Entscheidungsstichwort (Thema)

Zahlbarmachung von Renten aus Beschäftigungen in einem Ghetto. Rentenbeginn. Antragstellung nach dem 30.6.2003. Antragsgleichstellung. sozialrechtlicher Herstellungsanspruch. Verlängerung der Antragsfrist. Wiedergutmachungsgedanke

 

Orientierungssatz

1. Ein in Israel gestellter Antrag auf Hinterbliebenenrente ist einem deutschen Altersrentenantrag nicht gem Art 27 Abs 2 SozSichAbk ISR gleichgestellt.

2. Die Rente eines Berechtigten des Personenkreises des § 1 ZRBG beginnt nicht vor dem aus § 99 SGB 6 resultierenden Zeitpunkt, wenn die Rentenantragstellung erst nach dem 30.6.2003 erfolgte.

3. Die Rechtsprechung zur Verlängerung von Nachentrichtungsfristen ist nicht auf die Verlängerung der Antragsfrist nach § 3 Abs 1 ZRBG übertragbar.

4. Ein sozialrechtlicher Herstellungsanspruch, dessen Rückwirkung zu einem frühesten Rentenbeginn ab dem 1.1.2005 führen könnte, liegt hier nicht vor.

5. Auch aus dem Wiedergutmachungsgedanken und aus § 2 Abs 2 Halbs 2 SGB 1 kann kein früherer Rentenbeginn abgeleitet werden.

 

Tenor

Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 22.02.2013 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Streitig ist der Beginn einer der Klägerin zustehenden Regelaltersrente nach dem Gesetz zur Zahlbarmachung von Renten aus Beschäftigungen in einem Ghetto (ZRBG).

Die Klägerin wurde am 00.00.1928 in Rumänien geboren. Sie ist jüdischen Glaubens. Sie lebt in Israel und ist israelische Staatsbürgerin.

Am 17.07.1988 stellte die Klägerin in Israel einen Antrag auf eine Hinterbliebenenrente.

Am 11.10.2002 beantragte sie durch ihren nunmehrigen Bevollmächtigten bei der Beklagten eine Rente nach dem ZRBG ab dem 01.07.1997. Weitere Informationen vermittelte sie auch auf Nachfrage der Beklagten nicht. Am 03.03.2004 nahm die Klägerin den Antrag (wiederum durch ihren Bevollmächtigten) zurück.

Am 12.10.2009 beantragte die Klägerin bei der Beklagten "die Überprüfung (des) Ablehnungsbescheides nach § 44 SGB X und die Anerkennung von Beitragszeiten sowie die Rentenzahlung nach dem ZRBG". Sie verwies in diesem Zusammenhang auf die neue Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG). Die Klägerin gab in diesem Zusammenhang an, im Zeitraum von März 1943 bis März 1944 im Ghetto Tropowa in Transnistrien interniert gewesen zu sein. Sie habe Arbeiten in der Landwirtschaft geleistet. Diesbezüglich hatte die Klägerin im Jahr 1964 eine Entschädigung nach dem Entschädigungsgesetz für Opfer der nationalsozialistischen Verfolgung (BEG) in Höhe von DM 4650,- und im Jahr 2007 vom Bundesamt für zentrale Dienste und offene Vermögensfragen eine Anerkennungsleistung in Höhe von EUR 2000,- erhalten.

Mit Bescheid vom 24.08.2010 gewährte die Beklagte der Klägerin eine Regelaltersrente in Höhe von EUR 212,56 monatlich für den Zeitraum ab dem 01.10.2009. Sie erkannte hierbei die Zeit vom 01.03.1943 bis zum 18.03.1944 als Beitragszeit nach dem ZRBG und die Zeit vom 19.03.1944 bis zum 31.12.1949 als Ersatzzeit an.

Die Klägerin erhob am 09.09.2010 Widerspruch gegen diesen Bescheid. Der Rentenbeginn sei am 01.07.1997 anzusetzen. Sie sei im Rahmen eines sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs so zu stellen, als ob sie ihren Antrag bereits am 30.06.2003 gestellt hätte. Die Rentenversicherungsträger hätten durch ihre restriktive Gesetzesauslegung in der Vergangenheit, die insbesondere Sachbezüge nicht für ausreichend gehalten habe und bestimmte Gebiete von der Einbeziehung in das ZRBG ausgeschlossen habe, die Antragsteller davon abgehalten, den Aufwand eines früheren Antragsverfahrens zu betreiben. Damit hätten sie die sich aus dem Sozialrechtsverhältnis ergebende Verpflichtung zur gebotenen Förderung sozialer Rechte verletzt.

Zudem liege ein Verstoß gegen Art.3 des Grundgesetzes (GG) vor. Die "Berücksichtigung von offenen Verfahren und der damit einhergehenden Rechtsfolge Rentenbeginn 1997" beruhe auf Zufälligkeiten, die der Personengruppe der Verfolgten nicht zugemutet werden könne.

Mit Widerspruchsbescheid vom 11.01.2011 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Nach § 19 des Vierten Buchs Sozialgesetzbuch (SGB IV) würden Leistungen aus der gesetzlichen Rentenversicherung nur auf Antrag erbracht. Der Rentenantrag löse gemäß § 115 Abs.1 S.1 SGB VI das Verwaltungsverfahren aus. Er bestimme in Zusammenhang mit § 99 SGB VI den Rentenbeginn. Mit § 3 ZRBG habe der Gesetzgeber keine Spezialregelung zur allgemeinen Regelung des § 99 SGB VI geschaffen. Dieser regele nur, dass ein bis zum 30.06.2003 gestellter Rentenantrag als ein zum 18.06.1997 gestellter Antrag gelte und stelle somit eine Antragsfiktion, aber keine spezielle Beginnsvorschrift dar. Die Klägerin habe ihren Antrag am 12.10.2009 und damit nach dem 30.06.2003 gestellt. Aus dem Antrag vom 11.10.2002 könne sie keine Rechte mehr herleiten, weil sie diesen am 03.03.2004 zurückgenommen habe. Diese Rücknahme erfasse auch den israelischen Rentenantrag.

Ein Überprüfungsantrag gem...

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