Entscheidungsstichwort (Thema)
Schwerbehindertenrecht: Voraussetzung einer Zuerkennung der Merkzeichen G und B bei Einschränkungen der Bewegungs- und Gehfähigkeit. teilweiser Gesichtsfeldausfall als ausreichender Zuerkennungsgrund
Orientierungssatz
1. Allein ein halbseitiger Gesichtsfeldausfall (hier: homonyme Hemianopsie) führt noch nicht zu einer solchen Orientierungslosigkeit bei der Bewegung im öffentlichen Raum, dass die Zuerkennung der Merkzeichen G (erhebliche Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit) bei einer festgestellten Schwerbehinderung erfolgen kann.
2. Die Zuerkennung des Merkzeichens B zur Mitnahme einer Begleitperson bei einer Bewegungseinschränkung infolge einer krankheitsbedingten Behinderung kommt nur in Betracht, wenn aufgrund der Schwerbehinderung auch ein Merkzeichen G, Gl oder H zuerkannt wurde.
3. Einzelfall zur Zuerkennung der Merkzeichen G und B bei Bewegungseinschränkungen aufgrund einer Schwerbehinderung (hier: Zuerkennung abgelehnt).
Tenor
Die Klage wird abgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand
Zwischen den Beteiligen ist das Vorliegen der gesundheitlichen Voraussetzungen für die Inanspruchnahme der Merkzeichen G und B streitig.
Mit Bescheid vom 26.09.2016 stellte der Beklagte bei dem am 00.00.0000 geborenen Klä-ger aufgrund bestehender Hirndurchblutungsstörungen und Funktionsstörungen von Herz- und Kreislauf einen Grad der Behinderung (GdB) von 50 fest. Die ebenfalls begehrte Feststellung der Merkzeichen G, B, H und RF wurde abgelehnt. Das hiergegen durchge-führte Klageverfahren S 18 SB 1104/16, in welchem u.a. ein Gutachten von Dr. Q. einge-holt worden war, endete durch Klagerücknahme am 08.08.2017.
Am gleichen Tag stellte der Kläger erneut einen Antrag auf Feststellung der Merkzeichen G und B. Der Beklagte holte daraufhin Befundberichte des Internisten Dr. U. und des Au-genarztes Dr. I. ein und wertete diese durch seinen ärztlichen Dienst aus. Dieser kam zu der Einschätzung der GdB sei weiter mit 50 zutreffend bewertet und die Voraussetzungen für die Inanspruchnahme der begehrten Merkzeichen seien nicht gegeben.
Mit Bescheid vom 15.02.2018 lehnte der Beklagte den Antrag des Klägers ab. Hiergegen legte er am 07.03.2018 Widerspruch ein und verwies unter anderem darauf, dass bei ihm mittlerweile der Pflegegrad 2 festgestellt worden sei. Das entsprechende Pflegegutachten fügte er bei. Nach dessen Auswertung blieb der ärztliche Dienst des Beklagten bei der Einschätzung, dass die Voraussetzungen für die Inanspruchnahme der begehrten Merk-zeichen nicht gegeben seien. Die Bezirksregierung Münster wies den Widerspruch darauf-hin mit Widerspruchsbescheid vom 16.07.2018 als unbegründet zurück.
Am 03.08.2018 hat der Kläger, vertreten durch seinen Prozessbevollmächtigten, Klage erhoben.
Das Gericht hat Beweis erhoben durch Einholung von Befundberichten des behandelnden Ophthalmologen Dr I. und des Internisten Dr. U. sowie eines augenärztlichen Gutachtens des Prof. Dr. X. und eines internistisch-arbeitsmedizinischen Gutachtens des Dr. Q. Die Beteiligten haben zu den Gutachten schriftsätzlich Stellung genommen.
Im Rahmen der mündlichen Verhandlung vom 15.10.2019 hat der Kläger, vertreten durch seinen Prozessbevollmächtigten, beantragt, den Beklagten unter Abänderung des Bescheides vom 15.02.2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16.07.2018 zu verurteilen, bei ihm die gesundheitlichen Voraussetzungen zur Zuerkennung des Merkzeichens G und B festzustellen. Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte sowie die beigezogene Verfahrensakte S 18 SB 1104/16 und die Verwaltungsakte des Be-klagten, deren wesentlicher Inhalt Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage ist unbegründet. Der Kläger ist durch die angefochtenen Bescheide im Sinne des § 54 Abs. 2 SGG nicht beschwert, da diese rechtmäßig sind. Er hat weder ei-nen Anspruch auf Feststellung des Vorliegens der gesundheitlichen Voraussetzungen für die Inanspruchnahme des Merkzeichens G (dazu unten I.) noch des Merkzeichens B (da-zu unten II.).
I. Nach § 2 Abs. 1 Satz 1 des Neunten Buches des Sozialgesetzbuches – Rehabilitation und Teilhabe von Menschen mit Behinderungen – (SGB IX) in der Fassung des Gesetzes zur Stärkung der Teilhabe und Selbstbestimmung von Menschen mit Behinderungen (Bundes-teilhabegesetz – BTHG) vom 23.12.2016 (BGBl. I S. 3234) sind Menschen mit Behinde-rungen solche, die körperliche, seelische, geistige oder Sinnesbeeinträchtigungen haben, die sie in Wechselwirkung mit einstellungs- und umweltbedingten Barrieren an der gleich-berechtigten Teilhabe an der Gesellschaft mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate hindern können. Eine Beeinträchtigung in diesem Sinne liegt dabei dann vor, wenn der Körper- und Gesundheitszustand von dem für das Lebensalter typischen Zustand ab-weicht, § 2 Abs. 1 Satz 2 SGB IX.
Gemäß § 152 Abs. 4 SGB IX stellen die zuständige...