Entscheidungsstichwort (Thema)

Bildung des Gesamtgrades der Behinderung im Schwerbehindertenrecht

 

Orientierungssatz

Im Schwerbehindertenrecht ist aus einem Teil-GdB von 30 für die Schädigung des Sehorgans, einem von 20 für die der Wirbelsäule, einem von 20 für einen insulinpflichtigen Diabetes mellitus, einem für 20 für Bluthochdruck, einem von 20 für die Schädigung der Wirbelsäule, einem von 20 für einen Tremor der rechten Hand und einem von 10 bis 20 für eine bestehende Polyneuropathie ein Gesamt-GdB von 60 zu bilden.

 

Nachgehend

BSG (Beschluss vom 15.11.2021; Aktenzeichen B 9 SB 50/21 B)

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Aachen vom 12.01.2016 wird zurückgewiesen.

Kosten sind im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Streitig ist die Feststellung eines GdB von 100 sowie Zuerkennung der Merkzeichen aG, RF und Bl.

Bei dem am 00.00.1968 geborenen Kläger stellte die Beklagte mit Bescheid vom 20.09.2011 aufgrund einer Sehbehinderung (Einzel-GdB 30), einer Zuckerkrankheit (Einzel-GdB 20), einer Funktionsstörung des Herzens (Einzel-GdB 20), einer Funktionsstörung der Wirbelsäule (Einzel-GdB 10) sowie einer seelischen Störung (Einzel-GdB 10) einen Gesamt-GdB von 40 fest. Am 03.05.2012 stellte der Kläger einen Änderungsantrag und beantragte neben der Feststellung eines höheren GdB die Zuerkennung der Merkzeichen G, aG, B, RF und Bl. Er teilte mit, er leide unter schweren Herz-, Knochen-, Rücken- und Gehproblemen bei einem Gewicht von 160 kg, Bluthochdruck sowie Diabetes mellitus. Aufgrund einer schweren Sehstörung könne er nicht mehr allein gehen. Überdies bestünden erhebliche Probleme im neurologischen und urologischen Bereich. In Kürze stehe eine Operation an.

Die Beklagte holte einen Befundbericht der Augenärztin Dr. N ein. Diese stellte einen Visus mit Brille rechts mit 0,05 und links mit 0,05 fest, die Papille sei gekippt und es fänden sich myopische Dehnungen am Augenhintergrund. Die Gesichtsfeldmessung habe ein irreguläres Restgesichtsfeld von weniger als 5° links und von bis 5° rechts ergeben. Der Beklagte zog darüber hinaus ein Pflegegutachten des MDK Nordrhein aus März 2012 bei, das die Voraussetzungen der Pflegestufe I feststellte. In dem Gutachten wurde ferner ausgeführt, der Kläger könne nicht mehr lesen, fernsehen sei aber möglich. Auch könne sich der Kläger in der vertrauten Umgebung fortbewegen. Im Folgenden wurde bei dem Kläger die Pflegestufe II nach Maßgabe der bis zum 31.12.2016 geltenden Voraussetzungen anerkannt.

Nach Einholung weiterer Berichte und Auswertung durch den ärztlichen Dienst beauftragte die Beklagte den Facharzt für Augenheilkunde Prof. Dr. C mit der Erstellung eines Gutachtens. In seinem nach ambulanter Untersuchung des Klägers erstatten Gutachten vom 02.08.2012 führte Prof. Dr. C u.a. aus, der Kläger gebe zwar eine sehr schlechte Sehschärfe und ein sehr schlechtes Gesichtsfeld an. Hierfür finde sich aber kein morphologischer Befund, der dies erklären könnte. Die Feststellung eines GdB für die Sehbehinderung komme damit nicht in Betracht.

Gestützt auf diese Beurteilung lehnte die Beklagte den Antrag ab (Bescheid vom 22.08.2012). Den hiergegen erhobenen, nicht näher begründeten Widerspruch wies die Bezirksregierung Münster zurück (Widerspruchsbescheid vom 26.02.2013).

Mit seiner am 19.03.2013 bei dem SG Aachen erhobenen Klage hat sich der Kläger im Wesentlichen auf sein Vorbringen im Verwaltungsverfahren gestützt und daran festgehalten, dass ihm aufgrund einer massiven Sehminderung sowie ganz erheblicher Gesichtsfeldeinschränkung das Merkzeichen Bl zuzuerkennen sei. Darüber hinaus hat er unter Vorlage eines Attestes des ihn behandelnden Hausarztes G geltend gemacht, dass bei ihm - dem Kläger - ein chronisch degeneratives Wirbelsäulensyndrom, eine multifaktorielle Gangstörung, ein Intentionstremor beider Hände unklarer Genese, eine affektlabile Persönlichkeitsstörung, ein hyperglykämisch entgleister Diabetes mellitus Typ II, eine Adipositas per magna, eine Harninkontinenz und ein Visusverlust des linken Auges vorliege. Seit Oktober 2015 sei die Diabetestherapie um eine Insulintherapie erweitert worden. Die insgesamt daraus resultierenden Teilhabeeinschränkungen rechtfertigten das Klagebegehren.

Der Kläger hat beantragt,

den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 22.08.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26.02.2013 zu verurteilen, bei ihm ab Antragstellung einen GdB von 100 festzustellen sowie das Vorliegen der gesundheitlichen Voraussetzungen für die Inanspruchnahme der Merkzeichen G, aG, B, RF und Bl.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Unter Übermittlung weiterer versorgungsärztlicher Stellungnahmen hat sie sich auf den angefochtenen Bescheid gestützt.

Das SG hat zunächst Befundberichte des Allgemeinmediziners Dr. C1, der Augenärztin Dr. N, des Internisten Dr. S, und des Diabetologen Dr. E eingeholt. Letzterer hat mitgeteilt, der Kläger habe sich äußerst incomplient verhalten. Eine...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge