin keine Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung ab. Bei der Meldung der Klägerin zur Sozialversicherung gegenüber der Einzugsstelle gab sie eine sog. "Null-Meldung" ab.
Im April 2002 und Juli 2006 führte die Beklagte bei der Beigeladenen zu 1) Betriebsprüfungen durch. Dabei wurde die Nichtabführung von Beiträgen zur gesetzlichen Rentenversicherung für die jeweiligen Prüfzeiträume nicht gerügt. Einen Kontakt zwischen der Klägerin und den Betriebsprüfern der Beklagten gab es im Rahmen der Betriebsprüfungen nicht.
Im September 2007 stellte die AOK Rheinland/Hamburg als Einzugsstelle fest, dass für die Klägerin ein Bescheid über die Befreiung von der Rentenversicherungspflicht nicht vorlag. Neben der Beklagten informierte die AOK Rheinland/Hamburg auch die Klägerin über die fehlende Befreiung. Diese stellte sodann (erstmals) am 28.9.2007 bei der Beklagten einen Antrag auf Befreiung von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung gemäß § 6 Abs. 1 Satz Nr. 1 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) für ihre seit dem 1.12.2000 ausgeübte Beschäftigung als angestellte X bei der Beigeladenen zu 1).
Mit Bescheid vom 9.1.2008 befreite die Beklagte die Klägerin von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung ab dem Tag der Antragstellung, dem 28.9.2007. Mit dem Widerspruch begehrte die Klägerin eine Befreiung ab dem 1.12.2000 und beantragte wegen der versäumten Antragsfrist zugleich Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Die Beklagte wies den Widerspruch unter gleichzeitiger Ablehnung des Antrags auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zurück (Widerspruchsbescheid v. 4.6.2008). Die Klägerin habe die Antragsfrist aus Unkenntnis und daher schuldhaft versäumt. Dass die Nichtabführung der Beiträge zur Rentenversicherung im Rahmen der Betriebsprüfungen nicht gerügt worden sei, begründe kein schutzwürdiges Vertrauen der Klägerin oder der Beigeladenen zu 1).
Die hiergegen erhobene Klage hat das Sozialgericht (SG) Köln abgewiesen (Urteil v. 23.10.2009). Es hat zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt: Die Klägerin sei gemäß § 6 Abs. 4 SGB VI erst ab ihrem Antrag am 28.9.2007 von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung zu befreien, da sie den Antrag nicht innerhalb von drei Monaten nach Vorliegen der Befreiungsvoraussetzungen (§ 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI) ab dem 1.12.2000 gestellt habe. Der Klägerin sei wegen der versäumten Antragsfrist keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren noch sei sie aufgrund des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs so zu stellen, als habe sie die Befreiung rechtzeitig beantragt. Die Beklagte habe ihre Pflicht zur Beratung oder Auskunft gegenüber der Klägerin nicht verletzt. Die Klägerin habe unstreitig vo...