Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialhilfe. Nothilfe. Erstattungsanspruch eines Krankenhausträgers wegen stationärer Krankenhausbehandlung. örtliche Zuständigkeit. Rechtzeitigkeit der Antragstellung. Anwendbarkeit des § 16 SGB 1. Vorliegen eines Eilfalles. Erstattung der Aufwendungen in gebotenem Umfang. Anwendbarkeit der Vergütungsregelungen der GKV. Vergütung durch Fallpauschalen. keine Begrenzung des Erstattungsanspruchs wegen verspäteter Unterrichtung des Sozialhilfeträgers. Gewöhnlicher Aufenthalt. EU-Ausländer. Fehlender Krankenversicherungsschutz. Krankenhilfe. Zeitanteilige Aufspaltung pro rata temporis
Leitsatz (amtlich)
1. Steht bei einer stationären Notfallbehandlung bereits bei Einsetzen der Hilfeleistung fest, wo der Hilfeempfänger seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat, so ist der dortige Sozialhilfeträger für Leistungen nach § 25 SGB 12 gem § 98 Abs 2 S 1 SGB 12 örtlich zuständig. Eine Zuständigkeit des Trägers am Ort des tatsächlichen Aufenthalts (also am Ort der Behandlung) nach § 98 Abs 2 S 3 SGB 12 kommt nicht in Betracht.
2. Wird der zuständige Sozialhilfeträger von einer stationären Notfallbehandlung nicht unverzüglich nach Eintritt seiner Dienstbereitschaft informiert, obwohl sich nach den Umständen des Falles geradezu aufdrängt, dass für den Hilfeempfänger eine anderweitige Absicherung im Krankheitsfall nicht besteht, so lässt dies den Eilfall nur ex nunc (ab Erreichbarkeit des Trägers), nicht aber ex tunc (ab Behandlungsaufnahme) entfallen.
3. Eine zeitanteilige Aufteilung bereits bei Behandlungsbeginn angefallener DRG-Fallpauschalen ist auch dann nicht vorzunehmen, wenn der Eilfall im Laufe der stationären Notfallbehandlung entfällt (anders erwogen von BSG vom 23.8.2013 - B 8 SO 19/12 R = SozR 4-5910 § 121 Nr 1).
Orientierungssatz
1. Für die Rechtzeitigkeit der Antragstellung gem § 25 S 2 SGB 12 hat das BSG jedenfalls eine Frist von einem Monat, gerechnet ab dem Ende des Eilfalles, für angemessen gehalten (vgl BSG vom 23.8.2013 - B 8 SO 19/12 R aaO).
2. § 16 SGB 1 ist auch im Rahmen des § 25 SGB 12 anwendbar (vgl BSG vom 13.2.2014 - B 8 SO 58/13 B = SozR 4-3500 § 25 Nr 4). Nach § 16 Abs 2 S 2 SGB 1 gilt ein bei einem unzuständigen Leistungsträger gestellter Antrag auf Sozialleistungen auch gegenüber dem zuständigen Leistungsträger als zu dem Zeitpunkt gestellt, in dem er beim unzuständigen Leistungsträger eingegangen ist. Dies gilt unabhängig davon, ob der Antrag tatsächlich an den zuständigen Leistungsträger weitergeleitet wird.
3. Es erscheint sachgerecht, den Erstattungsanspruch eines Krankenhausträgers nach § 25 SGB 12 nach den für zugelassene Krankenhäuser iS des § 108 SGB 5 geltenden Vergütungsregelungen zu bestimmen (vgl LSG Essen vom 28.1.2013 - L 20 SO 554/11 und BSG vom 23.8.2013 - B 8 SO 19/12 R aaO). Diese rechnen gegenüber den Krankenkassen nach Fallpauschalen ab.
4. Hinweis der Dokumentationsstelle des Bundessozialgerichts: Nachdem die Klage vor dem BSG zurückgenommen wurde, ist dieses Urteil sowie das vorinstanzliche Urteil des SG Düsseldorf (S 30 SO 274/10) wirkungslos.
Normenkette
SGB XII §§ 25, 98 Abs. 2; SGB I § 16 Abs. 2; SGB V § 5 Abs. 1 Nr. 13, Abs. 11; FreizügG/EU § 4
Tenor
Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 27.09.2012 geändert und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 28.05.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17.05.2010 verurteilt, an die Klägerin 15.349,63 EUR zu zahlen.
Die Beklagte trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Klägerin in beiden Rechtszügen.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Übernahme der Kosten für eine stationäre Krankenhausbehandlung des Patienten S (S) im Zeitraum 24.11. bis 19.12.2007.
Die Klägerin behandelte im Zeitraum vom 24.11. bis zum 19.12.2007 den in E wohnhaften polnischen Staatsangehörigen S. Am 24.11.2007 (Samstag) hatte er sich beim Anzünden eines Kamins Verbrennungen 2. Grades im Umfang von 16 Prozent der Körperoberfläche im Bereich des Gesichts, beider Oberschenkel sowie des rechten Arms zugezogen und war noch am selben Tag gegen 23.00 Uhr vom Evangelischen Krankenhaus E aus in die Brandverletzten-Abteilung der Klägerin als Notfall verlegt worden. Zum Zeitpunkt der Aufnahme bei der Klägerin war S sediert und intubiert. Auf Grund der erforderlichen Behandlung berechnete die Klägerin die ihr entstandenen Kosten nach der Fallpauschale (Diagnosis Related Group - DRG) Y02A (Andere Verbrennungen mit Hauttransplantation mit äußerst schweren oder schweren CC oder komplizierender Diagnose oder Prozedur oder Alter ) 64 Jahre, oder mit Dialyse oder Beatmung ) 24 Stunden) in Höhe von 15.349,63 EUR.
Am 03.12.2007 sprach der Bruder des S, Herr S S, zusammen mit dem Zeugen H bei der Klägerin vor und erklärte, S sei nicht krankenversichert. Die Klägerin versuchte daraufhin, einen auf den Aufnahmetag datierten, von S unterschriebenen formlosen Antrag auf Leistungen nach dem SGB II zur Sicherung des Lebensunterhaltes und des Krankenversicherung...