Entscheidungsstichwort (Thema)
Die Quotierung der sonstigen Hilfen eines Facharztes für Frauenheilkunde ausschließlich innerhalb der morbiditätsbedingten Gesamtvergütung ist verfassungsgemäß
Orientierungssatz
1. Zur Verhinderung einer übermäßigen Ausdehnung der Tätigkeit des Vertragsarztes sind nach § 87b Abs. 2 S. 1 SGB 5 arzt- und praxisbezogene Regelleistungsvolumina festzulegen. Grundsätzlich besteht kein Anspruch auf eine unbüdgetierte Vergütung außerhalb der morbiditätsbedingten Gesamtvergütung (MGV).
2. Die inzidente Prüfung einer Gesamtvergütungsvereinbarung in einem Rechtstreit über den Honoraranspruch eines Vertragsarztes ist grundsätzlich ausgeschlossen (BSG Urteil vom 27. 4. 2005, B 6 KA 23/04 R9.
3. Ist für sonstige Hilfen eines Facharztes für Frauenheilkunde keine Vergütung außerhalb des MGV vereinbart worden, so führt dies nicht dazu, dass sie nicht innerhalb der MGV mit der Folge von Quotierungen zu vergüten wären (BSG Urteil vom 19. 8. 2015, B 6 KA 34/14 R).
4. Dass sonstige Hilfen budgetiert innerhalb der MGV vergütet werden, verletzt nicht den Grundsatz der Angemessenheit der vertragsärztlichen Vergütung. Ein subjektives Recht auf höheres Honorar des Vertragsarztes aus § 72 Abs. 2 SGB 5 i. V. m. Art. 12 Abs. 1 GG kommt erst dann in Betracht, wenn in dem maßgeblichen Bereich die Funktionsfähigkeit der vertragsärztlichen Versorgung gefährdet ist.
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 25.05.2016 wird zurückgewiesen. Die Klägerin trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit der Honorarfestsetzung für die Abrechnungsquartale I/2009 und II/2009 sowie IV/2009 bis I/2010.
Die Klägerin ist als Fachärztin für Frauenheilkunde und Geburtshilfe in L niedergelassen und zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen. Sie beschäftigt eine angestellte Gynäkologin.
Die Vergütung der "Sonstigen Hilfen" der Abschnitte 1.7.5 (Empfängnisregelung), 1.7.6 (Sterilisation) und 1.7.7 (Schwangerschaftsabbruch) des Einheitlichen Bewertungsmaßstabs für Ärzte (EBM) erfolgte nur im Quartal III/2009 als dem Regelleistungsvolumen (RLV) unterliegende Leistungen.
Über die Zuweisung des RLV für die Quartale I/2009 und II/2009 entschied die Beklagte mit Korrekturbescheid vom 09.08.2010. Die Zuweisung des RLV für das Quartal IV/2009 erfolgte mit Bescheid vom 28.08.2009. Dieser Bescheid enthielt einen Hinweis folgenden Wortlauts:
"Sofern Sie gegen die Honorierung Ihrer Leistungen im Quartal IV/2009 vorgehen wollen, genügt ein Widerspruch gegen den Quartalsabrechnungsbescheid für IV/2009. Wir werden diesen Widerspruch auch als Widerspruch gegen die Festsetzung des RLV für IV/2009 verstehen. Eines gesonderten Widerspruchs gegen diesen RLV-Festsetzungsbescheid bedarf es daher nicht."
Für das Quartal I/2010 wies die Beklagte der Klägerin das RLV mit Bescheid vom 14.07.2010 zu. Auf den Inhalt dieser Bescheide wird wegen der Einzelheiten Bezug genommen.
Mit Bescheid vom 28.07.2009 stellte die Beklagte den Honoraranspruch der Klägerin für das Abrechnungsquartal I/2009 fest. Mit weiterem Bescheid vom 27.10.2009 regelte sie einen Honoraranspruch für das Quartal II/2009 in Höhe von 115.072,42 EUR; mit Bescheid vom 27.04.2010 stellte die Beklagte für das Quartal IV/2009 einen Gesamthonoraranspruch in Höhe von 109.304,51 EUR fest. Für das Quartal I/2010 bestimmte sie einen Honoraranspruch in Höhe von 115.096,50 EUR (Bescheid vom 27.07.2010).
Die gegen die Quartalsabrechnungen eingelegten Widersprüche der Klägerin wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 21.09.2011 zurück. Die Zuweisung des RLV entspreche den Beschlüssen des (Erweiterten) Bewertungsausschusses bzw. des Bewertungsausschusses unter Berücksichtigung der §§ 87 ff. Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V). Sie habe die auf Bundesebene getroffenen Vorgaben umgesetzt. Eine Verwerfungskompetenz, die es ihr erlaube, von den Vorgaben abzuweichen, bestehe nicht. Das RLV umfasse nach dem jeweils geltenden Honorarverteilungsvertrag (HVV) auch Leistungen aus den Kapiteln 1.7.5 bis 1.7.7. Auf den Inhalt des Widerspruchsbescheides wird wegen der weiteren Einzelheiten verwiesen.
Gegen die Abrechnungsbescheide für die Quartale I/2009, II/2009, IV/2009 und I/2010 hat die Klägerin am 17.10.2011 Klage zum Sozialgericht (SG) Düsseldorf erhoben. Die von der Beklagten errechneten RLV seien rechtswidrig, weil sie gegen formale Vorgaben des Gesetzgebers verstießen und die Berechnung der Gesamtvergütung fehlerhaft sei. Zudem stünden die angewandten Berechnungsgrundlagen nach den Beschlüssen des (Erweiterten) Bewertungsausschusses und dem jeweils geltenden HVV der Beklagten nicht im Einklang mit den Vorgaben des Gesetzgebers. Daher seien die auf den RLV basierenden Honorarbescheide rechtswidrig. Überdies seien Leistungen der "Sonstigen Hilfen" von der Beklagten nicht in das RLV einzubeziehen oder zu quotieren, woraus sich ebenfalls die Rechtswidrigkeit der Honorarbescheide ...