Entscheidungsstichwort (Thema)

Schwerbehindertenrecht. Feststellung des Grades der Behinderung. Einzelfeststellung von Behinderungen. Auswirkung auf die Teilhabefähigkeit

 

Orientierungssatz

1. Ein auf die Einzelfeststellung von Behinderungen gerichtetes Begehren ist unzulässig. Anders oder erweitert formulierte Bezeichnungen der Behinderung sind gerichtlich nicht einklagbar.

2. Auch bei einer durch eine Operation wegen eines Hauptleidens (hier: der Schilddrüsenentfernung wegen Krebs) hervorgerufenen weiteren Beeinträchtigung (hier: Verlust der Nebenschilddrüsen) kommt es für die Feststellung des GdB allein auf die Auswirkungen auf die Teilhabefähigkeit an.

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Duisburg vom 25.02.2009 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten steht die Höhe des Grades der Behinderung (GdB) und die Bezeichnung von Behinderungen im Streit.

Bei dem am 00.00.1957 geborenen Kläger war im April 2002 ein papilläres Mikro-Karzinom (Größe: 3 mm) im linken Schilddrüsenlappen, Tumorstadium pT 1 , diagnostiziert worden. Operativ wurde die komplette Schilddrüse mit Nebenschilddrüsen entfernt. Auf seinen Antrag vom 08.10.2003 stellte das Versorgungsamt durch Bescheid vom 13.10.2003, bestätigt durch Widerspruchsbescheid vom 27.01.2004, wegen der Funktionsstörungen "Operierte Schilddrüsenerkrankung mit totaler Schilddrüsen- und Nebenschilddrüsenentfernung 4/2002 im Stadium der Heilungsbewährung" einen GdB von 50 fest. Das anschließende Klageverfahren vor dem Sozialgericht (SG) Duisburg S 22 SB 47/04 endete am 09.03.2005 auf der Grundlage der von dem gerichtlichen Sachverständigen Dr. X in seinem Gutachten vom 27.04.2004 getroffenen Feststellungen mit einem gerichtlichen Vergleich. In Ausführung dieses Vergleiches (Ausführungsbescheid vom 30.03.2005) wurde der GdB ab Antragstellung auf 60 angehoben, die zugrunde liegenden Funktionsstörungen wurden wie folgt gefasst:

1. Totale Schilddrüsenentfernung (Stadium der Heilungsbewährung) und zusätzlich Nebenschilddrüsenentfernung 2. Erhöht reizbare Bronchialschleimhaut, Allergie 3. Gesichtsnervenlähmung links, rückfällige Kopfschmerzen 4. Schleimhautfunktionsstörung des Mundgebietes.

Im Mai 2007 leitete das Versorgungsamt die Überprüfung des GdB ein. Nach Auswertung eines Befundberichts des Hausarztes Dr. O und zahlreicher vom Kläger eingereichter medizinischer Unterlagen, unter anderem eines Berichtes des Marienhospitals X vom 02.01.2006, in dem es mit Blick auf das Tumorleiden heißt, es liege ein unauffälliger Nachsorgeuntersuchungsbefund vor, kam der Ärztliche Dienst in seiner Stellungnahme vom 03.08.2007 zu dem Ergebnis, dass der GdB nunmehr nach Ablauf der Heilungsbewährung wegen folgender Gesundheitsstörungen:

1. Totale Schilddrüsen- und Nebenschilddrüsenentfernung 04/2002 bei Tumorleiden nach Eintritt der Heilungsbewährung, Calciumstoffwechselstörung (Einzel-GdB 20) 2. Allergieneigung, erhöht reizbare Bronchialschleimhaut (Einzel-GdB 20) 3. Gesichtsnerventeillähmung links, rückfällige Kopfschmerzen (Einzel-GdB 10) 4. Schleimhautfunktionsstörung des Mundgebietes (Einzel-GdB 10) 5. Nierensteinleiden (Einzel-GdB 10) mit 30 zu bewerten sei und hörte den Kläger an.

Dieser vertrat die Auffassung, der GdB sei nicht herab-, sondern mit 70 höher festzusetzen. Nach der im Jahre 2002 durchgeführten Schilddrüsenoperation müsse er fünf Mal pro Tag Schilddrüsen- und Nebenschilddrüsenhormone einnehmen um zu leben. Unter dem 08.10.2007 erließ das Versorgungsamt den angekündigten Bescheid. Dem widersprach der Kläger: Die bisher maßgebliche Feststellung des GdB auf 60 beruhe auf dem im Gerichtsverfahren geschlossenen Vergleich. Wenn überhaupt, dann habe das "Stadium der Heilungsbewährung" - wie aus dem Bescheid vom 30.03.2005 ersichtlich - nur die Schilddrüse mit seinem bösartigen Karzinom nach der Tschernobyl-Havarie betroffen. Infolge der Operation sei es aber zu dem Funktionsverlust der Nebenschilddrüse gekommen, der mit der Tumorerkrankung nichts zu tun habe. Hier sei keine Heilungsbewährung zu erwarten. Deshalb seien die "totale Schilddrüsenentfernung bei bösartigem Tumor" und der "Nebenschilddrüsenfunktionsverlust" getrennt zu bewerten. Den Widerspruch wies die Bezirksregierung Münster mit Widerspruchsbescheid vom 21.02.2008 zurück. Hiergegen hat der Kläger am 25.03.2008 beim SG Duisburg Klage erhoben. Das SG hat Beweis erhoben durch Einholung eines Sachverständigengutachtens, das der Internist Dr. L unter dem 30.05.2008 erstellt hat. Danach bedingen die beim Kläger festgestellten Funktionsbeeinträchtigungen:

1. Entfernung der Schilddrüse und Nebenschilddrüse bei papillärem Schilddrüsenkarzinom im Stadium der abgelaufenen Heilungsbewährung: (GdB20) 2. chronisch-obstruktives Atemwegs-Syndrom, allergische Diathese: (GdB 20) 3. rezidivierende Arthralgien, Epicondylitis lateralis linksseitig: (GdB 10) 4. Nierensteindiathese: (GdB 1...

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