Entscheidungsstichwort (Thema)
Waisenrentenanspruch eines Behinderten in der gesetzlichen Rentenversicherung über die Vollendung des 27. Lebensjahres hinaus. Beamtenversorgung. Verfassungsmäßigkeit
Orientierungssatz
Die Regelung des § 48 Abs 4 Nr 2 Buchst b SGB 6, wonach in der gesetzlichen Rentenversicherung der Anspruch auf Waisenrente längstens bis zur Vollendung des 27. Lebensjahres besteht, verstößt auch im Hinblick auf weitergehende Regelungen im Beamtenversorgungsrecht (§ 61 Abs 2 S 3 BeamtVG) nicht gegen Art 3 Abs 1 und Art 3 Abs 3 S 2 GG.
Nachgehend
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob dem schwerbehinderten Kläger trotz Vollendung des 27. Lebensjahres Vollwaisenrente zusteht.
Bei dem .... 1967 geborenen Kläger wurde 1986 im Anschluss an einen raptusartigen Suizidversuch eine schizophrene Psychose diagnostiziert. Nach Auffassung des behandelnden Arztes für Psychiatrie F, Fachklinik für Psychiatrie, Psychotherapie und Neurologie St. Rochus-Hospital T (Attest vom 16.05.2000, Bl. 31 Rentenakte), begann die Erkrankung bereits mit 16 Jahren. Aufgrund deren Art und Schwere ist der Kläger weder in der Lage, seinen Lebensunterhalt selbst zu bestreiten noch wesentliche Teile seines Lebens eigenständig zu regeln. Sein Bruder Richard B ist zu seinem Betreuer bestellt. Der Aufgabenkreis umfasst die Gesundheitsfürsorge, die Aufenthaltsbestimmung und die Vermögensfürsorge einschließlich der Wohnungsangelegenheiten. Seit 1996 lebt der Kläger im Wohnbereich des St. Rochus-Hospitals T. Der Grad der Behinderung beträgt 100. Anerkannt ist darüber hinaus das Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen für die Merkzeichen G, H und RF. Dagegen liegt das Merkzeichen B seit dem 07.04.2000 nicht mehr vor.
Am 11. bzw. 20.03.2000 verstarben die Eltern des Klägers. Der Vater W B, geb. .... 1926, im Folgenden Versicherter genannt, hatte im Todeszeitpunkt eine Altersrente wegen Schwerbehinderung bezogen.
Durch seinen Betreuer stellte der Kläger am 10.04.2000 einen Antrag auf Vollwaisenrente nach dem verstorbenen Versicherten.
Mit Bescheid vom 22.05.2000 lehnte die Beklagte den Antrag mit der Begründung ab, dass der Kläger bereits am 11.09.1994 das 27. Lebensjahr vollendet habe. Die Gewährung einer Waisenrente über diesen Zeitpunkt hinaus komme nach § 48 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) nicht in Betracht. Da der Tod des Versicherten W B am 10.03.2000 eingetreten sei, könne kein Leistungsanspruch mehr entstehen.
Den dagegen gerichteten Widerspruch begründete der Kläger wie folgt: Er sei schon vor seinem 18. Lebensjahr wegen geistiger und seelischer Behinderung außer Stande gewesen sich selbst zu unterhalten. In verfassungskonformer Auslegung des § 48 SGB VI sei auch Waisenrente über das 27. Lebensjahr hinaus zu zahlen entsprechend der Regelung bei Beamtenkindern nach dem Beamtenversorgungsgesetz.
Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 06.09.2000 als unbegründet zurück. Die Begrenzung des Waisenrentenanspruchs wegen Behinderung auf die Zeit bis zur Vollendung des 27. Lebensjahres sei verfassungsgemäß (vgl. BVerfG, Beschl. vom 18.06.1975, 1 BvL 4/4; BSG, Urt. vom 12.03.1981, 11 RA 12/80).
Am 06.10.2000 hat der Kläger Klage zum Sozialgericht Münster erhoben. Er hat vorgetragen, er sei auch über sein 27. Lebensjahr hinaus wegen geistiger oder seelischer Behinderung außer Stande sich selbst zu unterhalten. Dass er im Gegensatz zu Beamtenkindern dennoch keine Waisenrente erhalte, verstoße gegen Art. 3 Grundgesetz (GG). Es könne keine Frage des Zufalls -- Beamtenkind oder nicht -- sein, ob Waisenrente gezahlt werde.
Der Kläger hat schriftlich sinngemäß beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 22.05.2000 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 06.09.2000 zu verurteilen, ihm Waisenrente ab dem 01.05.2000 nach dem Versicherten Wilhelm Bartels zu gewähren,
hilfsweise,
das Verfahren auszusetzen und die Sache dem Bundesverfassungsgericht zur Entscheidung vorzulegen.
Die Beklagte hat schriftsätzlich beantragt,
die Klage abzuweisen.
Mit Gerichtsbescheid vom 25.04.2001 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Dem Kläger stehe gegen die Beklagte kein Anspruch auf Gewährung einer Waisenrente zu. Zur Begründung hat sich das Sozialgericht auf den angefochtenen Bescheid bezogen. Ein Grund für eine Verfassungswidrigkeit, insbesondere ein Verstoß gegen Art. 3 GG, sei nicht erkennbar, wie sich auch aus den von der Beklagten zitierten Entscheidungen des BSG und des Bundesverfassungsgerichts ergebe.
Gegen den seinem Betreuer am 03.05.2001 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 31.05.2001 Berufung eingelegt. Ergänzend trägt er vor, die von der Beklagten zur Verfassungsmäßigkeit des § 48 SGB VI angeführten Entscheidungen träfen inhaltlich nicht zu, da es um einen Kinderzuschuss gehe, nicht aber um Waisenrente. Auch sei zu berücksichtigen, dass die Entscheidungen vor Jahrzehnten getroffen worden seien.
Der Kläger beantragt,
den Gerichtsbeschei...