Entscheidungsstichwort (Thema)

Beweislast des Rentenversicherungsträgers für eine von ihm geltend gemachte Beitragserstattung

 

Orientierungssatz

1. Nach § 210 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2, 3 S. 1 SGB 6 werden Rentenversicherungsbeiträge solchen Versicherten zurückerstattet, die nicht versicherungspflichtig sind und nicht das Recht zur freiwilligen Versicherung haben.

2. Macht der Rentenversicherungsträger geltend, es habe ein Beitragserstattungsverfahren stattgefunden, so trägt er dafür die Beweislast.

3. Existieren hierzu in den Akten des Versicherungsträgers keine Unterlagen und auch kein Nachweis über den Zugang eines Erstattungsbescheides oder die Überweisung des Erstattungsbetrags, so genügen allein die im elektronischen Versicherungskonto des Versicherten gespeicherten Daten nicht zum Nachweis einer vollständigen wirksamen Beitragserstattung.

4. Resultiert der Beweisnotstand des Versicherungsträgers daraus, dass er die Originalunterlagen zu dem von ihm behaupteten Beitragserstattungsverfahren vernichtet hat, so bewirkt dies zugunsten des Versicherungsträgers weder eine Umkehr der Beweislast noch eine Beweiserleichterung.

 

Tenor

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 30.3.2016 geändert. Die Beklagte wird unter Abänderung des Bescheides vom 24.4.2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19.7.2013 verurteilt, den Bescheid vom 24.7.2009 zurückzunehmen und an den Kläger 10.207,69 EUR zu zahlen. Die Beklagte hat dem Kläger die außergerichtlichen Kosten aus beiden Rechtszügen zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Streitig ist die Erstattung von Beiträgen.

Der am im 1940 geborene und im 2018 verstorbene I H (im Folgenden: Versicherter) war türkischer Staatsangehöriger und lebte zuletzt in der Türkei. Er war vom 18.1.1966 bis zum 31.5.1981 in der Bundesrepublik Deutschland - wohl überwiegend im Steinkohlebergbau - versicherungspflichtig beschäftigt. In dieser Zeit entrichtete er Arbeitnehmerbeiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung in Höhe von insgesamt DM 19.964,50. Vom 27.7.1981 bis zum 13.8.1982 erhielt er Lohnersatzleistungen vom Arbeitsamt. Nachfolgend kehrte der Versicherte (auf Dauer) wieder in die Türkei zurück.

Bei der Beklagten sind in Bezug auf den Versicherten neben Daten zu den oben gemachten Angaben auch die folgenden Daten (nur noch) elektronisch gespeichert:

"Beitragserstattung 1830 Antrag auf Beitragserstattung (Im Original: Tabelle)

Aus einem vom Versicherten im Jahr 2008 vorgelegten, an ihn gerichteten Schreiben der Beklagten vom 22.9.2004, in dem sie auf ihr früheres Schreiben vom 20.2.2004 Bezug nimmt, ergibt sich, dass er sich bereits um diese Zeit mit einem Begehren an die Beklagte gewandt hatte, das diese als Antrag auf Beitragserstattung gewertet hat. Im Schreiben vom 22.9.2004 ist (u.a.) ausgeführt, dass dem Versicherten die von ihm vom 18.1.1966 bis 31.5.1981 entrichteten Beiträge mit Bescheid vom 8.3.1983 erstattet worden seien. Einen Abdruck des Bescheides habe sie, die Beklagte, an die Sosyal Sigortala Kurumu Genel Müdürlügü (im Folgenden: SSK) in Ankara gesandt. Durch die Erstattung sei das Versicherungsverhältnis aufgelöst worden.

Aus einem weiteren, ebenfalls vom Versicherten vorgelegten, an ihn gerichteten Schreiben der Beklagten vom 2.5.2005 ergibt sich, dass er sich mit Schreiben vom 14.2.2005 erneut wegen einer Beitragserstattung an die Beklagte gewandt hat, und diese (u.a.) erwidert hat, da vom Versicherten immer die gleichen Einwände erhoben würden, in Zukunft derartige Anfragen nicht mehr zu beantworten.

Der Beklagten liegen keine Aktenunterlagen zu diesen Vorgängen und zu der im Schreiben vom 22.9.2004 behaupteten Beitragserstattung vor.

In den (im Jahr 2008 angelegten) Verwaltungsakten der Beklagten findet sich zu Beginn (auf Bl.2ff) ein bei der SSK Ankara gestellter und von dort an die Beklagte weitergeleiteter Antrag des Versicherten (vom 16.6. bzw. 2.7.2008) auf Erstattung der von ihm gezahlten Beiträge. Unter Bezugnahme auf die von ihm vorgelegte Kopie des Schreibens der Beklagten vom 22.9.2004 führte er dazu aus, dass er keinen Beitragserstattungsbetrag in Höhe von DM 19.964,50 erhalten habe. Die Beklagte forschte in ihren Archiven nach Aktenunterlagen, fand solche aber nicht und ging fortan davon aus, dass die den Versicherten betreffenden Aktenvorgänge vernichtet worden seien. Den Antrag vom 2.7.2008 lehnte die Beklagte ab, weil sich aus ihren (elektronisch gespeicherten) Daten ergebe, dass die vom Versicherten in der Zeit vom 18.1.1966 bis zum 31.5.1981 zur deutschen gesetzlichen Rentenversicherung entrichteten Arbeitnehmerbeiträge bereits mit Bescheid vom 8.8.1983 in Höhe von DM 19.964,50 erstattet worden seien (Bescheid vom 24.7.2009, dem Versicherten bekannt gegeben am 11.8.2009).

Im Februar 2012 meldete sich für den Kläger (unter einer Adresse in München) ein Bevollmächtigter mit einem Antrag auf Herausgabe von Unterlagen (Antragskopien) bzw. die Erteilung von Auskünften zwecks Nachforschung hinsichtlich der beha...

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