Entscheidungsstichwort (Thema)
Anspruch des Krankenhauses auf Erstattung von Krankenhausbehandlungskosten als sog. Nothelfer durch den Sozialhilfeträger
Orientierungssatz
1. Nach § 25 SGB 12 sind demjenigen, der in einem Eilfall einem Anderen Leistungen erbracht hat, die bei rechtzeitigem Einsetzen von Sozialhilfe nicht zu erbringen wären, auf Antrag die Aufwendungen in gebotenem Umfang zu erstatten, wenn er sie nicht aufgrund rechtlicher oder sittlicher Pflicht selbst zu tragen hat, vorausgesetzt, er beantragt die Erstattung innerhalb angemessener Frist beim zuständigen Sozialhilfeträger.
2. Der Anspruch des sog. Nothelfers besteht nur dann, wenn der Sozialhilfeträger keine Kenntnis vom Leistungsfall hat und ein Anspruch des Hilfebedürftigen gegen den Sozialhilfeträger nur deshalb nicht entsteht.
3. Besteht für den Patienten während des Krankenhausaufenthalts kein Versicherungsschutz, so ist der bestehende Nothelferanspruch des Krankenhauses der Höhe nach auf die Aufwendungen in gebotenem Umfang nach § 25 S. 1 SGB 12 begrenzt. Der Vergütungsanspruch bestimmt sich nach den Fallpauschalen des SGB 5, ohne dass es grundsätzlich auf die Dauer des Krankenhausaufenthalts ankommt.
4. Die Kenntnis des Sozialhilfeträgers bzw. die Obliegenheitsverletzung durch das Krankenhaus bildet die Zäsur für die sich gegenseitig ausschließenden Ansprüche des Nothelfers und des Hilfebedürftigen. Nach erworbener Kenntnis des Krankenhausträgers i. S. von § 18 SGB 12 ist ein Nothelferanspruch ausgeschlossen.
Tenor
Die Beklagte wird unter entsprechender Aufhebung des Bescheides vom 03.12.2015 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 02.02.2016 verurteilt, der Klägerin 3.224,88 EUR zu zahlen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Beklagte trägt sechs Zehntel der notwendigen außergerichtlichen Kosten der Klägerin.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über einen Anspruch auf Erstattung der Aufwendungen der Klägerin als Nothelfer für zwei stationäre Krankenhausbehandlungen, konkret: vom 31.01. bis 04.02.2015 in Höhe von 2.731,98 EUR und vom 18.07. bis 21.07.2015 in Höhe von 2.788,33 EUR, insgesamt 5.520,31 EUR.
Der am 00.00.0000 geborene polnische Staatsangehörige E. J. X. (im Folgenden: Patient) ist obdachlos und ohne festen Wohnsitz. Er hat ständig wechselnde Aufenthalte in Deutschland, den Niederlanden, Belgien, Luxemburg und der Schweiz. In Aachen hält er sich häufig im Obdachlosen-"Cafe Plattform" auf. Er ist weder privat noch gesetzlich krankenversichert. Er leidet an psychischen und Verhaltensstörungen, Leberzirrhose und chronischer Bauchspeicheldrüsenentzündung als Folge einer Alkoholsucht sowie anderen Krankheiten. In den vergangenen Jahren wurde er wiederholt und aus unterschiedlichen Anlässen durch Polizei und Rettungsdienst in die Notaufnahme verschiedener Krankenhäuser gebracht; allein die Klägerin verzeichnete in der Zeit von Juli 2012 bis September 2016 dreißig Aufenthalte in ihrer Klinik.
Am Samstag, 31.01.2015 um 01:20 Uhr erfolgte eine Notaufnahme des Patienten in stark alkoholisiertem Zustand (2,68 v.T. Alkoholgehalt im Blut) in der Klinik für Gastroenterologie, Stoffwechselkrankheiten und internistische Intensivmedizin (Medizinische Klinik III) der Klägerin. Der Patient klagte über gürtelförmige Schmerzen im Bauchbereich. Die Ärzte diagnostizierten u.a. eine akute Alkoholintoxikation mit sekundärer chronischer Pankreatitis (Bauchspeicheldrüsenentzündung). Die Klägerin teilte der Beklagten vorsorglich per Fax am Sonntag, 01.02.2015, um 09:49 Uhr die Notfallaufnahme mit und beantragte die Übernahme der Kosten der stationären Behandlung. Nach deutlicher Besserung unter Flüssigkeitszufuhr und Schmerzmedikation wurde der Patient am 04.02.2015 entlassen. Für die Behandlung machte die Klägerin Kosten in Höhe von 2.731,98 EUR geltend (Rechnung vom 01.04.2015).
Am Samstag, 18.07.2015, um 09:47 Uhr erfolgte eine weitere Notfallaufnahme des Patienten in stark alkoholisiertem Zustand (2,44 v.T.) in der medizinischen Klinik III der Klägerin; er war zuvor bewusstlos am Bahnhof aufgefunden worden. Die Ärzte diagnostizierten u.a. eine akute Alkoholintoxikation, alkoholbedingte Verhaltensstörungen und hatten den Verdacht auf eine ethyltoxische akute Episode der Pankreatitis. Die Klägerin teilte der Beklagten vorsorglich per Fax am Sonntag, 19.07.2015, um 10:47 Uhr die Notfallaufnahme mit und beantragte die Übernahme der Kosten der stationären Behandlung. Nach deutlicher Beschwerdebesserung unter Schmerzmedikation wurde der Patient am 21.07.2015 entlassen. Die Klägerin macht für diese stationäre Behandlung 2.788,33 EUR geltend (Rechnung vom 14.08.2015).
Am 06.08.2015 teilte die Beklagte der Klägerin mit, "nach dem Bundessozialhilfegesetz" sei der Beigeladene als überörtlicher Träger der Sozialhilfe für die Übernahme von Kosten einer stationären Behandlung von Behinderten und Kranken, konkret von Suchtkranken sachlich zuständig, wenn die Behinderung oder das Leiden die Behandlung erfordere. Daraufhin sandte die Klägerin die Krankenhausberi...