Entscheidungsstichwort (Thema)

Berücksichtigung glaubhaft gemachter Pflichtbeitragszeiten eines Spätaussiedlers bei der Rentenberechnung

 

Orientierungssatz

1. Nach § 256b SGB 6 i. V. m. §§ 15, 16 FRG sind glaubhaft gemachte Pflichtbeitragszeiten eines Spätaussiedlers in die Berechnung der deutschen Rente nach dem SGB 6 einzubeziehen. Dabei ist die Einstufung der Beschäftigung in eine der in Anlage 13 zum SGB 6 genannten Qualifikationsgruppen vorzunehmen, wenn der Versicherte deren Qualifikationsmerkmale erfüllt und eine entsprechende Tätigkeit ausgeübt hat.

2. Ein Versicherter mit einem abgeschlossenen Ingenieurstudium, der danach als Mechaniker bzw. als Obermechaniker beschäftigt war, ist in Qualifikationsgruppe 4 - Facharbeiter - einzustufen. Das jeweilige Merkmal der tatsächlichen Beschäftigung ist ausnahmslos neben dem Erwerb der entsprechenden Qualifikation zu erfüllen.

3. Nicht nachgewiesene, sondern lediglich glaubhaft gemachte Beitrags- oder Beschäftigungszeiten sind nach § 22 Abs. 3 FRG auf 5/6 zu kürzen.

 

Nachgehend

BSG (Beschluss vom 27.04.2017; Aktenzeichen B 13 R 83/17 B)

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Münster vom 08.04.2016 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Im Streit steht die Höhe der Erwerbsminderungsrente des Klägers.

Der 1953 in Russland geborene und als Spätaussiedler im Sinne des § 4 Bundesvertriebenengesetz (BVFG) anerkannte Kläger nahm im März 2000 seinen Wohnsitz in der Bundesrepublik Deutschland. Er war in Russland nach eigenen Angaben zunächst - nach Ausbildung zum Maschinentechniker an der Technischen Forstfachschule von September 1968 bis März 1972 - als Mechaniker und Ober- bzw. Hauptmechaniker und - nach Studium von November 1980 bis Juli 1983 an der Technischen Forstakademie - als Forstingenieur beschäftigt. Nach der Einreise in die Bundesrepublik war der Kläger erst als Waldarbeiter und zuletzt von April 2005 bis März 2008 als Förster versicherungspflichtig beschäftigt. Der Kläger hatte mit seiner ersten Ehefrau zwei Kinder, O, -….1973 und F, -….1977. Nach dem Tod der ersten Ehefrau Ende der 70iger Jahre heiratete der Kläger erneut. Die zweite Ehefrau brachte ihrerseits ein Kind mit in die Ehe, Q, -….1983, und hatte mit dem Kläger ein weiteres Kind, B, -…1994. Die zweite Ehe ist zwischenzeitlich geschieden (Ehezeit vom 01.03.1988 bis zum 31.12.2007).

Am 02.10.2009 beantragte der Kläger die Gewährung von Rente wegen Erwerbsminderung bei der Beklagten. Nach ablehnendem Ausgangsbescheid bewilligte die Beklagte dem Kläger im Widerspruchsverfahren mit Bescheid vom 28.02.2011 Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit unter Zugrundelegung von 21,7997 an persönlichen Entgeltpunkten (EP). Im Übrigen wies die Beklagte den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 23.05.2011 zurück. Das hiergegen gerichtete Klageverfahren blieb nach medizinischen Ermittlungen erfolglos (Az S 14 R 480/11 - Sozialgericht Münster). In dem nachfolgenden Berufungsverfahren vor dem Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen (Az L 14 R 268/13) wurde der Kläger durch den Psychiater Dr. U begutachtet, der ein aufgehobenes Leistungsvermögen feststellte. Die Beklagte bot dem Kläger daraufhin mit Schreiben vom 03.07.2014 die Gewährung von Rente wegen voller Erwerbsminderung auf Zeit unter Zugrundelegung eines Leistungsfalls im Juni 2013 ab dem 01.01.2014 bis zum 30.06.2015 nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen an. Am 02.09.2014 nahm der damalige Bevollmächtigte des Klägers das Vergleichsangebot an. Am selben Tage beantragte der Bevollmächtigte die Gewährung von Altersrente für schwerbehinderte Menschen für den Kläger und bat um eine Probeberechnung dahingehend, ob sich durch eine direkte Umwandung der Rente wegen Erwerbsminderung in eine Altersrente ein höherer Zahlbetrag ergebe.

Unter dem 10.10.2014 erteilte die Beklagte einen Ausführungsbescheid zu dem angenommenen Vergleich. Da die der bisher geleisteten Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung zugrunde liegenden EP von 21,7997 die sich bei der nunmehrigen Rentenberechnung ergebenden EP von 20,8837 überstiegen, legte die Beklagte nach § 88 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Rentenversicherung (SGB VI) die bisherigen Entgeltpunkte der Rentenberechnung zugrunde. Ab dem 01.07.2014 berücksichtigte die Beklagte bei der Bewilligung zudem einen Zuschlag an Entgeltpunkten für die Erziehung der Kinder O, F und Q in Höhe von drei EP, so dass die Rente ab diesem Zeitpunkt unter Berücksichtigung von 24,7997 EP berechnet wurde. Zum Abzug gebracht wurden 7,1625 EP aufgrund des nach Scheidung von der zweiten Ehefrau durchgeführten Versorgungsausgleichs.

Gegen den Rentenbescheid vom 10.10.2014 erhob der Kläger am 04.11.2014 Widerspruch mit der Begründung, dass über die mögliche Umwandlung in eine Altersrente noch nicht entschieden sei. Die diesbezügliche Probeberechnung stehe noch aus. Die Rente sei nach ...

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