Entscheidungsstichwort (Thema)
Anrechnung von Kindergeld auf den Bedarf des Grundsicherungsberechtigten
Orientierungssatz
1. Bei der Berechnung des Bedarfs nach § 9 SGB 2 sind nach § 11 SGB 2 Einnahmen in Geld abzüglich der nach § 11b SGB 2 maßgeblichen Absetzbeträge als Einkommen zu berücksichtigen. Kindergeld für zur Bedarfsgemeinschaft gehörende Kinder ist dem jeweiligen Kind nur zuzurechnen, soweit es bei diesem zur Sicherung des Lebensunterhalts benötigt wird.
2. Zu dem bedarfsmindernden Einkommen gehört das Kindergeld. Dieses soll vorrangig zur Sicherung des Lebensunterhalts des Kindes verwendet werden. Verfügt das Kind über hinreichendes Einkommen, um seinen Bedarf nach dem SGB 2 zu decken, so scheidet es aus der Bedarfsgemeinschaft aus. Der nicht für das Kind benötigte Teil des Kindergeldes wird dem Kindergeldberechtigten zugerechnet.
3. Die Anrechnung des Kindergeldes als Einkommen i. S. von § 11 Abs. 1 SGB 2 auf die Leistungen nach dem SGB 2 ist mit dem GG vereinbar.
Normenkette
SGB II § 7 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 3 Nr. 4, § 9 Abs. 2 S. 3, §§ 12, 21 Abs. 3 Nr. 1, Abs. 7, § 11 Abs. 1 Nr. 6, Abs. 2 S. 1, Abs. 3, § 11b; Alg II-V § 2 Abs. 3 S. 1; BKGG § 1 Abs. 1; BGB § 1612b Abs. 1, §§ 1618a, 1626-1627; GG Art. 1 Abs. 1, Art. 3 Abs. 1, Art. 20 Abs. 1; EStG § 31 S. 1, § 32 Abs. 6
Tenor
Die Berufung der Kläger gegen das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 18.12.2014 wird zurückgewiesen.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Klägerin zu 1) begehrt höhere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts für die Zeit vom 01.07.2011 bis zum 31.12.2011. Die Kläger zu 2) und 3) sind die Kinder der Klägerin zu 1) und wenden sich gegen die Anrechnung des Kindergeldes auf den Bedarf der Klägerin zu 1).
Die 1968 geborene Klägerin zu 1) ist die alleinerziehende Mutter des 1999 geborenen Klägers zu 2) und des 2002 geborenen Klägers zu 3). Im streitigen Zeitraum verfügte die Klägerin zu 1) über Einkünfte aus einem geringfügigen Beschäftigungsverhältnis bei der Fa. O GmbH iHv durchschnittlich 341,10 EUR monatlich. Für die Kläger zu 2) und zu 3) wurde jeweils Wohngeld iHv 114,50 (Juli 2011 bis Oktober 2011) bzw. 102,50 EUR (November 2011 und Dezember 2011) monatlich gezahlt. Der geschiedene Ehemann und getrennt lebende Vater der Kläger zu 2) und 3), der Zeuge N, zahlte an diese Unterhalt iHv insgesamt 550 EUR (jeweils 275 EUR) monatlich. Der Kläger zu 2) verfügte über ein Depotvermögen bei V Investment iHv 6.915,57 EUR. Die Familie bewohnte eine Mietwohnung, für die Unterkunftskosten iHv insgesamt 561,59 EUR monatlich zu zahlen waren (Nettokaltmiete 407,59 EUR; kalte Betriebskosten 109 EUR, Heizkosten 45 EUR).
Mit dem angefochtenen Bescheid vom 20.12.2011 bewilligte der Beklagte der Klägerin zu 1) Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts (Unterkunftskosten) vom 01.07.2011 bis zum 31.12.2011 iHv 91,29 EUR (Juli 2011), 81,96 EUR (August 2011 bis Oktober 2011) und 93,96 EUR (November 2011 und Dezember 2011). Er berücksichtige Mehrbedarfe für Alleinerziehung und wegen dezentraler Warmwassererzeugung und rechnete u.a. Kindergeld auf den Bedarf der Klägerin zu 1) an. Für den Kläger zu 2) wurden aufgrund des Depotvermögens keine Leistungen bewilligt. Der Kläger zu 3) wurde aufgrund des Kindergeldes, des Unterhalts und des Wohngeldes nicht als hilfebedürftig angesehen und erhielt ebenfalls keine Leistungen.
Gegen diesen Bescheid legten die Kläger am 06.01.2012 Widerspruch ein. Das Depotvermögen stehe der Hilfebedürftigkeit des Klägers zu 2) nicht entgegen, da es zweckgebunden für eine spätere Ausbildung angelegt worden sei. Die Anrechnung des Kindergeldes auf den Bedarf der Klägerin zu 1) sei verfassungswidrig, da im Ergebnis eine Unterhaltsverpflichtung der Kinder für die Mutter unterstellt werde, die nicht existiere. Der Mehrbedarf für Alleinerziehende sei falsch berechnet worden.
Mit Änderungsbescheid vom 16.04.2012 bewilligte der Beklagte der Klägerin zu 1) Leistungen (Unterkunftskosten) iHv 178,29 EUR (Juli 2011), 168,96 EUR (August 2011 bis Oktober 2011) bzw. 180,96 EUR (November 2011 und Dezember 2011). Die Erhöhung erfolgte aufgrund einer Neuberechnung des Mehrbedarfs für Alleinerziehende. Im Übrigen wies der Beklagte den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 18.04.2012 zurück. Er legte dar, dass die Kläger zu 2) und 3) aufgrund Vermögens bzw. übersteigenden Einkommens keinen Leistungsanspruch hätten. Die Klägerin zu 1) habe keinen höheren Leistungsanspruch, insbesondere sei die Anrechnung des Kindesgeldes auf ihren Bedarf zu Recht erfolgt.
Gegen diese Entscheidung haben die Kläger am 21.05.2012 Klage erhoben. Das Depot sei nicht als Vermögen des Klägers zu 2) zu werten. Es sei von den Eltern (der Klägerin zu 1) und dem Zeugen N) gemeinschaftlich angelegt worden, um für eine "Existenzgründung" bei Volljährigkeit zur Verfügung zu stehen. Der Zeuge N verweigere seine Zustimmung zur Auflösung des Guthabens. Die Anrechnung des Kindergeldes auf den Bedarf der Klägerin zu 1) sei rechtswidri...