Entscheidungsstichwort (Thema)
Wiederaufnahme eines für ruhend erklärten Verfahrens
Orientierungssatz
1. So wie die Beteiligten ein ruhendes Verfahren jederzeit und ohne Begründung wieder aufnehmen können, darf auch das Gericht das Verfahren jederzeit von Amts wegen fortsetzen. Dabei bedarf es nicht eines neuen Beschlusses. Ausreichend ist die bloße Fortsetzung des Verfahrens durch das Gericht. Auch eine lediglich stillschweigende Aufhebung der Anordnung des Ruhens ist möglich.
2. Hat das Sozialgericht die Beteiligten vor Erlass eines Gerichtsbescheides ordnungsgemäß angehört und diesen Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben, so verletzt es mit dessen Erlass weder den Grundsatz der mündlichen Verhandlung, noch den des rechtlichen Gehörs. Eine Zurückverweisung des Rechtstreits nach § 159 Abs. 1 Nr. 2 SGG setzt nicht nur das Vorliegen eines wesentlichen Verfahrensmangels voraus, sondern auch, dass aufgrund dieses Mangels eine umfassende und aufwändige Beweisaufnahme notwendig ist.
Nachgehend
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Detmold vom 18.01.2016 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass der Kostenausspruch "der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits" aufgehoben wird.
Außergerichtliche Kosten haben die Beteiligten sowohl im ersten Rechtszug (SG Detmold S 16 R 732/15 WA) als auch im Berufungsverfahren einander nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Der Kläger begehrt die Aufhebung des Urteils des Sozialgerichts Detmold vom 05.02.1993, S 16 J 131/90, im Wege der Wiederaufnahme unter Weiterführung des damaligen sozialgerichtlichen Verfahrens.
Der Kläger ist 1946 geboren und verheiratet; seine 1946 geborene Ehefrau bezieht seit Jahrzehnten infolge eines erlittenen Schlaganfalls Rente; das Ehepaar hat 2 Kinder (eine 1977 geborene Tochter und einen 1974 geborenen Sohn, der betreuungsbedürftig ist).
Der Kläger hat keinen Beruf erlernt, war von 1962 bis 1981 überwiegend als Arbeiter und zuletzt als Krankenpflegehelfer beschäftigt; seit 1981 war er langzeitarbeitslos und bezog Sozialhilfe.
Zwischen den Beteiligten war ein im Jahre 1990 bei dem Sozialgericht Detmold erhobener Rechtsstreit über die Frage einer Erwerbs - bzw. Berufsunfähigkeit des Klägers anhängig (S 16 J 131/90). In dem Rechtsstreit erstellte der Arzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. C aus C auf Anforderung des Sozialgerichts ein nervenärztlich-psychosomatisches Gutachten vom 25.05.1992, in dem dieser, nachdem der Kläger drei Untersuchungstermine abgesagt hatte, aufgrund einer Untersuchung des Klägers im Rahmen eines Hausbesuchs am 20.05.1992 zu dem Ergebnis gelangt war, dass der Kläger an den Folgen einer vitalisierten neurotischen Depression auf dem Boden einer selbstunsicheren Primärpersönlichkeit leide, aufgrund derer der Kläger auf Dauer keiner Erwerbstätigkeit mehr nachgehen könne; es liege eine asthenische Persönlichkeit vor, sie sich über einen langen Zeitraum (aufgrund der häuslichen Situation) so überfordert habe, dass eine psychische Entwicklung eingetreten sei, die als nicht mehr umkehrbar zu werten sei.
In Anwesenheit des Klägers verpflichtete das Sozialgericht die Beklagte mit Urteil vom 05.02.1993, dem Kläger für die Zeit vom 01.11.1990 bis zum 30.09.1991 Rente wegen Berufsunfähigkeit sowie ab dem 01.10.1991 Rente wegen Erwerbsunfähigkeit zu bewilligen.
Die Beklagte führte diese Entscheidung mit Bescheiden vom 30.06.1993 (Rente wegen Berufsunfähigkeit) bzw. vom 20.10.1993 (Rente wegen Erwerbsunfähigkeit) aus.
Mit Schreiben vom 03.11.1993 legte der Kläger gegen den Rentenbescheid vom 20.10.1993 Widerspruch ein, begehrte die zusätzliche Berücksichtigung von Ausfallzeiten für Juni 1978 und August bis September 1981 und fragte an, ob in seiner Rente die in der Rente seiner Ehefrau nicht berücksichtigten Kindererziehungszeiten berücksichtigt werden könnten. Mit weiterem Schreiben vom 07.12.1993 teilte der Kläger mit, dass die Kindererziehungszeiten doch bei der Erwerbsunfähigkeitsrente seiner Ehefrau berücksichtigt werden sollten, sobald diese Rente in einer Altersrente umgewandelt werde. Mit Vermerk vom 14.12.1993 hielt die Beklagte daraufhin fest, der Widerspruch sei aufgrund Rücknahme vom 07.12.1993 erledigt.
Mit Bescheid vom 26.08.1994 berechnete die Beklagte die Berufsunfähigkeitsrente neu und teilte mit, eine Ausfallzeit für Juni 1978 könne nicht anerkannt werden. Mit Bescheid vom 20.12.1994 berechnete sie die Erwerbsunfähigkeitsrente neu; bei der Neuberechnung wurde die Zeit August und September 1981 als Anrechnungszeit wegen Arbeitslosigkeit angerechnet.
In den Folgejahren bearbeitete die Beklagte sehr zahlreiche gegen den Kläger gerichtete Pfändungs- und Überweisungsbeschlüsse.
Im Jahr 2011 führte die Beklagten diverse Ermittlungen hinsichtlich des Aufenthaltsortes des Klägers durch (bei Verdacht auf Mietnomadentum) und stellte die Rentenzahlung - wegen fehlender Möglichkeit der Ermittlung des Aufenthaltsortes - zum...