Entscheidungsstichwort (Thema)
Zuständigkeit der Einzugsstelle für Fragen der Versicherungs-, Beitrags- und Meldepflicht. Verpflichtung eines Unternehmens, das Eventgastronomie und Menütransportdienst betreibt, zur Abgabe der Sofortmeldung nach § 28a Abs 4 SGB 4. Abstellen auf die vom Statistischen Bundesamt herausgegebene "Klassifikation der Wirtschaftszweige" ist rechtmäßig
Orientierungssatz
1. Es besteht eine umfassende Zuständigkeit der Einzugsstelle für Fragen der Versicherungs-, Beitrags- und Meldepflicht, die nur für die Dauer der Betriebsprüfung (§ 28p Abs 1 S 5 SGB 4) bzw im Falle eines Statusfeststellungsantrags nach § 7a Abs 1 S 3 SGB 4 zugunsten der jeweils genannten Rentenversicherungsträger suspendiert ist.
2. Es begegnet keinen Bedenken, bei der Bezugnahme in § 28a Abs 4 S 1 SGB 4 auf "Wirtschaftsbereiche oder Wirtschaftszweige" systematisch auf die von dem Statistischen Bundesamt herausgegebene "Klassifikation der Wirtschaftszweige", Stand 2008 (WZ 2008), abzustellen.
3. Maßgebend für die Einbeziehung bestimmter Wirtschaftsbereiche und -branchen in die Verpflichtung zur Sofortmeldung nach § 28a Abs 4 S 1 SGB 4 ist, ob nach der typisierenden Vorstellung des Gesetzgebers ein erhöhtes Risiko für Schwarzarbeit und illegale Beschäftigung besteht. Dieser Regelungszweck verbietet eine Begrenzung des Anwendungsbereichs der Verpflichtung zur Sofortmeldung auf das stehende Gaststättengewerbe im Sinne des § 1 GastG. Ein erhöhtes Risiko illegaler Beschäftigung und Schwarzarbeit ist nämlich nicht etwa auf herkömmliche Betriebe des stehenden Gaststättengewerbes beschränkt. Eine branchenspezifisch erhöhte Risikoneigung für illegale Beschäftigungen besteht vielmehr auch bei Gastronomiedienstleistungen, in denen die Verpflegungsdienstleistung in einer räumlichen Trennung zur Betriebsstätte, wie etwa im Bereich der Eventgastronomie und der Menütransportdienste, erbracht wird. Das Ziel des Gesetzgebers, Schwarzarbeit und illegale Beschäftigung in risikogeneigten Wirtschaftsbranchen effizient zu bekämpfen, ist nur durch eine Einbeziehung dieser dezentral erbrachten Verpflegungsdienstleistung sichergestellt.
Nachgehend
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Detmold vom 10. Oktober 2017 geändert und die Klage abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Klägerin wendet sich gegen die Feststellung der Verpflichtung zur Abgabe der Sofortmeldung nach § 28a Abs. 4 Sozialgesetzbuch Viertes Buch (SGB IV).
Bei der Klägerin handelt es sich um eine im Handelsregister des Amtsgerichts (AG) C eingetragene Kommanditgesellschaft (HRA 000). Gegenstand des Unternehmens ist die Herstellung und der Vertrieb von Mahlzeiten und die Dienstleistung des Caterings gegenüber anderen Unternehmen (§ 2 Abs. 1 des Gesellschaftsvertrages vom 14. Oktober 1999). Nach den Verlautbarungen auf seiner Homepage (www.o-menue.de/angebot/business-event-catering) fokussiert sich das Unternehmen auf zwei Geschäftsbereiche: Im Geschäftsbereich Business Catering unterstützt es "Kunden bei der Planung und/oder dem Betrieb eines Betriebsrestaurants". Im Bereich des Event-Caterings bietet die Klägerin ihren Kunden "ein breites Spektrum" von Leistungen des Caterings an. In diesem Unternehmensbereich plant und führt sie Veranstaltungen - Weihnachtsfeiern, Sommerfeste und Mitarbeiterjubiläen - in einem "professionellen Stil" durch.
Im Jahr 2016 leitete das Hauptzollamt (HZA) C ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts des Verstoßes gegen die Sofortmeldepflicht gegen die Klägerin ein. Es nahm an, die Klägerin betreibe ein von der Sofortmeldepflicht erfasstes Unternehmen des Gaststätten- und Beherbergungsgewerbes (§ 28a Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 SGB IV). Nach Einsichtnahme in die Datenbank der Deutschen Rentenversicherung (DRV) Bund sei festgestellt worden, dass die Klägerin die erforderlichen Sofortmeldungen im Sinne des § 111 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2b) SGB IV nicht rechtzeitig erstatte.
In Abstimmung mit dem HZA C beantragte die Klägerin am 12. August 2016 bei der Beklagten, durch "rechtsmittelfähigen Bescheid festzustellen", dass sie nicht der Sofortmeldepflicht nach § 28a Abs. 4 SGB IV unterliege. Sie betreibe kein Unternehmen des Gaststättengewerbes im Sinne des § 28a Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 SGB IV. Ob ein Gaststättengewerbe vorliege, beurteile sich nach § 1 Gaststättengesetz (GastG). Unter Bezugnahme auf ein Urteil des Bundesarbeitsgerichts (BAG) vom 9. April 2008 - 4 AZR 164/07 - vertrat sie die Auffassung, dass weder das Catering noch die Lieferung fertiggestellter Speisen unter den Gaststättenbegriff des § 1 GastG falle. Ein Gaststättengewerbe setze hiernach nämlich voraus, dass im stehenden Gewerbe entweder Getränke (Schankwirtschaft) oder zubereitete Speisen zum Verzehr an Ort und Stelle verabreicht (Speisewirtschaft) würden und der Betrieb jedermann oder bestimmten Personenkreisen zugänglich sei. Diese Anfor...