Entscheidungsstichwort (Thema)
Éntschädigung einer Asbesterkrankung als Berufskrankheit. Vorläufige Leistungen. Anerkennung einer Berufskrankheit nach Nr. 4104 der Anlage zur BKV
Leitsatz (redaktionell)
1. Es besteht kein Anspruch auf vorläufige Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung für eine Asbesterkrankung, wenn weder eine Asbestose noch eine Einwirkung von mindestens 25 Faserjahren am Arbeitsplatz vorgelegen haben.
2. Diese Rechtslage gilt gleichermaßen unter Geltung des SGB VII wie der Reichsversicherungsordnung.
Orientierungssatz
1. Zur Anerkennung einer Krankheit als Berufskrankheit (BK) müssen die Krankheit, die versicherte Tätigkeit und die arbeitstechnischen Voraussetzungen mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit bewiesen sein. Zu den Erkrankungen nach Nr. 4104 der Anlage zur BKV gehört das metastasierende Bronchialkarzinom. Dieses ist als BK anzuerkennen, wenn eine berufsbedingte Lungenasbestose oder Pleuraasbestose nachgewiesen oder bewiesen ist, dass der Versicherte an seinen Arbeitsplätzen einer kumulativen Asbestfaser-Dosis von mindestens 25 Faserjahren ausgesetzt gewesen ist.
2. Ist eine Lungenasbestose oder Pleuraasbestose nicht nachgewiesen und haben die arbeitstechnischen Ermittlungen ergeben, dass der Versicherte einer Lebensarbeitszeitdosis von weniger als 25 Faserjahren ausgesetzt gewesen ist, so ist eine BK nach Nr. 4104 nicht anzuerkennen.
Normenkette
BKV Anl. Nr. 4104; SGB VII § 63 Abs. 1-2, §§ 212, 214 Abs. 3 S. 1; RVO § 589; SGB I § 43 Abs. 1 S. 1
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 07. Mai 2003 wird zurückgewiesen. Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darüber, ob die Beklagte der Klägerin als Witwe des C M (Versicherter) Hinterbliebenenleistungen gewähren muss.
Der im Juni 1936 geborene und am 00. Februar 1994 verstorbene Versicherte war von Oktober 1950 bis Oktober 1953 zunächst als Arbeitsbursche und später als Kfz-Schlosserlehrling bei der Autoreparaturwerkstatt H N in C beschäftigt, ohne die Ausbildung zu beenden. Nach einer Stellungnahme des Dipl.-Phys. L von der Norddeutschen Metall-Berufsgenossenschaft (BG) vom 05. September 2006 habe er dort im Durchschnitt zwei Stunden täglich Brems- und Kupplungsstäube eingeatmet und sei dabei einer Asbestdosis von maximal 1,1 Faserjahren ausgesetzt gewesen. Im November/ Dezember 1953 war er für ca. 4 Wochen als Bauwerker für den Volkseigenen Kreisbaubetrieb (VEB) F tätig und hatte dort nach Angaben des Technischen Angestellten I von der BG Bau keinen Asbestkontakt (Stellungnahme vom 06. Oktober 2006). Von Ende Januar bis Mitte September 1954 und von Ende März bis Anfang Juli 1959 arbeitete der Versicherte als Hilfsschlosser für den Autofuhrbetrieb Q S in C, wo er wahrscheinlich überwiegend in der Kfz-Werkstatt eingesetzt wurde. Der Technische Aufsichtsbeamte (TAB) T nahm in seiner Stellungnahme vom 20. Oktober 2000 an, dass der Versicherte dort als Bystander im schlimmsten Fall acht Stunden täglich einer Faserkonzentration von 0,5 F/cm³ ausgesetzt gewesen sei, was einer Gesamtbelastung von 0,95 Faserjahren entspreche. Anschließend war der Versicherte von November 1954 bis Mitte März 1955 als "Helfer" für den Kfz-Reparaturbetrieb I I in C tätig. Von Anfang Juni 1955 bis Ende Mai 1957 leistete er Wehrdienst bei Kasernierten Volkspolizei und der Nationalen Volksarmee (NVA) in der Dienststellung eines "Kfz-Schlossers" und erhielt dafür ab dem 01. Oktober 1955 eine Zulage von 40,00 M. Zum Einsatzort und dem Tätigkeitsschwerpunkt konnte die Wehrbereichsverwaltung Ost in T keine Angaben machen (Schreiben vom 03. Dezember 2003 und 01. September 2006). Zwischen Juni und September 1957 arbeitete der Versicherte als Maschinenhelfer im Kabelwerk P und kam dort bei der Produktion von Elektrokabeln möglicherweise mit asbesthaltigem Talkum in Kontakt. Die TABin L von der BG der Feinmechanik und Elektrotechnik errechnete unter dem 02. Januar 2007 eine Asbestbelastung von 1,8 Faserjahren. Von Ende November 1957 bis Ende März 1958 war der Versicherte vier Monate im VEB T Brauerei in C als Hilfsschlosser eingesetzt. Dr. Q, Leiter des Bereichs Prävention der BG Nahrungsmittel und Gaststätten in Q, nahm in seinem Ermittlungsbericht vom 18. Oktober 2000 an, dass der Versicherte in zeitlich geringem Umfang, d.h. etwa eine Stunde pro Woche, asbesthaltiges Dichtungsmaterial zuschneiden musste. Bei einer Tätigkeitsdauer von drei Monaten und einer wöchentlichen Expositionszeit von einer Stunde bei einer Faserkonzentration von 60 F/cm³ lasse sich "grob eine Dosis von 0,6 Faserjahren abschätzen". Von Mitte Juli bis Mitte Oktober 1959 war der Versicherte beim Konsumgenossenschaftsverband Kreis L eGmbH als Kraftfahrer beschäftigt und hatte in dieser Funktion angeblich auch Bremsanlagen zu reparieren. Die TABin Dr. T von der Hauptverwaltung Prävention der Großhandels- und Lagerei-BG aus N ging in ihrer Stellungnahme vom 17. November 2000 davon aus, dass ...