Entscheidungsstichwort (Thema)
Zahlbarmachung von Renten aus Beschäftigungen in einem Ghetto. Rentenbeginn. Antragstellung nach dem 30.6.2003. Antragsgleichstellung. sozialrechtlicher Herstellungsanspruch. Verlängerung der Antragsfrist. Wiedergutmachungsgedanke
Orientierungssatz
1. Eine bestandskräftige Entscheidung über einen deutschen Altersrentenantrag wirkt sich auf einen bereits zuvor gestellten israelischen Antrag aus (Anschluss an BSG vom 7.2.2012 - B 13 R 40/11 R = BSGE 110, 97 = SozR 4-5075 § 3 Nr 2).
2. Die Rente eines Berechtigten des Personenkreises des § 1 ZRBG beginnt nicht vor dem aus § 99 SGB 6 resultierenden Zeitpunkt, wenn die Rentenantragstellung erst nach dem 30.6.2003 erfolgte.
3. Die Rechtsprechung zur Verlängerung von Nachentrichtungsfristen ist nicht auf die Verlängerung der Antragsfrist nach § 3 Abs 1 ZRBG übertragbar.
4. Ein sozialrechtlicher Herstellungsanspruch, dessen Rückwirkung zu einem frühesten Rentenbeginn ab dem 1.1.2006 führen könnte, liegt hier nicht vor.
5. Auch aus dem Wiedergutmachungsgedanken und aus § 2 Abs 2 Halbs 2 SGB 1 kann kein früherer Rentenbeginn abgeleitet werden.
Tenor
Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 06.12.2012 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Streitig ist der Beginn einer dem Kläger zustehenden Regelaltersrente nach dem Gesetz zur Zahlbarmachung von Renten aus Beschäftigungen in einem Ghetto (ZRBG).
Der Kläger wurde am 00.00.1930 in Rumänien geboren. Er ist jüdischen Glaubens und anerkannter Verfolgter im Sinne des Bundesentschädigungsgesetzes (BEG). Seit 1948 lebt er in Israel und ist israelischer Staatsbürger.
Im Rahmen eines Antragsverfahrens beim Regierungsbezirksamt für Wiedergutmachung und verwaltete Vermögen Koblenz im Jahr 1957 gab er an, im Oktober 1941 in das Ghetto Czernowitz eingewiesen worden zu sein. Ende Oktober 1941 sei er nach Ataki deportiert worden und dann in das Ghetto Moghilew eingewiesen worden. Danach sei er in das Lager Zal Balki interniert worden. Weiter gab er unter anderem an, dass er im Jahr 1947 von Rumänien nach Israel ausgewandert sei.
Ein weiterer Lebenslauf des Klägers enthält die Angabe, dass er von 1947 bis 1948 in Zypern gelebt habe. Weiter findet sich im Zusammenhang mit dem Entschädigungsverfahren eine Bescheinigung, dass der Kläger ab dem 03.03.1948 eine Mittelschule in Israel besucht habe.
Mit Feststellungsbescheid vom 07.06.1962 setzte das Bezirksamt für Wiedergutmachung Koblenz für den Schaden an der Freiheit des Klägers eine Wiedergutmachung in Höhe von DM 4650,- fest. Zur Entschädigung von vom Kläger durch Verfolgungsmaßnahmen erlittene körperliche Schäden kam es im Jahr 1970 zu einer vergleichsweisen Einigung dahingehend, dass der Kläger für den Zeitraum ab dem 01.01.1971 eine laufende Rente in Höhe von monatlich DM 187,- erhielt.
Am 26.12.1989 beantragte der Kläger bei der Beklagten eine Rente und die Anerkennung von Zeiten nach dem Fremdrentengesetz (FRG). Er gab in diesem Zusammenhang an, im Zeitraum von März 1946 bis Oktober 1948 in Rumänien als Schlosser beschäftigt gewesen zu sein. Am 24.04.1991 meldete sich das Büro "K" unter Vorlage einer Vollmacht für den Kläger. In einem Fragebogen zu Ersatzzeiten im Jahr 1992 gab der Kläger an, in den Jahren 1941 bis 1944 NS-Verfolgungsmaßnahmen in Transnistrien erlitten zu haben.
Mit Bescheid vom 14.01.1994 lehnte die Beklagte den Antrag ab. Die angegebene Beschäftigungszeit (März 1946 bis Oktober 1948) sei nicht glaubhaft, weil der Kläger im Entschädigungsverfahren angegeben habe, bereits früher nach Israel ausgewandert zu sein und sich im Jahr 1947 auch auf Zypern aufgehalten zu haben. Am 31.01.1994 erhob der Kläger durch "K" Widerspruch gegen diesen Bescheid. Am 14.03.1995 stellte der Kläger beim israelischen Rentenversicherungsträger einen Antrag auf Altersrente.
Am 20.12.1995 erteilte "K" dem heutigen Klägerbevollmächtigten eine Vollmacht zur Vertretung der Interessen des Klägers. Dieser begründete den Widerspruch damit, dass sich der Kläger bei seinen früheren Angaben möglicherweise geirrt habe. Am 12.09.1996 nahm der Kläger den Widerspruch zurück.
Mit Bescheid vom 27.09.1996 wies die Beklagte den Antrag des Klägers vom 01.01.1990 auf die Nachentrichtung von Beiträgen und die Entrichtung freiwilliger Beiträge zurück.
Am 14.05.2010 beantragte der Kläger bei der Beklagten "die Überprüfung" des "Ablehnungsbescheides nach § 44 SGB X und die Anerkennung von Beitragszeiten sowie die Rentenzahlung nach dem ZRBG". Er nahm hierbei Bezug auf die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts in seinen Urteilen vom 02.06.2009 und 03.06.2009. Mit Bescheid vom 16.04.2011 versagte die Beklagte die Gewährung der beantragten Rente unter Hinweis auf nicht eingereichte Unterlagen des Klägers. Gegen diesen Bescheid erhob der Kläger am 21.04.2011 Widerspruch. Der Kläger konkretisierte die Verfolgungszeiten dahingehend, dass er im Zeitraum von Oktober 1941 bis November ...