Entscheidungsstichwort (Thema)

Anspruch des Schwerbehinderten auf Zuerkennung der Merkzeichen G bzw. B

 

Orientierungssatz

1. Aus einem Teil-GdB von 30 für ein Wirbelsäulenleiden einschließlich einer Funktionseinschränkung der unteren Extremitäten, einem solchen von 20 für eine psychische Erkrankung, einem Teil-GdB von 40 für einen Diabetes mellitus und einem GdB von 20 für eine Herzerkrankung ist ein Gesamt-GdB von 60 zu bilden.

2. Die Zuerkennung des Merkzeichens G - erhebliche Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr -kommt dann in Betracht, wenn Beeinträchtigungen, die sich auf die Gehwerkzeuge auswirken, mindestens einen GdB von 50, in Ausnahmefällen auch von 40 bedingen.

3. Das Merkzeichen B -Notwendigkeit ständiger Begleitung - ist schwerbehinderten Menschen zuzuerkennen, bei denen die Voraussetzungen für die Merkzeichen G oder H vorliegen, wenn sie bei der Benutzung von öffentlichen Verkehrsmitteln regelmäßig auf fremde Hilfe angewiesen sind.

 

Nachgehend

BSG (Beschluss vom 15.11.2021; Aktenzeichen B 9 SB 50/21 B)

 

Tenor

Der Beklagte wird unter Abänderung des Bescheides vom 22.08.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26.02.2013 verurteilt, bei dem Kläger in der Zeit ab dem 01.10.2015 einen GdB von 60 sowie das Vorliegen der gesundheitlichen Voraussetzungen für die Inanspruchnahme der Merkzeichen G und B festzustellen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Kosten sind nicht zu erstatten.

 

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist die Höhe des Grades der Behinderung (GdB) sowie das Vorliegen der gesundheitlichen Voraussetzungen für die Inanspruchnahme der Merkzeichen G, aG, B, RF und Bl streitig.

Bei dem am 00.00.000 geborenen Kläger stellte der Beklagte mit Bescheid vom 20.09.2011 aufgrund einer Sehbehinderung (Einzel-GdB 30), einer Zuckerkrankheit (Einzel-GdB 20), einer Funktionsstörungen des Herzens (Einzel-GdB 20), einer Funktionsstörung der Wirbelsäule (Einzel-GdB 10) sowie einer seelischen Störung (Einzel-GdB 10) einen GdB von 40 fest.

Am 03.05.2012 stellte der Kläger einen Änderungsantrag. Hierbei gab er an, er leide unter schweren Herzproblemen, Knochenproblemen, Rückenproblemen, Gehproblemen, Bluthochdruck und Diabetes mellitus. Er wiege 160 kg. Aufgrund einer schweren Sehstörungen und Augenproblemen könne er nicht mehr alleine gehen. Des Weiteren bestünden schwere Probleme im neurologischen und urologischen Bereich. In Kürze stehe eine Operation an. Er beantragte die Zuerkennung der Merkzeichen G, aG, B, RF und Bl. Hinsichtlich der Behandlung des Diabetes gab der Kläger an, er behandelte diesen diätisch sowie mit Tabletten und Spritzen. Er nehme Actos® 45 (Wirkstoff Pioglitazon), Verapamil 240, Glimepirid, Metformin und ASS 100 ein. In Kürze werde er auch dreimal täglich Insulin spritzen.

Der Beklagte holte einen Befundbericht der Augenärztin Dr. N. ein. Diese stellte einen Visus mit Brille rechts mit 0,05 und links mit 0,05 fest, die Papille sei gekippt und es fänden sich myopische Dehnungen am Augenhintergrund. Die Gesichtsfeldmessung habe ein irreguläres Restgesichtsfeld von weniger als 5° links und von bis 5° rechts ergeben. Der Beklagte holte darüber hinaus ein Pflegegutachten des MDK Nordrhein aus März 2012 ein. Dort wurde beim Kläger eine Pflegestufe I festgestellt. Unter anderem wurde darin ausgeführt, der Kläger könne nicht mehr lesen, Fernsehen schauen sei aber möglich. Auch könne sich der Kläger in der vertrauten Umgebung fortbewegen. Für die Körperpflege wurden 71 Minuten pro Tag, für die Ernährung 22 Minuten pro Tag und für die Mobilität 13 Minuten pro Tag ermittelt.

Des Weiteren holte der Beklagte einen Befundbericht des Neurologen und Psychiaters Dr. C., des Urologen Dr. X. und des Internisten Dr. S. ein und wertete diese durch seinen ärztlichen Dienst aus. Schließlich beauftragte der Beklagte Prof. Dr. C. mit der Erstellung eines augenärztlichen Gutachtens, welches dieser am 02.08.2012 erstattete. Prof. Dr. C. kam hierbei zu der Einschätzung, der Kläger gebe zwar eine sehr schlechte Sehschärfe und ein sehr schlechtes Gesichtsfeld an. Hierfür finde sich aber kein morphologischer Befund, der dies erklären könnte. Die Feststellung eines GdB für die Sehbehinderung komme damit nicht in Betracht.

Mit Bescheid vom 22.08.2012 lehnte der Beklagte die Feststellung eines höheren GdB sowie des Vorliegens der gesundheitlichen Voraussetzungen für Inanspruch-nahme der Merkzeichen G, aG, B, RF und Bl ab.

Hiergegen legte der Kläger am 13.09.2012 Widerspruch ein, den er indes nicht näher begründete. Mit Widerspruchsbescheid vom 26.02.2013 wies die Bezirksregierung N. den Widerspruch als unbegründet zurück.

Am 19.03.2013 hat der Kläger, vertreten durch seinen Prozessbevollmächtigten, Klage vor dem erkennenden Gericht erhoben. Das Gericht hat Befundberichte des Internisten Dr. C., der Augenärztin Dr. N., des Internisten Dr. S., und des Diabetologen Dr. E. eingeholt. Letzterer gab an, der Kläger habe sich äußerst incomplient verhalten. Eine sachgerechte diabetischen Diagnostik und Thera...

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