Entscheidungsstichwort (Thema)

Voraussetzungen der Zuerkennung der Merkzeichen "G" und "B" im Schwerbehindertenrecht

 

Orientierungssatz

1. Anspruch auf Zuerkennung des Merkzeichens G hat nach § 229 Abs. 1 SGB 9 derjenige Schwerbehinderte, der infolge einer Einschränkung des Gehvermögens, auch durch innere Leiden oder infolge von Anfällen oder von Störungen der Orientierungsfähigkeit nicht ohne erhebliche Schwierigkeiten oder nicht ohne Gefahren für sich oder andere Wegstrecken im Ortsverkehr zurückzulegen vermag, die üblicherweise noch zu Fuß zurückgelegt werden.

2. Als ortsübliche Wegstrecke gilt eine solche von ca. zwei Kilometern, die in etwa einer halben Stunde zurückgelegt wird.

3. Der Tatbestand für die Zuerkennung des Merkzeichens B - Notwendigkeit einer Begleitperson - knüpft an die Nachteilsausgleiche G, Gl und H an. Benötigt der Schwerbehinderte regelmäßig Hilfe bei der Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel, so ist ihm das Merkzeichen B gemäß § 228 Abs. 1 SGB 9 zuzuerkennen.

 

Tenor

Der Bescheid vom 27.02.2018 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29.06.2018 wird insoweit aufgehoben, als durch ihn die Feststellung der gesund-heitlichen Merkmale für die Zuerkennung der Merkzeichen G, B und H aufgehoben wurden. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen. Der Beklagte trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Klägers dem Grunde nach zu 6/7.

 

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist die Herabsetzung des Grades der Behinderung (GdB) von 70 auf 60 sowie der Entzug der Merkzeichen G, B und H streitig.

Mit Bescheid vom 16.02.2006 stellte das Versorgungsamt Aachen bei dem am 00.00-1999 geborenen Kläger aufgrund einer allgemeinen Entwicklungsstörung einen GdB von 70 sowie das vorliegende gesundheitliche Voraussetzungen für die Merkzeichen G und B fest. Nach Stellung eines Änderungsantrags stellte der Beklagte sodann am 14.05.2008 unter teilweise Aufhebung dieses Bescheides beim Kläger einen GdB von 80 sowie zu-sätzlich das Vorliegen der gesundheitlichen Voraussetzungen für das Merkzeichen H fest. Mit Bescheid vom 17.04.2014 hob der Beklagte den Bescheid vom 14.05.2018 teilweise auf und stellte beim Kläger nunmehr einen GdB von 60 fest und entzog die bislang zuer-kannten Merkzeichen G und B. Im Rahmen des hiergegen durchgeführten Verfahrens vor dem Sozialgericht Aachen (S 3 SB 984/14) schlossen die Beteiligten, nach Einholung ei-nes kinder- und jugendpsychiatrischen Gutachtens des Dr. N. einen Vergleich dahinge-hend, dass der GdB mit 70 - bei weiterer Feststellung des Vorliegens der gesundheitli-chem Voraussetzungen für die Inanspruchnahme der Merkzeichen G und B - festzustellen sei. Unter dem 03.09.2015 erließ der Beklagte einen entsprechenden Ausführungsbe-scheid. Im Juli 2017 leitete der Beklagte ein Nachprüfungsverfahren ein und holte in die-sem Zusammenhang Befundberichte des den Kläger seinerzeit behandelnden Kinder und Jugendpsychiaters N. ein. Diese wertete der ärztliche Dienst des Beklagten aus. Am 28.12.2017 hörte der Beklagte den Kläger im Hinblick auf eine geplante Absenkung des GdB sowie den Entzug der Merkzeichen G, B und H an. Der Kläger, vertreten durch seine Mutter, nahm hierzu Stellung.

Mit Bescheid vom 27.02.2018 hob der Beklagte den Bescheid vom 03.09.2015 auf und stellte beim Kläger einen GdB von 60 fest. Darüber hinaus stellte fest, dass die gesund-heitlichen Voraussetzungen für die Merkzeichen G, B und H beim Kläger nicht mehr vor-liegen. Hiergegen legte der Kläger, vertreten durch seinen Prozessbevollmächtigten, am 15.03.2018 Widerspruch ein, den er unter Bezugnahme auf entsprechende Stellungnah-men des W.-I. sowie des Herrn N. näher begründete. Die Bezirksregierung Münster kam zu der Einschätzung, der angefochtene Bescheid habe bezüglich des Merkzeichens H keine wirksame Regelung treffen können, da dieses nicht mit Bescheid vom 03.09.2015 sondern mit Bescheid vom 14.05.2018 wirksam festgestellt worden sei. Mit Widerspruchs-bescheid vom 29.06.2018 wies die Bezirksregierung Münster den Widerspruch des Klä-gers als unbegründet zurück.

Am 27.07.2018 hat der Kläger, vertreten durch seinen Prozessbevollmächtigten, Klage erhoben. Das Gericht hat Beweis erhoben durch Einholung von Befundberichten des Hausarztes H., der Augenärztin Dr. C. sowie der behandelnden Kinder und Jugendpsychi-aterin Dr. Dr. N. und hat darüber hinaus ein neurologisch psychiatrisches Gutachten von Frau Dr. T. eingeholt, welches diese - nach entsprechender Untersuchung des Klägers - gegenüber dem Gericht erstattet hat. Zu diesem Gutachten hat der Kläger, vertreten durch seine Mutter erneut Stellung genommen. Diese Stellungnahme ist sodann der Gut-achterin zugeleitet worden, die auch unter Berücksichtigung der Darstellungen bei ihren Feststellungen und Bewertungen geblieben ist.

Am 21.07.2020 hat sodann ein Termin zur mündlichen Verhandlung stattgefunden. Im Rahmen dieses Termins hat der Kläger und die ihm vertretene Mutter die Gelegenheit wahrgenommen, die beim Kläger bestehenden Defizite auch persönlich gegenüber dem Gericht...

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