Entscheidungsstichwort (Thema)
Alterssicherung der Landwirte. Regelaltersrente. Abgabe des landwirtschaftlichen Unternehmens. Ehegatte. Ungleichbehandlung. Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers. Agrarstrukturpolitisches Ziel. Forstwirtschaft. Berufsfreiheit
Leitsatz (redaktionell)
Die Entscheidung des Gesetzgebers, einen Anspruch auf Regelaltersrente nach § 11 ALG an die vorherige Abgabe des landwirtschaftlichen Unternehmens zu knüpfen, ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden.
Normenkette
ALG § 11 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2, § 21 Abs. 2 S. 1 Nr. 3, Abs. 7, 9, § 84 Abs. 5; GG Art. 3 Abs. 1, Art. 6 Abs. 1, Art. 12 Abs. 1, Art. 14 Abs. 1, Art. 74 Abs. 1 Nr. 17, Art. 91 Abs. 1 Nr. 2
Nachgehend
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Detmold vom 20.03.2012 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsrechtszug nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Gewährung einer Regelaltersrente (RAR).
Die 1944 geborene Klägerin ist seit dem 21.7.1967 mit dem 1940 geborenen Landwirt I (im Folgenden: der Landwirt) verheiratet. Der Rentenantrag des Landwirts blieb mangels Abgabe des landwirtschaftlichen Unternehmens erfolglos (Senat, Urteil v. 19.10.2011, L 8 LW 15/11, sozialgerichtsbarkeit.de; BSG, Beschluss v. 29.8.2012, B 10 LW 8/12 B).
Der Landwirt betreibt ein forstwirtschaftliches Unternehmen mit 144,13 ha Forst, 5,63 ha Unland und 14,11 Ha Hoffläche, die in seinem Eigentum stehen. Außerdem hat er 10 Bienenvölker und zwei Schafe, die auf Pachtland weiden. Seit dem 1.1.1961 ist er Pflichtmitglied bei der Beklagten.
Erstmalig am 18.3.2009 beantragte die Klägerin die Gewährung einer Altersrente bei der Beklagten ab dem 1.5.2009. Eine Entscheidung über diesen Antrag erfolgte nicht. Mangels Abgabe des Unternehmens verfolgte die Klägerin ihren Antrag nicht weiter. Im Schreiben vom 9.9.2009 führte sie aus, dass sie den von der Beklagten mitgeteilten Abgabeinformationen entnehme, dass sie keinen Rentenanspruch habe. Somit erübrige sich die Bearbeitung weiterer Fragen. Sie sei nicht der Unternehmer.
Seit Mai 2009 erhält die Klägerin eine Rente aus der Deutschen Rentenversicherung.
Am 25.2.2011 beantragte die Klägerin erneut bei der Beklagten RAR. Mit Begleitschreiben vom 23.2.2011 zum Rentenformantrag teilte sie mit, dass sie die von der Beklagten geforderten ausgefüllten Formulare im Nachgang zu ihrem formlosen Antrag vom 18.3.2009 übersende, und bat um Genehmigung ihres damaligen Antrags auf Rentenzahlung. Die Beklagte lehnte den Antrag ab, weil der Landwirt sein landwirtschaftliches Unternehmen nicht gemäß §§ 11 Abs. 1 Nr. 3, 21 Gesetz über die Alterssicherung der Landwirte (ALG) abgegeben habe (Bescheid vom 21.3.2011). Auch die Voraussetzungen des § 21 Abs. 9 ALG lägen nicht vor. Danach gelte für den Ehegatten eines Unternehmers die Abgabe des Unternehmens unter anderem dann als erfolgt, wenn er unabhängig von der jeweiligen Arbeitsmarktlage voll erwerbsgemindert nach § 43 Abs. 2 SGB VI sei oder die Regelaltersgrenze erreicht habe und vor diesem Zeitpunkt für 60 Kalendermonate ununterbrochen als Ehegatte eines Unternehmers im Sinne des § 1 Abs. 3 ALG gegolten habe und das Unternehmen durch den anderen Ehegatten weiterbewirtschaftet werde (§ 21 Abs. 9 ALG - Fiktivabgabe). Die Voraussetzung der Abgabe liege nur solange vor, bis auch der Ehegatte die Regelaltersgrenze erreicht habe oder voll erwerbsgemindert nach den Vorschriften des SGB VI sei. Der Ehegatte der Klägerin habe mit Ablauf des 23.12.2005 die Regelaltersgrenze erreicht und das Unternehmen noch nicht abgegeben. Dem RAR-Anspruch für mitarbeitende Familienangehörige stehe entgegen, dass sie als Ehegattin eines Landwirts nicht mitarbeitende Familienangehörige im Sinne des ALG, sondern Landwirtin sei. Sie sei zwar nicht die Unternehmerin, jedoch sei sie Ehegattin eines forstwirtschaftlichen Unternehmers und gelte daher nach § 1 Abs. 3 ALG als Landwirtin.
Mit ihrem am 13.4.2011 erhobenen Widerspruch machte die Klägerin geltend, die Verweigerung der Rentengewährung widerspreche dem ausdrücklichen Wunsch des Gesetzgebers, dass die Ehefrau eines Landwirts eine eigene Alterssicherung aufbauen solle. Die Ablehnung sei ein Verstoß gegen das Eigentumsgrundrecht. § 21 ALG enthalte keine hierfür gedachte Härtefallregelung, die Ehefrau dürfe nicht unter der Nichtabgabe des Hofes durch den Ehemann leiden. Dies sei eine Ungleichbehandlung. Mit Widerspruchsbescheid vom 26.7.2011 wies die Beklagte den Widerspruch der Klägerin zurück. Das ALG sehe zwar seit dem 1.1.1995 einen eigenen Rentenanspruch und eine eigene Beitragspflicht für Landwirtsehegatten vor, der Gesetzgeber habe jedoch auch die Gewährung der Altersrente an den Landwirtsehegatten weiterhin an die Abgabevoraussetzung des § 21 ALG geknüpft. Eine andere Auslegung entgegen dem Wortlaut des Gesetzes sei für die Beklagte nicht möglich. Sie habe die bestehenden...