Entscheidungsstichwort (Thema)

Pflegeversicherung. schwankender, nur gelegentlich anfallender Hilfebedarf. Hilfebedarf eines Jahres. keine Addition und Verteilung auf Zeiträume

 

Orientierungssatz

Ein schwankender, nur gelegentlich anfallender Hilfebedarf löst keine Leistungen der Pflegeversicherung aus. Deshalb darf der Hilfebedarf, der innerhalb eines Jahres anfällt, auch nicht addiert und auf Zeiträume verteilt werden, in denen objektiv kein erheblicher Pflegebedarf vorgelegen hat (Anschluss an BSG vom 14.12.2000 - B 3 P 5/00 R = SozR 3-3300 § 15 Nr 11).

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten darüber, ob die Beklagte der Klägerin die Kosten der häuslichen Pflege nach Pflegestufe I nach dem 11. Buch Sozialgesetzbuch (SGB XI) - Soziale Pflegeversicherung - im Zeitraum vom 01. Februar 1998 bis zum 30. September 2000 erstatten muss.

Die im August 1929 geborene Klägerin steht seit 1994 unter Betreuung und leidet unter einer schizoaffektiven Psychose mit bipolarem Verlauf, an einer beginnenden senilen Demenz, an einem Zustand nach Kniegelenksimplantation und Oberschenkelbruch links, an Fuß- und Zehenheberschwäche links sowie an intermittierender Harninkontinenz. Bis Dezember 1999 wohnte sie allein im 3. OG eines Mehrfamilienhauses. Anschließend zog sie in eine altengerechte Wohnung um. Seit April 2002 ist sie in einem Pflegeheim vollstationär untergebracht, bezog zunächst Leistungen der Pflegestufe I (Bescheid vom 04. Juli 2002) und erhält derzeit Leistungen der Pflegestufe II. Vom Versorgungsamt sind ein Grad der Behinderung von 100 und das Merkzeichen G anerkannt.

Nachdem sich die Klägerin im November 1997 einen Oberschenkelbruch zugezogen hatte und deshalb stationär behandelt werden musste, beantragte sie am 12. Februar 1998 Leistungen der häuslichen Pflege nach dem SGB XI. Die Beklagte ließ sie daraufhin am 05. März 1998 durch den MdK-Arzt Dr. B in häuslicher Umgebung untersuchen. Dieser stellte in seinem Gutachten vom 18. März 1998 einen täglichen Hilfebedarf beim Rücken- und Füßewaschen von 5 Minuten und beim Duschen/Baden von 3 Minuten fest.

Dem widersprach die Betreuerin der Klägerin und gab an, sie stürze häufig, lehne Hilfestellungen aufgrund fehlender Krankheitseinsicht generell ab und vernachlässige ihre Wohnung "bis hin zur Vermüllung mit Ungezieferbefall". Außerdem legte sie einen "Feststellungsbogen" der Abteilung für Psychologische Medizin im Ev. Krankenhaus L vom 27. Oktober 1998 vor, wonach die Klägerin Hilfe bei der Medikamenteneinnahme, beim Treppensteigen sowie beim Verlassen/Wiederaufsuchen der Wohnung benötige. Der Besuch einer Seniorentagesstätte sei empfehlenswert.

Die Beklagte zog daraufhin ein weiteres Gutachten des MdK- Arztes Dr. B bei, der die Klägerin am 18. November 1998 erneut in häuslicher Umgebung untersuchte. Den täglichen Hilfebedarf im Grundpflegebereich bezifferte er auf unverändert 8 Minuten.

Hierauf gestützt lehnte die Beklagte Leistungen der häuslichen Pflege mit Bescheid vom 14. Dezember 1998 ab. Dagegen legte die Klägerin am 28. Dezember 1998 Widerspruch ein und führte zur Begründung aus, sie werde häufig ohnmächtig, könne ohne Gehhilfen keine längeren Wegstrecken bewältigen und nässe oftmals ein. Sie benötige Hilfe beim Waschen, Aufstehen und Zu-Bett-Gehen sowie beim Ein- und Aussteigen in Dusche oder Badewanne. Außerdem könne sie nicht alle Kleidungsstücke selbständig an- und ausziehen. Zu allen Verrichtungen müsse sie aufgefordert und begleitet werden.

Im Widerspruchsverfahren ließ die Beklagte die Klägerin am 23. Februar 1999 durch die MdK-Pflegefachkraft von Essen in häuslicher Umgebung begutachten: Aufgrund einer Antriebsschwäche und eines nachlassenden Hygienebewusstseins müsse sie bei der Ganzkörperwäsche 12 Minuten, beim Duschen 3 Minuten sowie beim An- und Auskleiden 10 Minuten täglich angeleitet werden. Beim Frühstück seien für das Broteschmieren und -portionieren zusätzlich 6 Minuten und für den Badewannentransfer 1 Minute zu veranschlagen. Innerhalb der Wohnung sei die Klägerin ausreichend mobil, Hilfen beim Aufstehen und Zu-Bett-Gehen seien nicht erforderlich. Insgesamt betrage ihr täglicher Hilfebedarf im Grundpflegebereich 32 Minuten.

Unter Bezugnahme auf dieses Gutachten lehnte die Beklagte die Gewährung von Pflegeleistungen durch Bescheid vom 22. April 1999 ab, gegen den die Klägerin am 28. Mai 1999 Widerspruch erhob.

Mit Widerspruchsbescheid vom 21. Oktober 1999, der am 25. Oktober 1999 zur Post gegeben worden ist, wies die Beklagte die Widersprüche als unbegründet zurück, weil der zeitliche Aufwand im Grundpflegebereich die Zeitgrenze von 45 Minuten bei weitem unterschreite.

Dagegen hat die Klägerin am 24. November 1999 Klage vor dem Sozialgericht (SG) Dortmund erhoben und ein Pflegetagebuch überreicht, wonach ihr täglicher Gesamtpflegeaufwand im Zeitraum von Februar 1998 bis September 2000 in den Bereichen der Körperpflege 53,5 Minuten, der Ernährung 10 Minuten und der Mobilität 40,5 Minuten betragen habe. Danach sei bis März 2002 aufgrund einer Besserun...

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