Entscheidungsstichwort (Thema)

Arbeitslosengeld. Zuordnung zur Leistungsgruppe. Steuerklassenwechsel zwischen Ehegatten. Lohnersatzleistung. Erziehungsgeld

 

Orientierungssatz

Nicht die Höhe des Erziehungsgeldes ist der Vergleichsberechnung nach § 113 Abs 2 AFG zugrunde zulegen, sondern das vom Ehegatten vor dem Bezug des Erziehungsgeldes erhaltene Arbeitseinkommen, da das Erziehungsgeld eine Lohnersatzfunktion übernimmt (vgl BSG vom 29.4.1992 - 7 RAr 12/91 = SozR 3-4100 § 113 Nr 1).

 

Tatbestand

Umstritten ist Arbeitslosengeld in Höhe von 1789,80 DM. Hierbei handelt es sich um die Differenz für 157 Leistungstage ab dem 01.07.1994 zwischen der dem Kläger zuerkannten Leistungsgruppe A/1 und der von ihm begehrten Leistungsgruppe C/1.

Bis zum 31.12.1993 war der Kläger als Diplom-Chemiker mit einem monatlichen Bruttoentgelt von 2123,42 DM beschäftigt. Mit Bescheid vom 16.01.1994 bewilligte die Beklagte dem Kläger Arbeitslosengeld ab dem 01.01.1994 für die Dauer von 312 Tagen unter Zugrundelegung der Leistungsgruppe D. Auf der Steuerklasse für das Jahr 1994 war für den Kläger die Steuerklasse V eingetragen. Am 20.06.1994 ließ der Kläger dort mit Wirkung zum 01.07.1994 die Steuerklasse III für sich eintragen und vermerken, daß nunmehr ein Kind zu berücksichtigen sei. Mit Bescheid vom 28.06.1994 bewilligte die Beklagte daraufhin rückwirkend ab dem 01.01.1994 Arbeitslosengeld unter Zugrundelegung der Leistungsgruppe D/1. Hiergegen legte der Kläger Widerspruch ein und begründete diesen damit, seit Juni 1994 beziehe seine Ehefrau Erziehungsgeld, nachdem am. 1994 der Sohn C geboren worden sei. Der Kläger legte die letzte Gehaltsabrechnung seiner Ehefrau von Februar 1994 vor, wonach diese ein steuerpflichtiges Entgelt in Höhe von 4250,-- DM bezogen hatte. Mit Widerspruchsbescheid vom 02.09.1994 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Sie legte dar, aufgrund des Steuerklassenwechsels zum 01.07.1994 habe geprüft werden müssen, ob die gewählte Kombination dem Verhältnis der Arbeitslöhne der Ehegatten am Tage des Wirksamwerdens entsprochen habe. Sei dieses nicht der Fall, so werde die Steuerklassenkombination berücksichtigt, die für die Ehegatten nach dem Verhältnis ihrer Arbeitslöhne zweckmäßig sei. Im Falle des Klägers könne nur die bisherige Steuerklassenkombination III für die Ehefrau und V für den Kläger als zweckmäßig berücksichtigt werden. Das Bruttoarbeitsentgelt des Klägers belaufe sich auf 2.123,42 DM monatlich, wohingegen das Bruttogehalt der Ehefrau 4.250,-- DM betragen habe. Bei einem Bruttoarbeitsentgelt des höherverdienenden Ehegatten zwischen 4.200,-- DM und 4.300,-- DM und einem Kinderfreibetrag sei eine andere als die Steuerklassenkombination III für den höherverdienenden und V für den geringerverdienenden Ehegatten erst dann zweckmäßig, wenn das Bruttoeinkommen des geringerverdienenden mehr als 2.650,-- DM monatlich betrage. Zwar habe die Ehefrau des Klägers zum Zeitpunkt des Steuerklassenwechsels kein Arbeitsentgelt mehr bezogen, sondern Erziehungsgeld. Dieses sei jedoch nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichtes (BSG) als Lohnersatzleistung im Rahmen des § 113 Abs. 2 Arbeitsförderungsgesetz (AFG) nicht zu berücksichtigen, sondern es müsse beim Vergleich der monatlichen Arbeitslöhne das Arbeitsentgelt vor Beginn des Erziehungsgeldbezuges zugrundegelegt werden.

Hiergegen hat der Kläger am 05.10.1994 Klage beim Sozialgericht Münster erhoben und geltend gemacht, zu Unrecht werde bei der Berechnung des Arbeitslosengeldes das Arbeitsentgelt seiner Ehefrau aus der Erwerbstätigkeit berücksichtigt. Erziehungsgeld der Ehefrau sei keine Lohnersatzleistung, weil auch Erziehungsberechtigte dieses erhalten würden, die nicht erwerbstätig gewesen seien. Die vom BSG bislang entschiedenen Fälle würden einen anderen als seinen Lebenssachverhalt betreffen und könnten nicht als maßgebend herangezogen werden. So sei insbesondere zu berücksichtigen, daß seine Ehefrau nach dem Erziehungsurlaub nicht wieder erwerbstätig geworden sei. Im Rahmen ihrer geringfügigen Selbständigkeit werde ein Einkommen nicht erzielt, das bei der Steuer zu berücksichtigen sei. Schließlich sei auch im steuerrechtlichen Sinn die gewählte Steuerklassenkombination ab dem 01.07.1994 durchaus zweckmäßig gewesen. Der Gedanke der Manipulation komme nicht in Betracht, da er die für ihn zutreffende Steuerklassenkombination gewählt habe.

Während des Klageverfahrens hat die Beklagte auf Antrag des Klägers eine Prüfung des Anspruchs auf Arbeitslosengeld vorgenommen und eine Neubemessung auf der Grundlage des § 112 Abs. 7 AFG getroffen. In diesem Zusammenhang ist der Lohnsteuerklassenwechsel einer erneuten Prüfung unterzogen worden. Bei der Berechnung des Arbeitslosengeldes ging die Beklagte nunmehr von einem wöchentlichen Arbeitsentgelt von 1.240,-- DM aus, weil sie zu der Auffassung gekommen war, daß das zugrunde zu legende Arbeitsentgelt fiktiv nach einem Entgelt, das einer Vollzeitbeschäftigung entspricht, zu bemessen sei. Daraus ergab sic...

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