Entscheidungsstichwort (Thema)

Zulassung. Vertragsarzt. Nichteignung. gröbliche Pflichtverletzung

 

Orientierungssatz

Die Eignung als Vertragsarzt liegt in der Regel dann nicht vor, wenn wegen einer gröblichen Pflichtenverletzung (hier: unsachliche und überzogene Angriffe gegen Vertragsarztsystem) das Vertrauensverhältnis zur Kassenärztlichen Vereinigung und zu den Krankenkassen so schwer gestört ist, daß diesen eine (weitere) Zusammenarbeit mit dem (Vertrags-)Arzt nicht zugemutet werden kann (vgl ua BSG vom 30.3.1977 - 6 RKa 4/76 = SozR 2200 § 368a Nr 3) und im Fall einer Zulassung die Funktionsfähigkeit des vertragsärztlichen Systems gefährdet wäre (vgl BSG vom 8.7.1981 - 6 RKa 17/80 = USK 81172 und BSG vom 15.9.1977 - 6 RKa 8/77 = SozR 2200 § 368n Nr 12).

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten darüber, ob der Kläger als Vertragsarzt zuzulassen ist.

Der 1943 in Budapest geborene Kläger, seit 1979 deutscher Staatsangehörigkeit, war 1982 als Arzt für Frauenheilkunde und Geburtshilfe in B und anschließend bis zum 31.03.1984 als praktischer Arzt in M zur kassenärztlichen Versorgung zugelassen. Ab 01.07.1984 war er Funktionsoberarzt auf der geburts-gynäkologischen Abteilung des -Krankenhauses, zunächst in Volltagsbeschäftigung und ab dem 01.01.1987 bis zum 22.02.1991 in Halbtagsbeschäftigung.

Seit 14.11.1983 ist der Kläger- alleiniger Gesellschafter der Fa. T GmbH, die die Einrichtungen "Serobac-Institut für Onkologie, "Serobac-Institut für Laboratoriumsdiagnostik", "Patent- und Lizenzverwertung" sowie "Verwaltung/Vertrieb" unterhält. Dem Zulassungsausschuß hat der Kläger angegeben, als Arzt am "Serobac-Institut für Onkologie" sowie in den Bereichen "Patent- und Lizenzverwertung" und "Verwaltung/Vertrieb/Arzneimittelgroßhandel" tätig zu sein.

Der Kläger hat Mitte der achtziger Jahre eine Immuntherapiekonzept aus der Kombination eines Mistelpräparats mit dem zugelassenen Medikament "Timunox" entwickelt. Er schreibt dem einen besonderen therapeutischen Erfolg bei der Behandlung von Krebserkrankungen zu. Der Kläger entschloß sich, das Kombinationspräparat gemeinsam mit dem Apotheker B ohne vorherige Zulassung auf den Markt zu bringen. Hierzu vereinbarten beide, daß der Apotheker die zunächst als "Onkolyt-2" bzw. bei Verwendung des Präparats "Proleukin" als "Onkolyt-3" bezeichnete Medikamentenkombination jeweils nach Vorlage einer ärztlichen Verordnung oder anfänglich in geringen Stückzahlen auf Vorrat in seiner Apotheke herstellen sollte. Der Kläger bezog zu diesem Zweck als alleinvertretungsberechtigter Gesellschafter der Firma T R GmbH im September 1990 von der Fa. M 3000 Ampullen des seinerzeit noch zugelassenen Mistelpräparats "Plenosol II" zum Preis von 1,74 DM (netto) je Ampulle. Nach Entfernung der Beipackzettel und der Ampullenetiketten wurde dieses Präparat zusammen mit dem von der Fa. C bezogenen Medikament "Timunox" an den Apotheker ausgeliefert und von der Firma T GmbH zum Nettopreis von zunächst 83,89 DM und später von 122,80 DM/Ampulle in Rechnung gestellt. Der Apotheker versah diese Ampullen nunmehr mit der Aufschrift "mitogener Induktor 150348", packte jeweils zwei von ihnen zusammen mit drei Ampullen "Timunox" in eine mit "Onkolyt-2" bzw. "Onkolyt-3" beschriftete Schachtel und gab diese von März 1991 bis Oktober 1992 nach entsprechender ärztlicher Verordnung an Patienten bzw. behandelnde Ärzte ab. Gegenüber den Krankenkassen, denen die Identität von "mitogener Induktor 150348" und "Plenosol II" unbekannt war, berechnete der Apotheker zunächst 181,70 DM und später 265,98 DM/Ampulle.

Das wegen dieses Sachverhalts gegen den Kläger und den Apotheker durchgeführte Strafverfahren führte zunächst zu einer Verurteilung durch das erweiterte Schöffengericht Solingen wegen gemeinschaftlichen Betruges in neun Fällen. Auf die Berufung der Angeklagten hat das Landgericht Wuppertal das erstinstanzliche Urteil am 31.10.1995 aufgehoben. Ein Verstoß gegen § 96 Nr. 5 AMG liege nicht vor, weil die von den Angeklagten hergestellten Präparate keine Fertigarzneimittel seien; die Strafbarkeit nach § 263 StGB scheitere daran, daß ihnen nicht habe nachgewiesen werden können, einen Verstoß gegen § 2 AMPreisV erkannt oder billigend in Kauf genommen zu haben.

Auf einen vom Kläger im Namen der Fa. T GmbH gestellten Kostenantrag für einen von ihm behandelten Patienten holte die IKK M zwei Gutachten über das mittels "Onkolyt-2" durchgeführte Immuntherapiekonzept ein. Prof. Dr. R, Arzt und Pharmakologe am W Institut für Pharmakologie und Toxikologie in M, beschrieb die Therapie als unsinnig. Prof. Dr. B, Westdeutsches Tumorzentrum der Universitätsklinik E führte in seinem Gutachten vom 12.12.1990 aus, beide Medikamente seien nicht kurativ wirksam. Das werde von den Herstellern auch nicht behauptet. Mithin sei ein Heilerfolg auch in Kombination beider Medikamente nicht zu erwarten. Übereinstimmend wiesen beide Gutachter auf Behandlungsrisiken hin, weil die Nebenwirkungen beider Medikamente zu einer Gefährdung des Patienten und ggf. zu de...

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