Entscheidungsstichwort (Thema)
Grundsicherung für Arbeitsuchende. Einkommensberücksichtigung. steuerfreie Zuschläge für Nachtarbeit. zweckbestimmte Einnahmen
Orientierungssatz
1. Zuschläge für Nachtarbeit sind gem § 3b Abs 1 EStG steuerlich privilegierte Aufwandsentschädigungen und daher zweckbestimmte Einnahmen iS des § 11 Abs 3 Nr 1 Buchst a SGB 2 (vgl LSG Chemnitz vom 29.10.2009 - L 2 AS 99/08, - L 2 AS 100/08 = ZFSH/SGB 2010, 113 und - L 2 AS 101/08).
2. Hinweis der Dokumentationsstelle des Bundessozialgerichts: Nachdem die Klage vor dem BSG zurückgenommen wurde, ist dieses Urteil sowie das vorinstanzliche Urteil des SG Dortmund wirkungslos.
Tenor
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 20.02.2009 abgeändert.
Die Beklagte wird unter Änderung des Bescheides vom 08.08.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30.08.2007 und der Änderungsbescheide vom 20.09.2007, 15.10.2007 und 13.11.2007 verurteilt, dem Kläger für den Zeitraum vom 01.07.2007 bis zum 30.11.2007 Leistungen nach dem SGB II ohne die Anrechnung der ihm gezahlten Nachtarbeitszuschläge als Einkommen zu gewähren.
Die Beklagte hat die außergerichtlichen Kosten des Klägers in beiden Rechtszügen zu tragen.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist die Höhe der Leistungen für die Zeit vom 01.07.2007 bis 30.11.2007 nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) streitig.
Der 1947 geborene Kläger ist geschieden. Er trug in dem hier streitgegenständlichen Zeitraum nachts Zeitungen (Westfälische Rundschau) aus. Im Rahmen dieser Tätigkeit erzielte er ein etwa zwischen 160,00 EUR bis 180,00 EUR monatlich schwankendes Einkommen, in dem steuerfreie Nachtarbeitszuschläge enthalten waren.
Die Leistungsgewährung regelte die Beklagte dergestalt, dass sie dem Kläger in ihren Leistungsbescheiden zunächst für den gesamten Bewilligungszeitraum einen feststehenden Einkommensbetrag anrechnete und diesen dann nach Erhalt der jeweiligen monatlichen Lohnabrechnungen durch Änderungsbescheide korrigierte.
Mit Bescheid vom 22.05.2007 gewährte die Beklagte dem Kläger Leistungen für den Zeitraum vom 01.07.2007 bis zum 31.12.2007 in Höhe von monatlich 562,08 Euro, wobei sie als Kosten der Unterkunft und Heizung einen Betrag in Höhe von 319,08 Euro bewilligte und bei der Regelleistung nach Anrechnung von Erwerbseinkommen einen Betrag in Höhe von 243,00 Euro gewährte. Sie wies darauf hin, dass als Erwerbseinkommen zunächst 230,00 Euro angerechnet werde. Nach Vorlage der monatlich einzureichenden Lohnabrechnungen erfolge eine Neuberechnung der Leistungen.
Mit Bescheid vom 08.08.2007 änderte die Beklagte die ursprüngliche Leistungsbewilligung dahingehend ab, dass sie für die Zeit vom 01.07.2007 bis 31.07.2007 Leistungen in Höhe von 607,65 Euro, vom 01.08.2007 bis 31.08.2007 in Höhe von 612,34 Euro und ab 01.09.2007 bis 31.12.2007 in Höhe von monatlich 586,08 Euro unter Anrechnung von Erwerbseinkommen bewilligte. Dabei rechnete sie nunmehr für die Monate Juli und August 2007 lediglich das in den Monaten Juni und Juli erzielte und in dem jeweiligen Folgemonat ausgezahlte Erwerbseinkommen in Höhe von 173,04 Euro bzw. 167,18 Euro an. Ab September 2007 ging die Beklagte von einem monatlichen Netto-Erwerbseinkommen in Höhe von 200,00 Euro aus. Bei der Anrechnung des Einkommens gewährte sie dem Kläger einen pauschalen Freibetrag in Höhe von 100,00 Euro und einen weiteren einkommensabhängigen Freibetrag gemäß § 30 SGB II. Die in den Gesamtbeträgen enthaltenen Nachtzuschläge (Verdienstabrechnung Juni 2007: steuerfreier Nachtzuschlag 27,63 Euro und steuerfreier Feiertagszuschlag 2,25 Euro; Verdienstabrechnung Juli 2007: steuerfreier Nachtzuschlag 27,05 Euro) berücksichtigte die Beklagte weiterhin als Einkommen. Das in den Abrechnungen enthaltene Kilometergeld von jeweils 6,25 Euro blieb als zweckbestimmte Einnahme anrechnungsfrei.
Gegen den Bescheid vom 08.08.2007 legte der Kläger am 15.08.2007 Widerspruch ein. Er sei mit der Festsetzung des Arbeitslosengeldes II bezüglich seines Erwerbseinkommens nicht einverstanden. Nach seinem Kenntnisstand habe das Bundesverwaltungsgericht entschieden, dass der Nachtzuschlag, das Wartegeld und der Feiertagszuschlag bei der Berechnung nicht berücksichtigt werden dürfe.
Mit Widerspruchsbescheid vom 30.08.2007 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Sie führte im Wesentlichen aus, dass es sich bei den Nacht- und Feiertagszuschlägen u. a. um nicht zweckbestimmte Einnahmen im Sinne des Gesetzes handele. Zweckgebundene Einnahmen, die dem gleichen Zweck wie das Arbeitslosengeld II/ Sozialgeld dienen, seien grundsätzlich als Einkommen zu berücksichtigen. Hierzu gehören zum Beispiel steuerfrei geleistete Nacht-, Sonntags- oder Feiertagszuschläge. Soweit diese zweckbestimmt seien, weil damit zum Beispiel Verpflegungsmehraufwendungen wegen eines Dienstes zu ungünstigen Zeiten abgedeckt werden sollen, rechtfertige dies nicht eine ungeminderte Alg II-Zahlung, da Leistungen für Verpflegung in der Re...