Entscheidungsstichwort (Thema)
Anerkennung eines Wegeunfalls als Arbeitsunfall
Orientierungssatz
1. Zu den versicherten Tätigkeiten zählt nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 SGB 7 das Zurücklegen des mit der versicherten Tätigkeit zusammenhängenden unmittelbaren Weges nach und von dem Ort der Tätigkeit. Die konkrete Verrichtung zur Zeit des Unfallereignisses muss in sachlichem Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit des Beschäftigten stehen.
2. Befindet sich der Betroffene vor Antritt der Rückreise zu seinem Wohnort auf einem unversicherten privaten Familienbesuch, so besteht ausnahmsweise Versicherungsschutz dann, wenn er plötzlich wegen dringender betrieblicher Angelegenheiten sofort zur Arbeitsstätte beordert wird. Dafür obliegt dem Versicherten die Beweislast (Anschluss BSG Urteil vom 23. 10. 1979, 2 RU 6/69).
3. Der erforderliche innere Zusammenhang zur Anerkennung eines Wegeunfalls als Arbeitsunfall liegt nur dann vor, wenn die Handlungstendenz des Versicherten beim Zurücklegen des Weges darauf gerichtet ist, eine dem Beschäftigungsunternehmen dienende Verrichtung auszuüben.
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 20.09.2011 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Streitig ist die Anerkennung und Entschädigung eines Verkehrsunfalls als Arbeitsunfall (Wegeunfall); umstritten ist insbesondere, ob der Kläger bei dem Verkehrsunfall unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung stand.
Der 1961 geborene Kläger, der bei der Firma I beschäftigt war, teilte der Beklagten (Berufsgenossenschaft - BG - der chemischen Industrie, seit der Fusionierung mit anderen Berufsgenossenschaften zum 01.01.2010 BG Rohstoffe und chemische Industrie - BG RCI -) mit Schreiben vom 29.11.2002 mit, er sei als Beschäftigter der Firma I am 10.02.1997 in einen Verkehrsunfall verwickelt worden und habe mit den Spätfolgen dieses Unfalls zu kämpfen. Die Fahrt habe er antreten müssen, obwohl er Erholungsurlaub beantragt und genehmigt bekommen habe, weil durch seinen damaligen Vorgesetzten ein früheres Erscheinen am Arbeitsplatz dienstlich angeordnet worden sei. Aus nicht mehr nachvollziehbaren Gründen sei der Unfall der BG damals nicht gemeldet worden.
Im Dezember 2002 gab er unter Vorlage einer Wegeskizze an, er habe vorgehabt, von seinem Aufenthalts- und Urlaubsort in N an der Sieg über die A4 und die A59 nach E zu fahren, zunächst seine Familie zur Wohnung in E zu bringen und anschließend die Firma I in E aufzusuchen. Dazu sei es wegen des Unfalls, der sich gegen 17:20 Uhr auf der A4 ereignet habe, nicht mehr gekommen. Zur Stützung seines Vorbringens reichte der Kläger eine von ihm vorbereitete und von I C, ehemaliger Ressortleiter für "Technische Markenartikel" der Firma I, unterschriebene Erklärung vom 10.12.2002 ein. Hierin teilte dieser Folgendes mit: "Nach einer großen Akquisition (M) entschied ich kurzfristig eine Konferenz einzuberufen mit dem Ziel eine schnelle Integration der neuen Geschäftsfelder zu forcieren. Diese Konferenz (terminiert 13. - 15. Februar 1997) sollte von einigen meiner damaligen Mitarbeiter, worunter auch Herr X T, mit vorbereitet werden und diese Herren sollten mich auch bei der Durchführung der Konferenz assistieren. Am 11.2.1997 erfuhr ich aber dass Herr T einen Verkehrsunfall erlitten hatte und im Krankenhaus behandelt werden musste. Seine Aufgaben wurden daraufhin vorübergehend von anderen Mitarbeitern übernommen." Außerdem legte der Kläger eine ebenfalls von ihm selbst für I C vorbereitete Erklärung vom 06.12.2002 vor, die von diesem jedoch nicht unterschrieben worden war, nach Angaben des Klägers, weil Herr C sich insoweit nicht mehr habe erinnern können. Zusätzlich zu den Ausführungen in der am 10.12.2002 unterschriebenen Erklärung enthielt diese Erklärung noch folgende Ausführungen: "Deshalb ordnete ich an, dass Herr T seinen für Dienstag den 11.02.1997 geplanten und bereits genehmigten Urlaub verschiebt. Herr T als flexibler und engagierter Mitarbeiter willigte ein und fuhr deshalb von einem auswärtigen Familienbesuch schon Montag den 10.02.1997 nachmittags zurück, mit der Zielsetzung, direkt am Arbeitsplatz zu erscheinen, nachdem er seine Frau und seine Tochter zu Hause abgeliefert hatte Mit diesem Schreiben möchte ich ausdrücklich die Notwendigkeit der damaligen Fahrt im Interesse der I KGaA bestätigen ".
Auf Nachfragen der Beklagten äußerte Herr L, Mitarbeiter der Firma I von der Abteilung Arbeitsschutz, mit Schreiben vom 10.02.2003, er habe mit dem von dem Kläger angegebenen damaligen Vorgesetzten Dr. F O Rücksprache genommen. Dieser habe mitgeteilt, dass er sich nicht mehr an den genauen Vorgang bezüglich der Urlaubsplanung erinnern könne, da die ganze Angelegenheit inzwischen sechs Jahre zurückliege. Falls es jedoch so gewesen sein sollte, wie vom Kläger angegeben, sei er sich ziemlich sicher, dass mit dem Kläger bereits vor dessen Urlaubsantritt über eine vorz...